Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_124.001 So ist soziologische Betrachtung der Literatur nichts anderes als eine legitime pwe_124.023 Die allgemeinsten Perspektiven leiten den Blick über die eigentlich soziologische pwe_124.035 1 pwe_124.037
Torgny T. Segerstedt, Die Macht des Wortes. Eine Sprachsoziologie. Aus dem pwe_124.038 Schwedischen. Zürich 1947. pwe_124.001 So ist soziologische Betrachtung der Literatur nichts anderes als eine legitime pwe_124.023 Die allgemeinsten Perspektiven leiten den Blick über die eigentlich soziologische pwe_124.035 1 pwe_124.037
Torgny T. Segerstedt, Die Macht des Wortes. Eine Sprachsoziologie. Aus dem pwe_124.038 Schwedischen. Zürich 1947. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0130" n="124"/><lb n="pwe_124.001"/> den verschiedensten Formen wesentlich zum Phänomen des Dichters und <lb n="pwe_124.002"/> der Dichtung überhaupt. Besonders wo Dichtung als Sprache, als bestimmt <lb n="pwe_124.003"/> geartetes Ausdrucks- und Kommunikationssystem untersucht wird, erscheint <lb n="pwe_124.004"/> sie in einem sozialpsychologischen Zusammenhang, d. h. unter der <lb n="pwe_124.005"/> Frage nach ihren Funktionen und Leistungen für das einzelmenschliche und <lb n="pwe_124.006"/> zwischenmenschliche Verhalten. Soweit das dichterische Werk, gerade als <lb n="pwe_124.007"/> Werk, über sich hinausweist, betrifft es nicht nur die dichterische Persönlichkeit, <lb n="pwe_124.008"/> sondern den Dichter als Gesellschaftswesen; Dichtung ist nicht <lb n="pwe_124.009"/> denkbar ohne ihren sozialen Aspekt, als gesellschaftsbestimmendes und -bestimmtes, <lb n="pwe_124.010"/> als gesellschaftsrepräsentierendes Wort. Es gibt nicht nur eine <lb n="pwe_124.011"/> <hi rendition="#g">Sprachsoziologie</hi> (vgl. das in angelsächsischer Tradition stehende <lb n="pwe_124.012"/> Werk von <hi rendition="#k">Segerstedt</hi><note xml:id="PWE_124_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_124.037"/> Torgny T. Segerstedt, <hi rendition="#i">Die Macht des Wortes. Eine Sprachsoziologie. Aus dem <lb n="pwe_124.038"/> Schwedischen.</hi> Zürich 1947.</note>), sondern auch eine <hi rendition="#g">Literatursoziologie.</hi> <lb n="pwe_124.013"/> Die Fragestellung betrifft viele Schichten, von jener von der Tiefenpsychologie <lb n="pwe_124.014"/> erforschten Gemeinsamkeit und Gemeinschaftlichkeit kollektiv-seelischer <lb n="pwe_124.015"/> Urformen zu den verschiedenen gesellschaftlichen (nationalen, standesmäßigen, <lb n="pwe_124.016"/> gruppenmäßigen) Bindungen des literarischen Geschehens und <lb n="pwe_124.017"/> höher hinauf zu den bewußten Auseinandersetzungen der dichterischen <lb n="pwe_124.018"/> Einzelexistenz mit ihrer Umwelt; schon am Einzelwerk wird ein Schichtengefüge <lb n="pwe_124.019"/> sozialer Stilebenen erkennbar sein. Auf alle Fälle handelt es sich hier <lb n="pwe_124.020"/> um faßbarere und dichtungsnähere Größen als es Landschaft, Stamm oder <lb n="pwe_124.021"/> Rasse sind.</p> <lb n="pwe_124.022"/> <p> So ist soziologische Betrachtung der Literatur nichts anderes als eine legitime <lb n="pwe_124.023"/> Fragestellung systematischer wie historischer Literaturwissenschaft – <lb n="pwe_124.024"/> freilich nur, solange sie nicht den Anspruch erhebt, das literarische Geschehen <lb n="pwe_124.025"/> vom gesellschaftlichen einseitig abzuleiten oder zu „erklären“; denn in <lb n="pwe_124.026"/> diesem Moment wird die Literatur zum bloßen Symptom außerdichterischer <lb n="pwe_124.027"/> Wirklichkeit. Zum mindesten ist zu unterscheiden zwischen einer primär <lb n="pwe_124.028"/> <hi rendition="#g">soziologischen</hi> Fragestellung, für welche die literarischen Tatbestände <lb n="pwe_124.029"/> nur im Rahmen einer allgemeinen Gesellschaftslehre und Gesellschaftsgeschichte <lb n="pwe_124.030"/> wichtig werden und einer primär <hi rendition="#g">literaturwissenschaftlichen</hi> <lb n="pwe_124.031"/> Betrachtung, der die gesellschaftlichen Tatbestände nichts <lb n="pwe_124.032"/> anderes als Repräsentationen und Aspekte der dichterischen Welt selber <lb n="pwe_124.033"/> sind.