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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Gilanes an als wär er gefangen/ doch dieser schüttelte
den kopff/ und sagte/ bruder/ weistu denn womit mein
mund allzeit übergeht? daß unterweilen dergleichen
sachen zum zeit vertreib mit unterlauffen/ dannenhero
ist nicht von den gantzen leben zu urtheilen. Es ist kein
kirschbaum so köstlich/ er hat viel taube blüten: Und
wer ist so heilig/ daß er nicht unter seinen guten gedan-
cken etliche unnöthige und überflüßige entstehen lasse/
darzu wil ich nichthoffen/ daß man in gedachten liedern
etwas antreffen solte/ welches GOtt und der erbarkeit
zuwider lieffe. Ein schertz zu rechter zeit angebracht/
ist wie eine pomerantze in einer silbern schaale. Me-
lintes versetzte/ gleichwohl ist von etlichen vornehmen
leuten nicht zum besten davon judiciret worden. Gila-
nes machte eine höhnische mine/ und fragte/ ob die len-
te auch so vornehm wären/ daß man ihr Judicium mit
gutem gewissen könte bey seite setzen? denn/ sagte er/
ie vornehmer die leute sind/ desto mehr soll man ihnen
zu gefallen glauben. Und vielleicht schämet sich man-
cher Catonianischer sauertopf/ daß er das exempel sei-
ner jugend allhier abgemahlet sieht oder erzürnet sich/
daß so viel von seinen stückgen noch außgelassen sind.
Wer dergleichen Conversation in diesem alter nicht ge-
liebt hat/ der werffe den ersten stein auff mich. Melin-
tes sagte dargegen/ es fragte niemand/ ob dergleichen
gethan würde/ sondern ob es verantwortlich sey/ die
unschuldige jugend dadurch zu ärgern. Gilanes sag-
te nochmahls/ er wüste nichts ärgerliches darinnen/
solte auch irgend eine aeqvivocation zu finden seyn/ wel-
che sich rechts und lincks appliciren liesse/ so wolte er
sich wol verwetten/ es solte sie keiner verstehen/ als wel-
cher auch hinter dem strauche gesteckt hätte. Es sey viel

ein
T 4

Gilanes an als waͤr er gefangen/ doch dieſer ſchuͤttelte
den kopff/ und ſagte/ bruder/ weiſtu denn womit mein
mund allzeit uͤbergeht? daß unterweilen dergleichen
ſachen zum zeit vertreib mit unterlauffen/ dannenhero
iſt nicht von den gantzen leben zu urtheilen. Es iſt kein
kirſchbaum ſo koͤſtlich/ er hat viel taube bluͤten: Und
wer iſt ſo heilig/ daß er nicht unter ſeinen guten gedan-
cken etliche unnoͤthige und uͤberfluͤßige entſtehen laſſe/
daꝛzu wil ich nichthoffen/ daß man in gedachten liedern
etwas antreffen ſolte/ welches GOtt und der erbarkeit
zuwider lieffe. Ein ſchertz zu rechter zeit angebracht/
iſt wie eine pomerantze in einer ſilbern ſchaale. Me-
lintes verſetzte/ gleichwohl iſt von etlichen vornehmen
leuten nicht zum beſten davon judiciret worden. Gila-
nes machte eine hoͤhniſche mine/ und fragte/ ob die len-
te auch ſo vornehm waͤren/ daß man ihr Judicium mit
gutem gewiſſen koͤnte bey ſeite ſetzen? denn/ ſagte er/
ie vornehmer die leute ſind/ deſto mehr ſoll man ihnen
zu gefallen glauben. Und vielleicht ſchaͤmet ſich man-
cher Catonianiſcher ſauertopf/ daß er das exempel ſei-
ner jugend allhier abgemahlet ſieht oder erzuͤrnet ſich/
daß ſo viel von ſeinen ſtuͤckgen noch außgelaſſen ſind.
Wer dergleichen Converſation in dieſem alter nicht ge-
liebt hat/ der werffe den erſten ſtein auff mich. Melin-
tes ſagte dargegen/ es fragte niemand/ ob dergleichen
gethan wuͤrde/ ſondern ob es verantwortlich ſey/ die
unſchuldige jugend dadurch zu aͤrgern. Gilanes ſag-
te nochmahls/ er wuͤſte nichts aͤrgerliches darinnen/
ſolte auch irgend eine æqvivocation zu finden ſeyn/ wel-
che ſich rechts und lincks appliciren lieſſe/ ſo wolte er
ſich wol verwetten/ es ſolte ſie keiner verſtehen/ als wel-
cher auch hinter dem ſtrauche geſteckt haͤtte. Es ſey viel

ein
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[295/0311] Gilanes an als waͤr er gefangen/ doch dieſer ſchuͤttelte den kopff/ und ſagte/ bruder/ weiſtu denn womit mein mund allzeit uͤbergeht? daß unterweilen dergleichen ſachen zum zeit vertreib mit unterlauffen/ dannenhero iſt nicht von den gantzen leben zu urtheilen. Es iſt kein kirſchbaum ſo koͤſtlich/ er hat viel taube bluͤten: Und wer iſt ſo heilig/ daß er nicht unter ſeinen guten gedan- cken etliche unnoͤthige und uͤberfluͤßige entſtehen laſſe/ daꝛzu wil ich nichthoffen/ daß man in gedachten liedern etwas antreffen ſolte/ welches GOtt und der erbarkeit zuwider lieffe. Ein ſchertz zu rechter zeit angebracht/ iſt wie eine pomerantze in einer ſilbern ſchaale. Me- lintes verſetzte/ gleichwohl iſt von etlichen vornehmen leuten nicht zum beſten davon judiciret worden. Gila- nes machte eine hoͤhniſche mine/ und fragte/ ob die len- te auch ſo vornehm waͤren/ daß man ihr Judicium mit gutem gewiſſen koͤnte bey ſeite ſetzen? denn/ ſagte er/ ie vornehmer die leute ſind/ deſto mehr ſoll man ihnen zu gefallen glauben. Und vielleicht ſchaͤmet ſich man- cher Catonianiſcher ſauertopf/ daß er das exempel ſei- ner jugend allhier abgemahlet ſieht oder erzuͤrnet ſich/ daß ſo viel von ſeinen ſtuͤckgen noch außgelaſſen ſind. Wer dergleichen Converſation in dieſem alter nicht ge- liebt hat/ der werffe den erſten ſtein auff mich. Melin- tes ſagte dargegen/ es fragte niemand/ ob dergleichen gethan wuͤrde/ ſondern ob es verantwortlich ſey/ die unſchuldige jugend dadurch zu aͤrgern. Gilanes ſag- te nochmahls/ er wuͤſte nichts aͤrgerliches darinnen/ ſolte auch irgend eine æqvivocation zu finden ſeyn/ wel- che ſich rechts und lincks appliciren lieſſe/ ſo wolte er ſich wol verwetten/ es ſolte ſie keiner verſtehen/ als wel- cher auch hinter dem ſtrauche geſteckt haͤtte. Es ſey viel ein T 4

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/311>, abgerufen am 22.07.2024.