Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.
pwe_122.001 Später erfolgt dafür die Ausbildung des Archetypusbegriffs. Dieser Begriff pwe_122.015 1 pwe_122.036 C. G. Jung, Psychoanalyse und Dichtung (in: Philosophie der Literaturwissenschaft, pwe_122.037 herausgegeben von Emil Ermatinger, Berlin 1930. Verändert als Psychologie pwe_122.038 und Dichtung in Gestaltungen des Unbewußten, Zürich 1950). 2 pwe_122.039 Jolan Jacobi, Komplex, Archetypus, Symbol. "Schweizerische Zeitschrift für pwe_122.040 Psychologie" IV (1945) 276 ff. 3 pwe_122.041
C. G. Jung, Seelenprobleme der Gegenwart, 2. Auflage, Zürich 1946.
pwe_122.001 Später erfolgt dafür die Ausbildung des Archetypusbegriffs. Dieser Begriff pwe_122.015 1 pwe_122.036 C. G. Jung, Psychoanalyse und Dichtung (in: Philosophie der Literaturwissenschaft, pwe_122.037 herausgegeben von Emil Ermatinger, Berlin 1930. Verändert als Psychologie pwe_122.038 und Dichtung in Gestaltungen des Unbewußten, Zürich 1950). 2 pwe_122.039 Jolan Jacobi, Komplex, Archetypus, Symbol. „Schweizerische Zeitschrift für pwe_122.040 Psychologie“ IV (1945) 276 ff. 3 pwe_122.041
C. G. Jung, Seelenprobleme der Gegenwart, 2. Auflage, Zürich 1946. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0128" n="122"/><lb n="pwe_122.001"/> pen</hi> und vom <hi rendition="#g">Individuationsprozeß,</hi> die den literaturwissenschaftlichen <lb n="pwe_122.002"/> Befunden unter Umständen eine willkommene und überraschende <lb n="pwe_122.003"/> Formulierung erlaubten. Vor allem eigneten sich diese Kategorien <lb n="pwe_122.004"/> im Gegensatz zu denen <hi rendition="#k">Freuds</hi> auch für das Werk und nicht nur für <lb n="pwe_122.005"/> den Mechanismus der Werkentstehung. Sie halfen damit, die Wendung von der <lb n="pwe_122.006"/> biographischen zur ästhetisch-stilistischen Betrachtung der Literatur zu bestätigen. <lb n="pwe_122.007"/> <hi rendition="#k">Jung</hi> selbst setzt 1930<note xml:id="PWE_122_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_122.036"/> C. G. Jung, <hi rendition="#i">Psychoanalyse und Dichtung</hi> (in: <hi rendition="#i">Philosophie der Literaturwissenschaft,</hi> <lb n="pwe_122.037"/> herausgegeben von Emil Ermatinger, Berlin 1930. Verändert als <hi rendition="#i">Psychologie <lb n="pwe_122.038"/> und Dichtung</hi> in <hi rendition="#i">Gestaltungen des Unbewußten,</hi> Zürich 1950).</note> in diesem Sinne die Psychologie des <lb n="pwe_122.008"/> Kunstwerks der des Künstlers gegenüber. Jene sieht im Kunstwerk nicht <lb n="pwe_122.009"/> das bloße Symptom, sondern eine „Urvision“, ein „Urerlebnis“ (die Herkunft <lb n="pwe_122.010"/> der eigentlich ungeeigneten Bezeichnung von <hi rendition="#k">Gundolf</hi> ist aufschlußreich), <lb n="pwe_122.011"/> einen Ausdruck für eine „unbekannte Wesenheit“, die der persönlichen <lb n="pwe_122.012"/> Schicht des Künstlers und seinem Selbstverständnis weitgehend entrückt <lb n="pwe_122.013"/> ist.</p> <lb n="pwe_122.014"/> <p> Später erfolgt dafür die Ausbildung des Archetypusbegriffs. Dieser Begriff <lb n="pwe_122.015"/> hat sich – man vergleiche die ausgezeichnete Zusammenfassung von <lb n="pwe_122.016"/> <hi rendition="#k">Jolan Jacobi</hi><note xml:id="PWE_122_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_122.039"/> Jolan Jacobi, <hi rendition="#i">Komplex, Archetypus, Symbol.</hi> „Schweizerische Zeitschrift für <lb n="pwe_122.040"/> Psychologie“ IV (1945) 276 ff.</note> – aus <hi rendition="#k">Freuds</hi> Begriff des Komplexes entwickelt. Dieser <lb n="pwe_122.017"/> ist zunächst ein pathologischer Begriff und dem persönlichen Unbewußten <lb n="pwe_122.018"/> zugeordnet und eignet sich schon darum nicht für die Erhellung des Kunstwerks. <lb n="pwe_122.019"/> <hi rendition="#k">Jung</hi> faßt ihn immer mehr vom Gesunden her und in der Tiefe <lb n="pwe_122.020"/> eines neuentdeckten kollektiven Unbewußten. Dieses kollektive Unbewußte, <lb n="pwe_122.021"/> auf welchem das Ich-Bewußtsein „schwimmt“, schafft einen neuen Zusammenhang <lb n="pwe_122.022"/> zwischen den Einzelausprägungen auch des künstlerischen Lebens: <lb n="pwe_122.023"/> an Stelle einer kausal verbundenen Summe von Einzelwesen der Literatur <lb n="pwe_122.024"/> tritt ihre gemeinsame Verwurzelung in einem kollektiven Grund. Die <lb n="pwe_122.025"/> Archetypen des kollektiven Unbewußten sind „Knotenpunkte“, „energiegeladene <lb n="pwe_122.026"/> Bedeutungskerne“, „lebendige Reaktions- und