Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_115.001 Wenn Ermatinger so vom Biographischen aus die ästhetische Analyse, pwe_115.009 1 pwe_115.037 Victor Giraud, La critique litteraire. Le probleme, les theories, les methodes. pwe_115.038 Paris 1946. 2 pwe_115.039 Horst Oppel, Grundfragen der literarhistorischen Biographie. DV 18 (1940), pwe_115.040 139 ff. 3 pwe_115.041
C. G. Jung, Gestaltungen des Unbewußten. Zürich 1950. 32 ff. pwe_115.001 Wenn Ermatinger so vom Biographischen aus die ästhetische Analyse, pwe_115.009 1 pwe_115.037 Victor Giraud, La critique littéraire. Le probléme, les théories, les méthodes. pwe_115.038 Paris 1946. 2 pwe_115.039 Horst Oppel, Grundfragen der literarhistorischen Biographie. DV 18 (1940), pwe_115.040 139 ff. 3 pwe_115.041
C. G. Jung, Gestaltungen des Unbewußten. Zürich 1950. 32 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0121" n="115"/><lb n="pwe_115.001"/> bloßen „Literatur“ gehören und damit sowieso von geringem Belang sind. <lb n="pwe_115.002"/> Man hätte damit sachlich und wertmäßig im „Leben“, in der Biographie <lb n="pwe_115.003"/> den Schlüssel zur Dichtung in der Hand – vorausgesetzt, daß dieses Leben <lb n="pwe_115.004"/> nicht nur aus der Dichtung erschlossen ist. Ähnlich bekennt sich <hi rendition="#k">V. <lb n="pwe_115.005"/> Giraud</hi><note xml:id="PWE_115_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_115.037"/> Victor Giraud, <hi rendition="#i">La critique littéraire. Le probléme, les théories, les méthodes.</hi> <lb n="pwe_115.038"/> Paris 1946.</note> zur Methode des biographisch-literarischen Portraits und zum <lb n="pwe_115.006"/> Vorbild <hi rendition="#k">Sainte-Beuve,</hi> weil von hier aus am bequemsten nach allen Seiten <lb n="pwe_115.007"/> gegangen werden könne.</p> <lb n="pwe_115.008"/> <p> Wenn <hi rendition="#k">Ermatinger</hi> so vom Biographischen aus die ästhetische Analyse, <lb n="pwe_115.009"/> die er selbst in seinem erfolgreichen Buch vom dichterischen Kunstwerk <lb n="pwe_115.010"/> einst entscheidend gefördert hat, als sekundäre Aufgabe bezeichnet oder <lb n="pwe_115.011"/> gar verabschiedet, so ist umgekehrt die <hi rendition="#g">Stilkritik</hi> zur Verabschiedung <lb n="pwe_115.012"/> der Biographik gelangt. Sie sei „gleichsam entbehrlich geworden“, stellt <lb n="pwe_115.013"/> <hi rendition="#k">Horst Oppel</hi><note xml:id="PWE_115_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_115.039"/> Horst Oppel, <hi rendition="#i">Grundfragen der literarhistorischen Biographie.</hi> DV 18 (1940), <lb n="pwe_115.040"/> 139 ff.</note> fest. Das „Leben“ ist, wenn überhaupt, nur aus dem Werk <lb n="pwe_115.014"/> und nur in seinem allenfalls literarischen Belang erschließbar, der Zugang <lb n="pwe_115.015"/> über den Hilfsbegriff eines „Erlebnisses“ ist ein Umweg oder gar eine <lb n="pwe_115.016"/> Selbsttäuschung. Am weitesten geht wohl <hi rendition="#k">Wolfgang Kayser,</hi> wenn er <lb n="pwe_115.017"/> innerhalb der Stilkritik selbst den Begriff des Stils nur auf das Einzelwerk <lb n="pwe_115.018"/> begrenzt und sogar die faktische Existenz eines Personalstils für fragwürdig <lb n="pwe_115.019"/> hält. Es gibt für eine strenge Literaturwissenschaft nur die Werke; <lb n="pwe_115.020"/> am Schaffensakt, wenn er schon interessiert, sei im übrigen weder die ganze <lb n="pwe_115.021"/> Persönlichkeit des Dichters noch die Persönlichkeit des Dichters allein beteiligt <lb n="pwe_115.022"/> (was allerdings von allen Handlungen und Haltungen des Menschen <lb n="pwe_115.023"/> gilt!). Selbst die Psychologie gibt zu, „daß der Künstler aus seiner Kunst <lb n="pwe_115.024"/> erklärt werden muß und nicht aus den Unzulänglichkeiten seiner Natur <lb n="pwe_115.025"/> und seinen persönlichen Konflikten, welche bloß bedauerliche Folgeerscheinungen <lb n="pwe_115.026"/> der Tatsache darstellen, daß er ein Künstler ist ... Nicht Goethe <lb n="pwe_115.027"/> macht den ,Faust‘, sondern die seelische Komponente ,Faust‘ macht Goethe“. <lb n="pwe_115.028"/> (C. G. Jung<note xml:id="PWE_115_3" place="foot" n="3"><lb n="pwe_115.041"/> C. G. Jung, <hi rendition="#i">Gestaltungen des Unbewußten.</hi> Zürich 1950. 32 ff.