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Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].

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(Casti Piani geht ins Spielzimmer, die Thür hinter sich auflassend.
Lulu starrt vor sich hin, das Billett, das ihr Rodrigo zusteckte und das
sie während des ganzen Gespräches zwischen den Fingern hielt, mecha-
nisch zerknitternd. Alwa erhebt sich hinter dem Spieltisch, ein Wert-
papier in der Hand, und kommt in den Salon.)
Alwa (zu Lulu). Brillant! Es geht brillant! Die
Geschwitz setzt eben ihr letztes Hemd. Puntschu hat mir
noch zehn Jungfrau-Aktien versprochen. Die Steinherz
macht ihre kleinen Profitchen.
(Er geht nach links vorne ab.)
Lulu (allein). Ich soll in ein Bordell? -- -- (Sie liest
den Zettel, den sie in der Hand hält, und lacht wie toll.)
Alwa (kommt von links zurück, eine Kassette in der Hand).
Machst Du denn nicht mit?
Lulu. Gewiß, gewiß. Warum nicht!
Alwa. Apropos, im "Berliner Tageblatt" steht
heute, daß sich der Alfred Hugenberg im Gefängnis
aus dem dritten Stockwerk ins Treppenhaus hinunter
gestürzt hat.
Lulu. Ist denn der auch im Gefängnis?
Alwa. Nur in einer Art von Preventivhaft. Ge-
rüchtweise verlautet, sein Vater, der Polizeidirektor, habe,
während der Junge beerdigt wurde, Selbstmordversuch
gemacht.

(Alwa geht ins Spielzimmer ab. Lulu will ihm folgen. In der
Thür tritt ihr die Gräfin Geschwitz entgegen.)
Die Geschwitz. Du gehst, weil ich komme?
Lulu. Weiß Gott, nein. Aber wenn Du kommst,
dann gehe ich.
Die Geschwitz. Du hast mich um alles betrogen,
was ich an Glücksgütern auf dieser Welt noch besaß.
Du könntest in Deinem Verkehr mit mir zum aller-
wenigsten die äußerlichen Anstandsformen wahren.
Lulu. Ich bin gegen Dich so anständig, wie gegen
jede andere Frau. Ich bitte Dich nur, es auch mir
gegenüber zu sein.
(Caſti Piani geht ins Spielzimmer, die Thür hinter ſich auflaſſend.
Lulu ſtarrt vor ſich hin, das Billett, das ihr Rodrigo zuſteckte und das
ſie während des ganzen Geſpräches zwiſchen den Fingern hielt, mecha-
niſch zerknitternd. Alwa erhebt ſich hinter dem Spieltiſch, ein Wert-
papier in der Hand, und kommt in den Salon.)
Alwa (zu Lulu). Brillant! Es geht brillant! Die
Geſchwitz ſetzt eben ihr letztes Hemd. Puntſchu hat mir
noch zehn Jungfrau-Aktien verſprochen. Die Steinherz
macht ihre kleinen Profitchen.
(Er geht nach links vorne ab.)
Lulu (allein). Ich ſoll in ein Bordell? — — (Sie lieſt
den Zettel, den ſie in der Hand hält, und lacht wie toll.)
Alwa (kommt von links zurück, eine Kaſſette in der Hand).
Machſt Du denn nicht mit?
Lulu. Gewiß, gewiß. Warum nicht!
Alwa. Apropos, im „Berliner Tageblatt“ ſteht
heute, daß ſich der Alfred Hugenberg im Gefängnis
aus dem dritten Stockwerk ins Treppenhaus hinunter
geſtürzt hat.
Lulu. Iſt denn der auch im Gefängnis?
Alwa. Nur in einer Art von Preventivhaft. Ge-
rüchtweiſe verlautet, ſein Vater, der Polizeidirektor, habe,
während der Junge beerdigt wurde, Selbſtmordverſuch
gemacht.

(Alwa geht ins Spielzimmer ab. Lulu will ihm folgen. In der
Thür tritt ihr die Gräfin Geſchwitz entgegen.)
Die Geſchwitz. Du gehſt, weil ich komme?
Lulu. Weiß Gott, nein. Aber wenn Du kommſt,
dann gehe ich.
Die Geſchwitz. Du haſt mich um alles betrogen,
was ich an Glücksgütern auf dieſer Welt noch beſaß.
Du könnteſt in Deinem Verkehr mit mir zum aller-
wenigſten die äußerlichen Anſtandsformen wahren.
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jede andere Frau. Ich bitte Dich nur, es auch mir
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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/49>, abgerufen am 25.04.2024.