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Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].

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wieder unter die Augen kommt. Dem gebe ich eins vor
den Bauch, daß ihm die Kaldaunen wie Leuchtkugeln
zum Himmel fliegen. Wenn Du keinen besseren Ersatz
für mich hast, dann bedaure ich, jemals Deine Gunst
genossen zu haben!
Lulu. Die Geschwitz hat die fürchterlichsten Zu-
stände. Sie windet sich in Krämpfen. Sie ist imstande
und springt in die Seine, wenn Du sie noch länger
warten läßt.
Rodrigo. Worauf wartet das Vieh denn?
Lulu. Auf Dich, daß Du sie liebst.
Rodrigo. Dann sag' ihr, ich lasse sie grüßen und
sie soll in die Seine springen.
Lulu. Sie leiht mir zwanzigtausend Francs, um
mich vor dem Verderben zu retten, wenn Du sie selber
davor bewahrst. Wenn Du sie heute mit Dir nimmst,
deponiere ich morgen zwanzigtausend Francs für Dich
auf dem Postbureau an der Avenue de l'Opera.
Rodrigo. Und wenn ich sie nicht mitnehme?
Lulu. Dann zeig' mich an! Alwa und ich sind
auf dem Trockenen.
Rodrigo. Himmel, Tod und Wolkenbruch!
Lulu. Du machst vier Menschen glücklich, wenn Du
fünfe gerad sein läßt und Dich einem wohlthätigen Zweck
opferst.
Rodrigo. Das wird nicht gehn; ich weiß es im
voraus. Ich habe das jetzt genug ausprobiert. Wer
rechnet bei dem Schirmgestell auch auf solch ein deutsches
Gemüt! Was die Person für mich hatte, war der Um-
stand, daß sie Aristokratin ist. Mein Benehmen war
so gentlemanlike, wie man es bei deutschen Artisten
überhaupt nicht findet. Hätte ich ihr nur jemals unter
die Röcke gegriffen!
wieder unter die Augen kommt. Dem gebe ich eins vor
den Bauch, daß ihm die Kaldaunen wie Leuchtkugeln
zum Himmel fliegen. Wenn Du keinen beſſeren Erſatz
für mich haſt, dann bedaure ich, jemals Deine Gunſt
genoſſen zu haben!
Lulu. Die Geſchwitz hat die fürchterlichſten Zu-
ſtände. Sie windet ſich in Krämpfen. Sie iſt imſtande
und ſpringt in die Seine, wenn Du ſie noch länger
warten läßt.
Rodrigo. Worauf wartet das Vieh denn?
Lulu. Auf Dich, daß Du ſie liebſt.
Rodrigo. Dann ſag’ ihr, ich laſſe ſie grüßen und
ſie ſoll in die Seine ſpringen.
Lulu. Sie leiht mir zwanzigtauſend Francs, um
mich vor dem Verderben zu retten, wenn Du ſie ſelber
davor bewahrſt. Wenn Du ſie heute mit Dir nimmſt,
deponiere ich morgen zwanzigtauſend Francs für Dich
auf dem Poſtbureau an der Avenue de l’Opéra.
Rodrigo. Und wenn ich ſie nicht mitnehme?
Lulu. Dann zeig’ mich an! Alwa und ich ſind
auf dem Trockenen.
Rodrigo. Himmel, Tod und Wolkenbruch!
Lulu. Du machſt vier Menſchen glücklich, wenn Du
fünfe gerad ſein läßt und Dich einem wohlthätigen Zweck
opferſt.
Rodrigo. Das wird nicht gehn; ich weiß es im
voraus. Ich habe das jetzt genug ausprobiert. Wer
rechnet bei dem Schirmgeſtell auch auf ſolch ein deutſches
Gemüt! Was die Perſon für mich hatte, war der Um-
ſtand, daß ſie Ariſtokratin iſt. Mein Benehmen war
ſo gentlemanlike, wie man es bei deutſchen Artiſten
überhaupt nicht findet. Hätte ich ihr nur jemals unter
die Röcke gegriffen!
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[54/0062] wieder unter die Augen kommt. Dem gebe ich eins vor den Bauch, daß ihm die Kaldaunen wie Leuchtkugeln zum Himmel fliegen. Wenn Du keinen beſſeren Erſatz für mich haſt, dann bedaure ich, jemals Deine Gunſt genoſſen zu haben! Lulu. Die Geſchwitz hat die fürchterlichſten Zu- ſtände. Sie windet ſich in Krämpfen. Sie iſt imſtande und ſpringt in die Seine, wenn Du ſie noch länger warten läßt. Rodrigo. Worauf wartet das Vieh denn? Lulu. Auf Dich, daß Du ſie liebſt. Rodrigo. Dann ſag’ ihr, ich laſſe ſie grüßen und ſie ſoll in die Seine ſpringen. Lulu. Sie leiht mir zwanzigtauſend Francs, um mich vor dem Verderben zu retten, wenn Du ſie ſelber davor bewahrſt. Wenn Du ſie heute mit Dir nimmſt, deponiere ich morgen zwanzigtauſend Francs für Dich auf dem Poſtbureau an der Avenue de l’Opéra. Rodrigo. Und wenn ich ſie nicht mitnehme? Lulu. Dann zeig’ mich an! Alwa und ich ſind auf dem Trockenen. Rodrigo. Himmel, Tod und Wolkenbruch! Lulu. Du machſt vier Menſchen glücklich, wenn Du fünfe gerad ſein läßt und Dich einem wohlthätigen Zweck opferſt. Rodrigo. Das wird nicht gehn; ich weiß es im voraus. Ich habe das jetzt genug ausprobiert. Wer rechnet bei dem Schirmgeſtell auch auf ſolch ein deutſches Gemüt! Was die Perſon für mich hatte, war der Um- ſtand, daß ſie Ariſtokratin iſt. Mein Benehmen war ſo gentlemanlike, wie man es bei deutſchen Artiſten überhaupt nicht findet. Hätte ich ihr nur jemals unter die Röcke gegriffen!

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/62>, abgerufen am 06.05.2024.