</note>). Aber vielleicht gibt es eine Rettung der Biographie von <lb n="pwe_115.029"/> der Literatur <hi rendition="#g">geschichte</hi> her? <hi rendition="#k">Petersen</hi> weist der „Dichtergeschichte“ <lb n="pwe_115.030"/> in der Tat die verbindende Funktion zwischen Werk und Literaturgeschichte <lb n="pwe_115.031"/> zu: „Auf dem Weg über die Dichter und nur über sie gelangen wir <lb n="pwe_115.032"/> zu einer geschichtlichen Betrachtung der Dichtung“. Unzweifelhaft gehen <lb n="pwe_115.033"/> aber so manche geschichtlichen Verläufe über die personalen Einheiten hinweg <lb n="pwe_115.034"/> – eine Literaturgeschichte ohne Namen ist denkbar, eine Formgeschichte <lb n="pwe_115.035"/> hat uns <hi rendition="#k">Böckmann</hi> (vgl. unten S. 137 ff.) gegeben, erfolgreiche gattungs-, <lb n="pwe_115.036"/> motiv- und geistesgeschichtliche Arbeiten gibt es in großer Zahl.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [115/0121]
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bloßen „Literatur“ gehören und damit sowieso von geringem Belang sind. pwe_115.002
Man hätte damit sachlich und wertmäßig im „Leben“, in der Biographie pwe_115.003
den Schlüssel zur Dichtung in der Hand – vorausgesetzt, daß dieses Leben pwe_115.004
nicht nur aus der Dichtung erschlossen ist. Ähnlich bekennt sich V. pwe_115.005
Giraud 1 zur Methode des biographisch-literarischen Portraits und zum pwe_115.006
Vorbild Sainte-Beuve, weil von hier aus am bequemsten nach allen Seiten pwe_115.007
gegangen werden könne.
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Wenn Ermatinger so vom Biographischen aus die ästhetische Analyse, pwe_115.009
die er selbst in seinem erfolgreichen Buch vom dichterischen Kunstwerk pwe_115.010
einst entscheidend gefördert hat, als sekundäre Aufgabe bezeichnet oder pwe_115.011
gar verabschiedet, so ist umgekehrt die Stilkritik zur Verabschiedung pwe_115.012
der Biographik gelangt. Sie sei „gleichsam entbehrlich geworden“, stellt pwe_115.013
Horst Oppel 2 fest. Das „Leben“ ist, wenn überhaupt, nur aus dem Werk pwe_115.014
und nur in seinem allenfalls literarischen Belang erschließbar, der Zugang pwe_115.015
über den Hilfsbegriff eines „Erlebnisses“ ist ein Umweg oder gar eine pwe_115.016
Selbsttäuschung. Am weitesten geht wohl Wolfgang Kayser, wenn er pwe_115.017
innerhalb der Stilkritik selbst den Begriff des Stils nur auf das Einzelwerk pwe_115.018
begrenzt und sogar die faktische Existenz eines Personalstils für fragwürdig pwe_115.019
hält. Es gibt für eine strenge Literaturwissenschaft nur die Werke; pwe_115.020
am Schaffensakt, wenn er schon interessiert, sei im übrigen weder die ganze pwe_115.021
Persönlichkeit des Dichters noch die Persönlichkeit des Dichters allein beteiligt pwe_115.022
(was allerdings von allen Handlungen und Haltungen des Menschen pwe_115.023
gilt!). Selbst die Psychologie gibt zu, „daß der Künstler aus seiner Kunst pwe_115.024
erklärt werden muß und nicht aus den Unzulänglichkeiten seiner Natur pwe_115.025
und seinen persönlichen Konflikten, welche bloß bedauerliche Folgeerscheinungen pwe_115.026
der Tatsache darstellen, daß er ein Künstler ist ... Nicht Goethe pwe_115.027
macht den ,Faust‘, sondern die seelische Komponente ,Faust‘ macht Goethe“. pwe_115.028
(C. G. Jung 3). Aber vielleicht gibt es eine Rettung der Biographie von pwe_115.029
der Literatur geschichte her? Petersen weist der „Dichtergeschichte“ pwe_115.030
in der Tat die verbindende Funktion zwischen Werk und Literaturgeschichte pwe_115.031
zu: „Auf dem Weg über die Dichter und nur über sie gelangen wir pwe_115.032
zu einer geschichtlichen Betrachtung der Dichtung“. Unzweifelhaft gehen pwe_115.033
aber so manche geschichtlichen Verläufe über die personalen Einheiten hinweg pwe_115.034
– eine Literaturgeschichte ohne Namen ist denkbar, eine Formgeschichte pwe_115.035
hat uns Böckmann (vgl. unten S. 137 ff.) gegeben, erfolgreiche gattungs-, pwe_115.036
motiv- und geistesgeschichtliche Arbeiten gibt es in großer Zahl.
1 pwe_115.037
Victor Giraud, La critique littéraire. Le probléme, les théories, les méthodes. pwe_115.038
Paris 1946.
2 pwe_115.039
Horst Oppel, Grundfragen der literarhistorischen Biographie. DV 18 (1940), pwe_115.040
139 ff.
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C. G. Jung, Gestaltungen des Unbewußten. Zürich 1950. 32 ff.
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