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Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

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Zehendes dutzent.
4. Was seh ich doch vor schöne leute
Bißweilen auf der gassen stehn/
Die alle wolten lieber heute
Als morgen diese strasse gehn/
Doch die gewonheit ist so scharff/
Daß niemand sich erklären darff.
5. Man soll der ehre noch erwarten/
Doch dieser trost der taug nicht viel/
Die pretzeln schimmeln und verharten/
Wann man sie frisch versäumen will/
Und der beliebten rosen-liecht
Scheint in den späten winter nicht.
6. Ach freylich sind es lahme possen/
Weil man sich noch ergetzen kan/
So wird man allzeit ausgeschlossen/
Hernachmahls geht der handel an/
Wenn unsre lämpgen auf das ziel
Gerathen und verleschen will.
7. Jndem ich dieses liedgen mache/
So blick ich auf mein dinte-faß/
Das schickt sich wohl zu dieser sache/
Die dinte bleibt nicht immer naß/
Man schreib/ und schreibe nicht daraus/
So trocknet doch der boden aus.
8. Ach! dürfft ich mich nur recht beklagen/
So darff ich meine liebe noth
Auch nicht dem besten freunde sagen/
Und das ist ärger als der todt/
Jch warte/ weil mein leder hält/
Wo krieg ich dann mein warte-geld.
VI. Die
M 5
Zehendes dutzent.
4. Was ſeh ich doch vor ſchoͤne leute
Bißweilen auf der gaſſen ſtehn/
Die alle wolten lieber heute
Als morgen dieſe ſtraſſe gehn/
Doch die gewonheit iſt ſo ſcharff/
Daß niemand ſich erklaͤren darff.
5. Man ſoll der ehre noch erwarten/
Doch dieſer troſt der taug nicht viel/
Die pretzeln ſchimmeln und verharten/
Wann man ſie friſch verſaͤumen will/
Und der beliebten roſen-liecht
Scheint in den ſpaͤten winter nicht.
6. Ach freylich ſind es lahme poſſen/
Weil man ſich noch ergetzen kan/
So wird man allzeit ausgeſchloſſen/
Hernachmahls geht der handel an/
Wenn unſre laͤmpgen auf das ziel
Gerathen und verleſchen will.
7. Jndem ich dieſes liedgen mache/
So blick ich auf mein dinte-faß/
Das ſchickt ſich wohl zu dieſer ſache/
Die dinte bleibt nicht immer naß/
Man ſchreib/ und ſchreibe nicht daraus/
So trocknet doch der boden aus.
8. Ach! duͤrfft ich mich nur recht beklagen/
So darff ich meine liebe noth
Auch nicht dem beſten freunde ſagen/
Und das iſt aͤrger als der todt/
Jch warte/ weil mein leder haͤlt/
Wo krieg ich dann mein warte-geld.
VI. Die
M 5
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[185/0201] Zehendes dutzent. 4. Was ſeh ich doch vor ſchoͤne leute Bißweilen auf der gaſſen ſtehn/ Die alle wolten lieber heute Als morgen dieſe ſtraſſe gehn/ Doch die gewonheit iſt ſo ſcharff/ Daß niemand ſich erklaͤren darff. 5. Man ſoll der ehre noch erwarten/ Doch dieſer troſt der taug nicht viel/ Die pretzeln ſchimmeln und verharten/ Wann man ſie friſch verſaͤumen will/ Und der beliebten roſen-liecht Scheint in den ſpaͤten winter nicht. 6. Ach freylich ſind es lahme poſſen/ Weil man ſich noch ergetzen kan/ So wird man allzeit ausgeſchloſſen/ Hernachmahls geht der handel an/ Wenn unſre laͤmpgen auf das ziel Gerathen und verleſchen will. 7. Jndem ich dieſes liedgen mache/ So blick ich auf mein dinte-faß/ Das ſchickt ſich wohl zu dieſer ſache/ Die dinte bleibt nicht immer naß/ Man ſchreib/ und ſchreibe nicht daraus/ So trocknet doch der boden aus. 8. Ach! duͤrfft ich mich nur recht beklagen/ So darff ich meine liebe noth Auch nicht dem beſten freunde ſagen/ Und das iſt aͤrger als der todt/ Jch warte/ weil mein leder haͤlt/ Wo krieg ich dann mein warte-geld. VI. Die M 5

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Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/201>, abgerufen am 17.05.2024.