Bereitschaftssysteme“, <lb n="pwe_122.027"/> „Urmuster“, „zugleich Bild und Emotion“. Wo sie aber im Jetzt und Hier <lb n="pwe_122.028"/> von Zeit und Raum erscheinen und vom Bewußtsein wahrgenommen werden, <lb n="pwe_122.029"/> da werden sie zu Symbolen, bzw. potenzielle werden zu aktuellen <lb n="pwe_122.030"/> Symbolen, kollektiver („Mythologem“) oder individueller Art. So ist hier <lb n="pwe_122.031"/> auch zum Symbol der Kunst ein Übergang möglich. „Wer mit Urbildern <lb n="pwe_122.032"/> spricht, spricht wie mit tausend Stimmen, er ergreift und überwältigt, zugleich <lb n="pwe_122.033"/> erhebt er das, was er bezeichnet, aus dem Einmaligen und Vergänglichen <lb n="pwe_122.034"/> in die Sphäre des immer Seienden ...“<note xml:id="PWE_122_3" place="foot" n="3"><lb n="pwe_122.041"/> C. G. Jung, <hi rendition="#i">Seelenprobleme der Gegenwart,</hi> 2. Auflage, Zürich 1946.</note>. Es scheint in der Tat <lb n="pwe_122.035"/> möglich, daß das Maß archetypischer Mächtigkeit, d.h. mit Goethe gesprochen, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0128]
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pen und vom Individuationsprozeß, die den literaturwissenschaftlichen pwe_122.002
Befunden unter Umständen eine willkommene und überraschende pwe_122.003
Formulierung erlaubten. Vor allem eigneten sich diese Kategorien pwe_122.004
im Gegensatz zu denen Freuds auch für das Werk und nicht nur für pwe_122.005
den Mechanismus der Werkentstehung. Sie halfen damit, die Wendung von der pwe_122.006
biographischen zur ästhetisch-stilistischen Betrachtung der Literatur zu bestätigen. pwe_122.007
Jung selbst setzt 1930 1 in diesem Sinne die Psychologie des pwe_122.008
Kunstwerks der des Künstlers gegenüber. Jene sieht im Kunstwerk nicht pwe_122.009
das bloße Symptom, sondern eine „Urvision“, ein „Urerlebnis“ (die Herkunft pwe_122.010
der eigentlich ungeeigneten Bezeichnung von Gundolf ist aufschlußreich), pwe_122.011
einen Ausdruck für eine „unbekannte Wesenheit“, die der persönlichen pwe_122.012
Schicht des Künstlers und seinem Selbstverständnis weitgehend entrückt pwe_122.013
ist.
pwe_122.014
Später erfolgt dafür die Ausbildung des Archetypusbegriffs. Dieser Begriff pwe_122.015
hat sich – man vergleiche die ausgezeichnete Zusammenfassung von pwe_122.016
Jolan Jacobi 2 – aus Freuds Begriff des Komplexes entwickelt. Dieser pwe_122.017
ist zunächst ein pathologischer Begriff und dem persönlichen Unbewußten pwe_122.018
zugeordnet und eignet sich schon darum nicht für die Erhellung des Kunstwerks. pwe_122.019
Jung faßt ihn immer mehr vom Gesunden her und in der Tiefe pwe_122.020
eines neuentdeckten kollektiven Unbewußten. Dieses kollektive Unbewußte, pwe_122.021
auf welchem das Ich-Bewußtsein „schwimmt“, schafft einen neuen Zusammenhang pwe_122.022
zwischen den Einzelausprägungen auch des künstlerischen Lebens: pwe_122.023
an Stelle einer kausal verbundenen Summe von Einzelwesen der Literatur pwe_122.024
tritt ihre gemeinsame Verwurzelung in einem kollektiven Grund. Die pwe_122.025
Archetypen des kollektiven Unbewußten sind „Knotenpunkte“, „energiegeladene pwe_122.026
Bedeutungskerne“, „lebendige Reaktions- und Bereitschaftssysteme“, pwe_122.027
„Urmuster“, „zugleich Bild und Emotion“. Wo sie aber im Jetzt und Hier pwe_122.028
von Zeit und Raum erscheinen und vom Bewußtsein wahrgenommen werden, pwe_122.029
da werden sie zu Symbolen, bzw. potenzielle werden zu aktuellen pwe_122.030
Symbolen, kollektiver („Mythologem“) oder individueller Art. So ist hier pwe_122.031
auch zum Symbol der Kunst ein Übergang möglich. „Wer mit Urbildern pwe_122.032
spricht, spricht wie mit tausend Stimmen, er ergreift und überwältigt, zugleich pwe_122.033
erhebt er das, was er bezeichnet, aus dem Einmaligen und Vergänglichen pwe_122.034
in die Sphäre des immer Seienden ...“ 3. Es scheint in der Tat pwe_122.035
möglich, daß das Maß archetypischer Mächtigkeit, d.h. mit Goethe gesprochen,
1 pwe_122.036
C. G. Jung, Psychoanalyse und Dichtung (in: Philosophie der Literaturwissenschaft, pwe_122.037
herausgegeben von Emil Ermatinger, Berlin 1930. Verändert als Psychologie pwe_122.038
und Dichtung in Gestaltungen des Unbewußten, Zürich 1950).
2 pwe_122.039
Jolan Jacobi, Komplex, Archetypus, Symbol. „Schweizerische Zeitschrift für pwe_122.040
Psychologie“ IV (1945) 276 ff.
3 pwe_122.041
C. G. Jung, Seelenprobleme der Gegenwart, 2. Auflage, Zürich 1946.
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