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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Uberfl. gedancken andere gattung
versprechen muste/ das wird schön auff das vorherge-
hende kommen.

ACh du unverhoffte stunde!
Bringstu nun den herben schluß/
Daß ich aussen mit dem munde
Mich zu was versprechen muß/
Da mein hertz in furcht und list
Weit davon entfernet ist.
2. Steht es oben angeschrieben?
Und befihlt der himmel wol/
Daß man ein gemüthe lieben
Und ein anders hassen soll?
Oder ist der süsse stand
Nur ein blosser menschen-tand?
3. Ach ich zweiffle daß von oben
Solcher zwang entspringen kan.
Wenn die sterne was verloben
Locken sie die sehnsucht an/
Daß die lieb in rath und that
Einen gleichen willen hat.
4. Aber hier wil man verbinden
Was sich nicht zusammen schickt/
Jch sol eine lust empfinden/
Welche mich im hertzen drückt:
Und das absehn meiner treu
Jst umsonst und geht vorbey.
5. Was ich liebe sol ich hassen.
Was ich hasse fällt mir zu/
Was ich halte sol ich lassen/
Mein verdruß soll meine ruh
Meine gunst soll meine pein
Und mein todt mein leben seyn.
6. Doch
Uberfl. gedancken andere gattung
verſprechen muſte/ das wird ſchoͤn auff das vorherge-
hende kommen.

ACh du unverhoffte ſtunde!
Bringſtu nun den herben ſchluß/
Daß ich auſſen mit dem munde
Mich zu was verſprechen muß/
Da mein hertz in furcht und liſt
Weit davon entfernet iſt.
2. Steht es oben angeſchrieben?
Und befihlt der himmel wol/
Daß man ein gemuͤthe lieben
Und ein anders haſſen ſoll?
Oder iſt der ſuͤſſe ſtand
Nur ein bloſſer menſchen-tand?
3. Ach ich zweiffle daß von oben
Solcher zwang entſpringen kan.
Wenn die ſterne was verloben
Locken ſie die ſehnſucht an/
Daß die lieb in rath und that
Einen gleichen willen hat.
4. Aber hier wil man verbinden
Was ſich nicht zuſammen ſchickt/
Jch ſol eine luſt empfinden/
Welche mich im hertzen druͤckt:
Und das abſehn meiner treu
Jſt umſonſt und geht vorbey.
5. Was ich liebe ſol ich haſſen.
Was ich haſſe faͤllt mir zu/
Was ich halte ſol ich laſſen/
Mein verdruß ſoll meine ruh
Meine gunſt ſoll meine pein
Und mein todt mein leben ſeyn.
6. Doch
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[306/0322] Uberfl. gedancken andere gattung verſprechen muſte/ das wird ſchoͤn auff das vorherge- hende kommen. ACh du unverhoffte ſtunde! Bringſtu nun den herben ſchluß/ Daß ich auſſen mit dem munde Mich zu was verſprechen muß/ Da mein hertz in furcht und liſt Weit davon entfernet iſt. 2. Steht es oben angeſchrieben? Und befihlt der himmel wol/ Daß man ein gemuͤthe lieben Und ein anders haſſen ſoll? Oder iſt der ſuͤſſe ſtand Nur ein bloſſer menſchen-tand? 3. Ach ich zweiffle daß von oben Solcher zwang entſpringen kan. Wenn die ſterne was verloben Locken ſie die ſehnſucht an/ Daß die lieb in rath und that Einen gleichen willen hat. 4. Aber hier wil man verbinden Was ſich nicht zuſammen ſchickt/ Jch ſol eine luſt empfinden/ Welche mich im hertzen druͤckt: Und das abſehn meiner treu Jſt umſonſt und geht vorbey. 5. Was ich liebe ſol ich haſſen. Was ich haſſe faͤllt mir zu/ Was ich halte ſol ich laſſen/ Mein verdruß ſoll meine ruh Meine gunſt ſoll meine pein Und mein todt mein leben ſeyn. 6. Doch

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/322>, abgerufen am 22.07.2024.