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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Wilst zum geschencke geben/
Das will ich gerne sehn.

Sieh da bruder/ sagte Melintes/ wilstu nur ein mäd-
gen haben/ wie wenn sich das glücke umkehrte/ daß du
mit einen witweibigen müstest vorlieb nehmen. Gi-
lanes versetzte/ er hätte zwar noch keine ohren darzu/
doch auff allen fall müste stylo Ovidiano puella so viel
heissen als ein weibesbild/ oder ein frauenzimmer. Fil-
lidor lachte/ endlich brach er in die worte herauß; Jch
dachte wohl du würdest deinen Ovidium anführen müs-
sen/ denn du bist allezeit im geschrey gewesen/ als wenn
du in seinen büchern bekandter wärest/ als in der bibel.
Gilanes fragte/ wer so unbillige gedancken von ihm ge-
schöpfft? doch er muste sich berichten lassen/ seine Uber-
flüßige Gedancken hätten es sattsam ausgewiesen/ daß
er ein purlauter welt-kind seyn müste. Nun kunte
er nicht läugnen/ daß er etliche dutzent weltliche lieder
auf gutachtung unterschiedener freunde in die welt
außfliegen lassen. Gleichwohl verwunderte er sich/
daß die leute von seinen Uberflüßigen Gedancken ur-
theilen wolten/ ehe iemand seine nothwendige gedan-
cken gesehen hätte. Darum sagte er: Ach das sind
Excrementa juventutis, und so wenig man an den schla-
cken sehen kan/ ob das silber gut ist/ so wenig kan man
hierauß von meiner Inclination urtheilen. Die guten
gedancken behalt ich bey mir/ und wer weiß/ wenn ich
die perlen vor die schweine werffe/ oder daß ich recht
sage/ wann ich geistliche lieder hätte herauß gegeben/
onb sich so viel liebhaber würden angemeldet haben.
Melintes fiel ihm in die rede/ bruder/ sagte er/ dem sey
wie ihm wolle/ es heist doch: Weß das hertze voll ist/
deß geht der mund über. Und hiermit sahe er den

Gila-

Wilſt zum geſchencke geben/
Das will ich gerne ſehn.

Sieh da bruder/ ſagte Melintes/ wilſtu nur ein maͤd-
gen haben/ wie wenn ſich das gluͤcke umkehrte/ daß du
mit einen witweibigen muͤſteſt vorlieb nehmen. Gi-
lanes verſetzte/ er haͤtte zwar noch keine ohren darzu/
doch auff allen fall muͤſte ſtylo Ovidiano puella ſo viel
heiſſen als ein weibesbild/ oder ein frauenzimmer. Fil-
lidor lachte/ endlich brach er in die worte herauß; Jch
dachte wohl du wuͤrdeſt deinen Ovidium anfuͤhꝛen muͤſ-
ſen/ denn du biſt allezeit im geſchrey geweſen/ als wenn
du in ſeinen buͤchern bekandter waͤreſt/ als in der bibel.
Gilanes fragte/ wer ſo unbillige gedancken von ihm ge-
ſchoͤpfft? doch er muſte ſich berichten laſſen/ ſeine Uber-
fluͤßige Gedancken haͤtten es ſattſam ausgewieſen/ daß
er ein purlauter welt-kind ſeyn muͤſte. Nun kunte
er nicht laͤugnen/ daß er etliche dutzent weltliche lieder
auf gutachtung unterſchiedener freunde in die welt
außfliegen laſſen. Gleichwohl verwunderte er ſich/
daß die leute von ſeinen Uberfluͤßigen Gedancken ur-
theilen wolten/ ehe iemand ſeine nothwendige gedan-
cken geſehen haͤtte. Darum ſagte er: Ach das ſind
Excrementa juventutis, und ſo wenig man an den ſchla-
cken ſehen kan/ ob das ſilber gut iſt/ ſo wenig kan man
hierauß von meiner Inclination urtheilen. Die guten
gedancken behalt ich bey mir/ und wer weiß/ wenn ich
die perlen vor die ſchweine werffe/ oder daß ich recht
ſage/ wann ich geiſtliche lieder haͤtte herauß gegeben/
õb ſich ſo viel liebhaber wuͤrden angemeldet haben.
Melintes fiel ihm in die rede/ bruder/ ſagte er/ dem ſey
wie ihm wolle/ es heiſt doch: Weß das hertze voll iſt/
deß geht der mund uͤber. Und hiermit ſahe er den

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[294/0310] Wilſt zum geſchencke geben/ Das will ich gerne ſehn. Sieh da bruder/ ſagte Melintes/ wilſtu nur ein maͤd- gen haben/ wie wenn ſich das gluͤcke umkehrte/ daß du mit einen witweibigen muͤſteſt vorlieb nehmen. Gi- lanes verſetzte/ er haͤtte zwar noch keine ohren darzu/ doch auff allen fall muͤſte ſtylo Ovidiano puella ſo viel heiſſen als ein weibesbild/ oder ein frauenzimmer. Fil- lidor lachte/ endlich brach er in die worte herauß; Jch dachte wohl du wuͤrdeſt deinen Ovidium anfuͤhꝛen muͤſ- ſen/ denn du biſt allezeit im geſchrey geweſen/ als wenn du in ſeinen buͤchern bekandter waͤreſt/ als in der bibel. Gilanes fragte/ wer ſo unbillige gedancken von ihm ge- ſchoͤpfft? doch er muſte ſich berichten laſſen/ ſeine Uber- fluͤßige Gedancken haͤtten es ſattſam ausgewieſen/ daß er ein purlauter welt-kind ſeyn muͤſte. Nun kunte er nicht laͤugnen/ daß er etliche dutzent weltliche lieder auf gutachtung unterſchiedener freunde in die welt außfliegen laſſen. Gleichwohl verwunderte er ſich/ daß die leute von ſeinen Uberfluͤßigen Gedancken ur- theilen wolten/ ehe iemand ſeine nothwendige gedan- cken geſehen haͤtte. Darum ſagte er: Ach das ſind Excrementa juventutis, und ſo wenig man an den ſchla- cken ſehen kan/ ob das ſilber gut iſt/ ſo wenig kan man hierauß von meiner Inclination urtheilen. Die guten gedancken behalt ich bey mir/ und wer weiß/ wenn ich die perlen vor die ſchweine werffe/ oder daß ich recht ſage/ wann ich geiſtliche lieder haͤtte herauß gegeben/ õb ſich ſo viel liebhaber wuͤrden angemeldet haben. Melintes fiel ihm in die rede/ bruder/ ſagte er/ dem ſey wie ihm wolle/ es heiſt doch: Weß das hertze voll iſt/ deß geht der mund uͤber. Und hiermit ſahe er den Gila-

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/310>, abgerufen am 10.06.2024.