Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_112.001 Es entsteht damit umgekehrt auch die Möglichkeit für das, was als zweifellos pwe_112.008 Schließlich ist ein Gesichtspunkt der Wertung zu erwägen, der hier noch pwe_112.036 1 pwe_112.039 Reinhold Schneider, Dämonie und Verklärung. Vaduz 1947. 2 pwe_112.040
Theodor Haecker, Schönheit, ein Versuch. Leipzig 1936. pwe_112.001 Es entsteht damit umgekehrt auch die Möglichkeit für das, was als zweifellos pwe_112.008 Schließlich ist ein Gesichtspunkt der Wertung zu erwägen, der hier noch pwe_112.036 1 pwe_112.039 Reinhold Schneider, Dämonie und Verklärung. Vaduz 1947. 2 pwe_112.040
Theodor Haecker, Schönheit, ein Versuch. Leipzig 1936. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0118" n="112"/><lb n="pwe_112.001"/> that wether it is literature or not can be determined only by literary <lb n="pwe_112.002"/> standards (<hi rendition="#k">Wellek-warren</hi> 341, 251 ff.). Dieser mögliche Konflikt zwischen <lb n="pwe_112.003"/> sog. ästhetischen und außerästhetischen Maßstäben ist zweifellos verschärft <lb n="pwe_112.004"/> worden durch den Geist des Christentums, der auch die Welt des <lb n="pwe_112.005"/> Schönen in die Spannung zwischen Diesseits und Jenseits versetzt hat und <lb n="pwe_112.006"/> jenen von <hi rendition="#k">Auerbach</hi> sog. „stilmischenden“ Stil hervorbrachte.</p> <lb n="pwe_112.007"/> <p> Es entsteht damit umgekehrt auch die Möglichkeit für das, was als zweifellos <lb n="pwe_112.008"/> echten Tatbestand eine christliche Ästhetik als verführerische, „<hi rendition="#g">dämonische</hi>“ <lb n="pwe_112.009"/> <hi rendition="#g">Schönheit</hi> bezeichnet. „Die Kunst vermag herrliche <lb n="pwe_112.010"/> Straßen zu bauen, die in den Abgrund hinabführen ...“ sagt <hi rendition="#k">Reinhold <lb n="pwe_112.011"/> Schneider</hi><note xml:id="PWE_112_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_112.039"/> Reinhold Schneider, <hi rendition="#i">Dämonie und Verklärung.</hi> Vaduz 1947.</note>. Am Beispiel Miltons hat schon das 18. Jahrhundert über die <lb n="pwe_112.012"/> Größe Satans und die größere Schönheit des Paradise lost gegenüber dem <lb n="pwe_112.013"/> Paradise regained gerätselt. <hi rendition="#k">Schneider</hi> unternimmt es, unter diesem Gesichtspunkt <lb n="pwe_112.014"/> das Erbe der deutschen Klassik und des 19. Jahrhunderts zu <lb n="pwe_112.015"/> betrachten, gerade im Versuch, „mit der Kunst zu leben, sie ganz ernst <lb n="pwe_112.016"/> zu nehmen, und das heißt, sie in ihrem Verhältnis zur Wahrheit zu verfolgen, <lb n="pwe_112.017"/> der das Leben und die Kunst unterworfen sind.“ Das führt uns <lb n="pwe_112.018"/> schließlich zu einer katholisch-thomistischen Kunstlehre, wie sie von <hi rendition="#k">Theo- <lb n="pwe_112.019"/> dor Haecker</hi><note xml:id="PWE_112_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_112.040"/> Theodor Haecker, <hi rendition="#i">Schönheit, ein Versuch.</hi> Leipzig 1936.</note> vertreten ist. <hi rendition="#k">Haecker</hi> versucht, in scharfer Wendung <lb n="pwe_112.020"/> gegen Kant, „Schönheit“ als „ewig und unveränderlich eine Eigenheit des <lb n="pwe_112.021"/> Seins“ neben Wahrheit und Gutheit aufzuweisen, sie ernst zu nehmen nicht <lb n="pwe_112.022"/> als Scheinhaft-Überflüssiges, sondern als leuchtenden Überfluß gnadenhafter <lb n="pwe_112.023"/> Art, nicht als reizhaftes Epiphänomen oder Prophänomen des Guten und <lb n="pwe_112.024"/> Wahren, sondern als ein Sein selbst. Aber gerade dann stößt er auf „zwei <lb n="pwe_112.025"/> unleugbare Tatsachen in dieser Welt: Es ist nicht alles gut, was schön ist, <lb n="pwe_112.026"/> und es ist nicht alles schön, was gut ist“, und das heißt eben wieder: es <lb n="pwe_112.027"/> gibt dämonische Schönheit, es gibt das Problem der Fleurs du mal oder der <lb n="pwe_112.028"/> durch den Fall bewirkten Verwandlung der Gnade (gratia) in Fluch. <lb n="pwe_112.029"/> <hi rendition="#k">Haecker</hi> bestimmt sie mit drei Merkmalen: Auslassung (letztlich der unerschaffenen <lb n="pwe_112.030"/> Schönheit als der Liebe Gottes selbst), Verwirrung der Ordnung, <lb n="pwe_112.031"/> Undurchsichtigkeit. Man sieht, wie mit solchen Kategorien der kontinuierliche <lb n="pwe_112.032"/> Übergang vom stilistischen (Stimmigkeit, Fülle, Transparenz) zum <lb n="pwe_112.033"/> außerstilistischen Gebrauch möglich bleibt, so daß vielleicht diese Unterscheidung <lb n="pwe_112.034"/> auch hier nur irreführend ist.