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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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ihr Verfasser selbst sich inzwischen den Gedanken literarischer Morphologie pwe_149.002
verpflichtet hat. Die deutsche "Seele" ist der Held, man könnte pwe_149.003
auch sagen: es sei der (faustische) "Geist", der hier, vom Standpunkt eines pwe_149.004
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von der Gotik bis zur Romantik verfolgt wird, "Seele" freilich insofern, pwe_149.006
als die Entscheidungen nicht nur aus bewußter Einsicht gefällt werden, pwe_149.007
sondern auch auf den Vorentscheidungen des "Lebensgefühls" beruhen. In pwe_149.008
allen Wandlungen aber herrscht das "Suchen nach einem letzten Sinn und pwe_149.009
Ziel", womit nicht nur die Literaturgeschichte über sich hinausweist auf pwe_149.010
die religiöse Frage, sondern die Geschichte selbst "vornehmlich davon pwe_149.011
spricht, daß sie kein letztes ist." Der feste Blickpunkt hindert Müller pwe_149.012
nicht, ja scheint ihn gerade zu befähigen, mit imponierender Bereitschaft pwe_149.013
und Liebe auch das Gegensätzliche in seinen positiven Kräften zu ergreifen pwe_149.014
und aufs Ganze zu beziehen. Diese echte historiographische Haltung pwe_149.015
ist so alles andere als die farblose Vielseitigkeit eines unbeteiligten Zuschauers.

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5. nationale, europäische, universale literatur
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a) Allgemeines
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Es stellt sich endlich die Frage, welches die maßgebenden literarischen pwe_149.020
Traditionszusammenhänge sind, ob die Einheit der Literaturgeschichte von pwe_149.021
der nationalen, der europäischen oder der menschlichen Gemeinschaft getragen pwe_149.022
wird. Eine jahrtausendalte geistig-literarische Tradition scheint pwe_149.023
heute dem Untergang geweiht. Auch das literarische Bewußtsein sieht sich pwe_149.024
in neuen, universal ausgeweiteten Horizonten. Europäische Literatur im pwe_149.025
engern, Weltliteratur im weitern Kreis wird Gegenstand historischer Besinnung pwe_149.026
und zugleich eines Entwurfs für die Zukunft - wie jede echte pwe_149.027
historische Besinnung eine "Kultursynthese" (Troeltsch) für das Werdende pwe_149.028
bedeutet. Der nationale Rahmen der literarhistorischen Sicht wird unwesentlich pwe_149.029
oder in seiner Bedeutung relativiert. Toynbees Werk liefert pwe_149.030
etwa bei Curtius die Begründung, warum der eigentliche "Geschichtskörper" pwe_149.031
die europäisch-westliche Zivilisation und nicht die einzelne pwe_149.032
Nation ist. Ursprünglich war allerdings die Einheit einer europäischen pwe_149.033
Literatur undiskutierte Voraussetzung der nationalen Literaturgeschichte, pwe_149.034
die nur als individuelle Stimme im Konzert der Völker verstanden wurde. pwe_149.035
Erst nachdem der nationale Gedanke - unter dem Einfluß der Politik und pwe_149.036
nicht zuletzt auch durch die Automatik eines nun einmal nach Nationalsprachen pwe_149.037
aufgeteilten Forschungs- und Lehrbetriebes - ad absurdum geführt

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Es stellt sich endlich die Frage, welches die maßgebenden literarischen pwe_149.020
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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/155>, abgerufen am 22.11.2024.