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Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].

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Pudding mehr. Weiß Gott, wann die von ihrer Ver-
gnügungstour zurückkommen. --
(Lulus Bild ins Auge fassend.)
Die versteht die Sache nicht. Die kann von der Liebe
nicht leben, weil ihr Leben die Liebe ist. -- Da kommt
sie! Ich werde ihr ins Gewissen reden ...

(Die Thür geht auf und die Gräfin Geschwitz tritt ein.)
Schigolch. Wenn Sie Nachtquartier bei uns nehmen
wollen, dann geben sie bitte ein wenig acht, daß nichts
gestohlen wird.
Die Geschwitz. Wie dunkel es hier ist!
Schigolch. Es wird noch viel dunkler. -- Der Herr
Doktor haben sich schon zur Ruhe begeben.
Die Geschwitz. Sie schickt mich voraus.
Schigolch. Das ist vernünftig. -- Wenn jemand
nach mir fragt, ich sitze unten im Cosmopolitan Club.
--
(Ab.)
Die Geschwitz (allein). Ich will mich neben die
Thüre setzen. Ich will alles mitansehen und nicht mit
der Wimper zucken.
(Sie setzt sich auf den Strohsessel neben die
Thür.)
-- Die Menschen kennen sich nicht; sie wissen
nicht, wie sie sind. Nur wer selber kein Mensch ist, der
kennt sie. Jedes Wort, das sie sagen, ist unwahr und
erlogen. Das wissen sie nicht, denn sie sind heute so un
morgen so, je nachdem ob sie gegessen, getrunken und
geliebt haben oder nicht. Nur der Körper bleibt auf
einige Zeit, was er ist, und nur die Kinder haben Ver-
nunft. Die Großen sind wie die Tiere; keines weiß, was
es thut. Wenn sie am glücklichsten sind, dann jammern
und stöhnen sie und im tiefsten Elend freuen sie sich eines
jeden winzigen Happens. Es ist sonderbar, wie der
Hunger den Menschen die Kraft zum Unglück raubt.
Wenn sie sich aber gesättigt haben, dann machen sie sich
die Welt zur Folterkammer und werfen ihr Leben für
Pudding mehr. Weiß Gott, wann die von ihrer Ver-
gnügungstour zurückkommen. —
(Lulus Bild ins Auge faſſend.)
Die verſteht die Sache nicht. Die kann von der Liebe
nicht leben, weil ihr Leben die Liebe iſt. — Da kommt
ſie! Ich werde ihr ins Gewiſſen reden …

(Die Thür geht auf und die Gräfin Geſchwitz tritt ein.)
Schigolch. Wenn Sie Nachtquartier bei uns nehmen
wollen, dann geben ſie bitte ein wenig acht, daß nichts
geſtohlen wird.
Die Geſchwitz. Wie dunkel es hier iſt!
Schigolch. Es wird noch viel dunkler. — Der Herr
Doktor haben ſich ſchon zur Ruhe begeben.
Die Geſchwitz. Sie ſchickt mich voraus.
Schigolch. Das iſt vernünftig. — Wenn jemand
nach mir fragt, ich ſitze unten im Cosmopolitan Club.
(Ab.)
Die Geſchwitz (allein). Ich will mich neben die
Thüre ſetzen. Ich will alles mitanſehen und nicht mit
der Wimper zucken.
(Sie ſetzt ſich auf den Strohſeſſel neben die
Thür.)
— Die Menſchen kennen ſich nicht; ſie wiſſen
nicht, wie ſie ſind. Nur wer ſelber kein Menſch iſt, der
kennt ſie. Jedes Wort, das ſie ſagen, iſt unwahr und
erlogen. Das wiſſen ſie nicht, denn ſie ſind heute ſo un
morgen ſo, je nachdem ob ſie gegeſſen, getrunken und
geliebt haben oder nicht. Nur der Körper bleibt auf
einige Zeit, was er iſt, und nur die Kinder haben Ver-
nunft. Die Großen ſind wie die Tiere; keines weiß, was
es thut. Wenn ſie am glücklichſten ſind, dann jammern
und ſtöhnen ſie und im tiefſten Elend freuen ſie ſich eines
jeden winzigen Happens. Es iſt ſonderbar, wie der
Hunger den Menſchen die Kraft zum Unglück raubt.
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[79/0087] Pudding mehr. Weiß Gott, wann die von ihrer Ver- gnügungstour zurückkommen. — (Lulus Bild ins Auge faſſend.) Die verſteht die Sache nicht. Die kann von der Liebe nicht leben, weil ihr Leben die Liebe iſt. — Da kommt ſie! Ich werde ihr ins Gewiſſen reden … (Die Thür geht auf und die Gräfin Geſchwitz tritt ein.) Schigolch. Wenn Sie Nachtquartier bei uns nehmen wollen, dann geben ſie bitte ein wenig acht, daß nichts geſtohlen wird. Die Geſchwitz. Wie dunkel es hier iſt! Schigolch. Es wird noch viel dunkler. — Der Herr Doktor haben ſich ſchon zur Ruhe begeben. Die Geſchwitz. Sie ſchickt mich voraus. Schigolch. Das iſt vernünftig. — Wenn jemand nach mir fragt, ich ſitze unten im Cosmopolitan Club. — (Ab.) Die Geſchwitz (allein). Ich will mich neben die Thüre ſetzen. Ich will alles mitanſehen und nicht mit der Wimper zucken. (Sie ſetzt ſich auf den Strohſeſſel neben die Thür.) — Die Menſchen kennen ſich nicht; ſie wiſſen nicht, wie ſie ſind. Nur wer ſelber kein Menſch iſt, der kennt ſie. Jedes Wort, das ſie ſagen, iſt unwahr und erlogen. Das wiſſen ſie nicht, denn ſie ſind heute ſo un morgen ſo, je nachdem ob ſie gegeſſen, getrunken und geliebt haben oder nicht. Nur der Körper bleibt auf einige Zeit, was er iſt, und nur die Kinder haben Ver- nunft. Die Großen ſind wie die Tiere; keines weiß, was es thut. Wenn ſie am glücklichſten ſind, dann jammern und ſtöhnen ſie und im tiefſten Elend freuen ſie ſich eines jeden winzigen Happens. Es iſt ſonderbar, wie der Hunger den Menſchen die Kraft zum Unglück raubt. Wenn ſie ſich aber geſättigt haben, dann machen ſie ſich die Welt zur Folterkammer und werfen ihr Leben für

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/87>, abgerufen am 24.11.2024.