</p> <lb n="pwe_112.035"/> <p> Schließlich ist ein Gesichtspunkt der Wertung zu erwägen, der hier noch <lb n="pwe_112.036"/> nicht berührt wurde und im Rahmen einer Poetik überhaupt nicht erscheinen <lb n="pwe_112.037"/> kann, aber praktisch in der Tageskritik und in der Wahl des Gegenstandes <lb n="pwe_112.038"/> überhaupt fast beherrschend ist: der der <hi rendition="#g">Originalität</hi> oder </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0118]
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that wether it is literature or not can be determined only by literary pwe_112.002
standards (Wellek-warren 341, 251 ff.). Dieser mögliche Konflikt zwischen pwe_112.003
sog. ästhetischen und außerästhetischen Maßstäben ist zweifellos verschärft pwe_112.004
worden durch den Geist des Christentums, der auch die Welt des pwe_112.005
Schönen in die Spannung zwischen Diesseits und Jenseits versetzt hat und pwe_112.006
jenen von Auerbach sog. „stilmischenden“ Stil hervorbrachte.
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Es entsteht damit umgekehrt auch die Möglichkeit für das, was als zweifellos pwe_112.008
echten Tatbestand eine christliche Ästhetik als verführerische, „dämonische“ pwe_112.009
Schönheit bezeichnet. „Die Kunst vermag herrliche pwe_112.010
Straßen zu bauen, die in den Abgrund hinabführen ...“ sagt Reinhold pwe_112.011
Schneider 1. Am Beispiel Miltons hat schon das 18. Jahrhundert über die pwe_112.012
Größe Satans und die größere Schönheit des Paradise lost gegenüber dem pwe_112.013
Paradise regained gerätselt. Schneider unternimmt es, unter diesem Gesichtspunkt pwe_112.014
das Erbe der deutschen Klassik und des 19. Jahrhunderts zu pwe_112.015
betrachten, gerade im Versuch, „mit der Kunst zu leben, sie ganz ernst pwe_112.016
zu nehmen, und das heißt, sie in ihrem Verhältnis zur Wahrheit zu verfolgen, pwe_112.017
der das Leben und die Kunst unterworfen sind.“ Das führt uns pwe_112.018
schließlich zu einer katholisch-thomistischen Kunstlehre, wie sie von Theo- pwe_112.019
dor Haecker 2 vertreten ist. Haecker versucht, in scharfer Wendung pwe_112.020
gegen Kant, „Schönheit“ als „ewig und unveränderlich eine Eigenheit des pwe_112.021
Seins“ neben Wahrheit und Gutheit aufzuweisen, sie ernst zu nehmen nicht pwe_112.022
als Scheinhaft-Überflüssiges, sondern als leuchtenden Überfluß gnadenhafter pwe_112.023
Art, nicht als reizhaftes Epiphänomen oder Prophänomen des Guten und pwe_112.024
Wahren, sondern als ein Sein selbst. Aber gerade dann stößt er auf „zwei pwe_112.025
unleugbare Tatsachen in dieser Welt: Es ist nicht alles gut, was schön ist, pwe_112.026
und es ist nicht alles schön, was gut ist“, und das heißt eben wieder: es pwe_112.027
gibt dämonische Schönheit, es gibt das Problem der Fleurs du mal oder der pwe_112.028
durch den Fall bewirkten Verwandlung der Gnade (gratia) in Fluch. pwe_112.029
Haecker bestimmt sie mit drei Merkmalen: Auslassung (letztlich der unerschaffenen pwe_112.030
Schönheit als der Liebe Gottes selbst), Verwirrung der Ordnung, pwe_112.031
Undurchsichtigkeit. Man sieht, wie mit solchen Kategorien der kontinuierliche pwe_112.032
Übergang vom stilistischen (Stimmigkeit, Fülle, Transparenz) zum pwe_112.033
außerstilistischen Gebrauch möglich bleibt, so daß vielleicht diese Unterscheidung pwe_112.034
auch hier nur irreführend ist.
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Schließlich ist ein Gesichtspunkt der Wertung zu erwägen, der hier noch pwe_112.036
nicht berührt wurde und im Rahmen einer Poetik überhaupt nicht erscheinen pwe_112.037
kann, aber praktisch in der Tageskritik und in der Wahl des Gegenstandes pwe_112.038
überhaupt fast beherrschend ist: der der Originalität oder
1 pwe_112.039
Reinhold Schneider, Dämonie und Verklärung. Vaduz 1947.
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Theodor Haecker, Schönheit, ein Versuch. Leipzig 1936.
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