</p> <lb n="pwe_124.034"/> <p> Die allgemeinsten Perspektiven leiten den Blick über die eigentlich soziologische <lb n="pwe_124.035"/> Fragestellung hinaus in eine allgemeine <hi rendition="#g">Kulturphilosophie.</hi> <lb n="pwe_124.036"/> In diesem Zusammenhang muß wohl auf das kaum absehbare </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0130]
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den verschiedensten Formen wesentlich zum Phänomen des Dichters und pwe_124.002
der Dichtung überhaupt. Besonders wo Dichtung als Sprache, als bestimmt pwe_124.003
geartetes Ausdrucks- und Kommunikationssystem untersucht wird, erscheint pwe_124.004
sie in einem sozialpsychologischen Zusammenhang, d. h. unter der pwe_124.005
Frage nach ihren Funktionen und Leistungen für das einzelmenschliche und pwe_124.006
zwischenmenschliche Verhalten. Soweit das dichterische Werk, gerade als pwe_124.007
Werk, über sich hinausweist, betrifft es nicht nur die dichterische Persönlichkeit, pwe_124.008
sondern den Dichter als Gesellschaftswesen; Dichtung ist nicht pwe_124.009
denkbar ohne ihren sozialen Aspekt, als gesellschaftsbestimmendes und -bestimmtes, pwe_124.010
als gesellschaftsrepräsentierendes Wort. Es gibt nicht nur eine pwe_124.011
Sprachsoziologie (vgl. das in angelsächsischer Tradition stehende pwe_124.012
Werk von Segerstedt 1), sondern auch eine Literatursoziologie. pwe_124.013
Die Fragestellung betrifft viele Schichten, von jener von der Tiefenpsychologie pwe_124.014
erforschten Gemeinsamkeit und Gemeinschaftlichkeit kollektiv-seelischer pwe_124.015
Urformen zu den verschiedenen gesellschaftlichen (nationalen, standesmäßigen, pwe_124.016
gruppenmäßigen) Bindungen des literarischen Geschehens und pwe_124.017
höher hinauf zu den bewußten Auseinandersetzungen der dichterischen pwe_124.018
Einzelexistenz mit ihrer Umwelt; schon am Einzelwerk wird ein Schichtengefüge pwe_124.019
sozialer Stilebenen erkennbar sein. Auf alle Fälle handelt es sich hier pwe_124.020
um faßbarere und dichtungsnähere Größen als es Landschaft, Stamm oder pwe_124.021
Rasse sind.
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So ist soziologische Betrachtung der Literatur nichts anderes als eine legitime pwe_124.023
Fragestellung systematischer wie historischer Literaturwissenschaft – pwe_124.024
freilich nur, solange sie nicht den Anspruch erhebt, das literarische Geschehen pwe_124.025
vom gesellschaftlichen einseitig abzuleiten oder zu „erklären“; denn in pwe_124.026
diesem Moment wird die Literatur zum bloßen Symptom außerdichterischer pwe_124.027
Wirklichkeit. Zum mindesten ist zu unterscheiden zwischen einer primär pwe_124.028
soziologischen Fragestellung, für welche die literarischen Tatbestände pwe_124.029
nur im Rahmen einer allgemeinen Gesellschaftslehre und Gesellschaftsgeschichte pwe_124.030
wichtig werden und einer primär literaturwissenschaftlichen pwe_124.031
Betrachtung, der die gesellschaftlichen Tatbestände nichts pwe_124.032
anderes als Repräsentationen und Aspekte der dichterischen Welt selber pwe_124.033
sind.
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Die allgemeinsten Perspektiven leiten den Blick über die eigentlich soziologische pwe_124.035
Fragestellung hinaus in eine allgemeine Kulturphilosophie. pwe_124.036
In diesem Zusammenhang muß wohl auf das kaum absehbare
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Schwedischen. Zürich 1947.
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