Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].
nach Gusti von Rosenkron -- das schönste Weib, das ich je in Natur gesehen habe; entzückende Hände und Füße, von Natur schmale Taille, gerader Rücken, strotzender Körper, große Augen und Stumpfnase -- ganz so, wie Sie es bevorzugen. Ich habe ihr schon geschrieben. Mit der Singerei hat sie keine Aussicht. Die Mutter hat keinen Pfennig. Leider schon zweiund- zwanzig, aber verschmachtend nach Liebe. Kann nicht heiraten, weil vollkommen mittellos. Habe mit Madame gesprochen. Man nimmt mit Vergnügen noch eine Deutsche, wenn gut erzogen und musikalisch. Italienerinnen und Französinnen können mit uns nicht wetteifern, weil zu wenig Bildung. Wenn Sie Fritz sehen sollten ..." -- Fritz ist der Mann; er läßt sich natürlich scheiden -- ".... dann sagen Sie ihm, alles war Langeweile. Er wußte es nicht besser, ich wußte es auch nicht ...." -- Jetzt folgt die Aufzählung ihrer Glückseligkeiten .... Lulu. Ich kann nicht das Einzige verkaufen, das je mein eigen war. Casti Piani. Laß mich doch weiter lesen! Lulu. Ich liefere Dir heute Abend noch unser ganzes Vermögen aus. Casti Piani. Glaub mir doch um Gottes willen, daß ich Euren letzten Sou schon bekommen habe. Wenn wir nicht bis elf Uhr das Haus verlassen haben, dann transportiert man Dich morgen mit Deiner Sippschaft per Schub nach Deutschland. Lulu. Du kannst mich nicht ausliefern! Casti Piani. Meinst Du, das wäre das Schlimmste, was ich in meinem Leben gekonnt habe? -- Ich muß für den Fall, daß wir heute Nacht nach Marseilles fahren, nur rasch noch ein Wort mit Bianetta reden.
nach Guſti von Roſenkron — das ſchönſte Weib, das ich je in Natur geſehen habe; entzückende Hände und Füße, von Natur ſchmale Taille, gerader Rücken, ſtrotzender Körper, große Augen und Stumpfnaſe — ganz ſo, wie Sie es bevorzugen. Ich habe ihr ſchon geſchrieben. Mit der Singerei hat ſie keine Ausſicht. Die Mutter hat keinen Pfennig. Leider ſchon zweiund- zwanzig, aber verſchmachtend nach Liebe. Kann nicht heiraten, weil vollkommen mittellos. Habe mit Madame geſprochen. Man nimmt mit Vergnügen noch eine Deutſche, wenn gut erzogen und muſikaliſch. Italienerinnen und Franzöſinnen können mit uns nicht wetteifern, weil zu wenig Bildung. Wenn Sie Fritz ſehen ſollten …“ — Fritz iſt der Mann; er läßt ſich natürlich ſcheiden — „.... dann ſagen Sie ihm, alles war Langeweile. Er wußte es nicht beſſer, ich wußte es auch nicht ....“ — Jetzt folgt die Aufzählung ihrer Glückſeligkeiten .... Lulu. Ich kann nicht das Einzige verkaufen, das je mein eigen war. Caſti Piani. Laß mich doch weiter leſen! Lulu. Ich liefere Dir heute Abend noch unſer ganzes Vermögen aus. Caſti Piani. Glaub mir doch um Gottes willen, daß ich Euren letzten Sou ſchon bekommen habe. Wenn wir nicht bis elf Uhr das Haus verlaſſen haben, dann transportiert man Dich morgen mit Deiner Sippſchaft per Schub nach Deutſchland. Lulu. Du kannſt mich nicht ausliefern! Caſti Piani. Meinſt Du, das wäre das Schlimmſte, was ich in meinem Leben gekonnt habe? — Ich muß für den Fall, daß wir heute Nacht nach Marſeilles fahren, nur raſch noch ein Wort mit Bianetta reden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#PIA"> <p><pb facs="#f0048" n="40"/> nach Guſti von Roſenkron — das ſchönſte Weib, das<lb/> ich je in Natur geſehen habe; entzückende Hände und<lb/> Füße, von Natur ſchmale Taille, gerader Rücken,<lb/> ſtrotzender Körper, große Augen und Stumpfnaſe —<lb/> ganz ſo, wie Sie es bevorzugen. Ich habe ihr ſchon<lb/> geſchrieben. Mit der Singerei hat ſie keine Ausſicht.<lb/> Die Mutter hat keinen Pfennig. Leider ſchon zweiund-<lb/> zwanzig, aber verſchmachtend nach Liebe. Kann nicht<lb/> heiraten, weil vollkommen mittellos. Habe mit Madame<lb/> geſprochen. Man nimmt mit Vergnügen noch eine<lb/> Deutſche, wenn gut erzogen und muſikaliſch. Italienerinnen<lb/> und Franzöſinnen können mit uns nicht wetteifern, weil<lb/> zu wenig Bildung. Wenn Sie Fritz ſehen ſollten …“<lb/> — Fritz iſt der Mann; er läßt ſich natürlich ſcheiden<lb/> — „.... dann ſagen Sie ihm, alles war Langeweile.<lb/> Er wußte es nicht beſſer, ich wußte es auch nicht ....“<lb/> — Jetzt folgt die Aufzählung ihrer Glückſeligkeiten ....</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Ich kann nicht das Einzige verkaufen, das<lb/> je mein eigen war.</p> </sp><lb/> <sp who="#PIA"> <speaker><hi rendition="#g">Caſti Piani</hi>.</speaker> <p>Laß mich doch weiter leſen!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Ich liefere Dir heute Abend noch unſer<lb/> ganzes Vermögen aus.</p> </sp><lb/> <sp who="#PIA"> <speaker><hi rendition="#g">Caſti Piani</hi>.</speaker> <p>Glaub mir doch um Gottes willen,<lb/> daß ich Euren letzten Sou ſchon bekommen habe. Wenn<lb/> wir nicht bis elf Uhr das Haus verlaſſen haben, dann<lb/> transportiert man Dich morgen mit Deiner Sippſchaft<lb/> per Schub nach Deutſchland.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Du kannſt mich nicht ausliefern!</p> </sp><lb/> <sp who="#PIA"> <speaker><hi rendition="#g">Caſti Piani</hi>.</speaker> <p>Meinſt Du, das wäre das Schlimmſte,<lb/> was ich in meinem Leben gekonnt habe? — Ich muß<lb/> für den Fall, daß wir heute Nacht nach Marſeilles<lb/> fahren, nur raſch noch ein Wort mit Bianetta reden.</p><lb/> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [40/0048]
nach Guſti von Roſenkron — das ſchönſte Weib, das
ich je in Natur geſehen habe; entzückende Hände und
Füße, von Natur ſchmale Taille, gerader Rücken,
ſtrotzender Körper, große Augen und Stumpfnaſe —
ganz ſo, wie Sie es bevorzugen. Ich habe ihr ſchon
geſchrieben. Mit der Singerei hat ſie keine Ausſicht.
Die Mutter hat keinen Pfennig. Leider ſchon zweiund-
zwanzig, aber verſchmachtend nach Liebe. Kann nicht
heiraten, weil vollkommen mittellos. Habe mit Madame
geſprochen. Man nimmt mit Vergnügen noch eine
Deutſche, wenn gut erzogen und muſikaliſch. Italienerinnen
und Franzöſinnen können mit uns nicht wetteifern, weil
zu wenig Bildung. Wenn Sie Fritz ſehen ſollten …“
— Fritz iſt der Mann; er läßt ſich natürlich ſcheiden
— „.... dann ſagen Sie ihm, alles war Langeweile.
Er wußte es nicht beſſer, ich wußte es auch nicht ....“
— Jetzt folgt die Aufzählung ihrer Glückſeligkeiten ....
Lulu. Ich kann nicht das Einzige verkaufen, das
je mein eigen war.
Caſti Piani. Laß mich doch weiter leſen!
Lulu. Ich liefere Dir heute Abend noch unſer
ganzes Vermögen aus.
Caſti Piani. Glaub mir doch um Gottes willen,
daß ich Euren letzten Sou ſchon bekommen habe. Wenn
wir nicht bis elf Uhr das Haus verlaſſen haben, dann
transportiert man Dich morgen mit Deiner Sippſchaft
per Schub nach Deutſchland.
Lulu. Du kannſt mich nicht ausliefern!
Caſti Piani. Meinſt Du, das wäre das Schlimmſte,
was ich in meinem Leben gekonnt habe? — Ich muß
für den Fall, daß wir heute Nacht nach Marſeilles
fahren, nur raſch noch ein Wort mit Bianetta reden.
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