Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].
heit, um uns, sobald wir im Wasser waren, die Taschen zu durchsuchen. Alwa. Oh, oh! Lulu. Du fürchtest, Du könntest, wenn ich fort bin, kein Gedicht mehr über mich machen? Alwa. Im Gegenteil, ich werde einen Dythirambus über Deine Herrlichkeit schreiben. Lulu. Ich ärgere mich nur über das scheußliche Schuhwerk, das ich trage. Alwa. Das beeinträchtigt Deine Reize nicht. Laß uns der Gunst des Augenblickes dankbar sein. Lulu. Mir ist heute gar nicht darnach zu Mut. -- Erinnerst Du Dich des Kostümballes, auf dem ich als Knappe gekleidet war? Wie mir damals die betrunkenen Frauen nachrannten! Die Geschwitz kroch mir um die Füße herum und bat mich, ich möchte ihr mit meinen Zeugschuhen ins Gesicht treten. Alwa. Komm, süßes Herz! Lulu. Ruhig; ich habe Deinen Vater erschossen. Alwa. Deswegen liebe ich Dich nicht weniger. Einen Kuß! Lulu. Beug den Kopf zurück. Alwa. Du hältst meine Seelenglut durch die ge- schicktesten Künste zurück. Dabei atmet Deine Brust so keusch. Und trotzdem, wenn Deine beiden großen dunklen. Kinderaugen nicht wären, müßte ich Dich für die abge- feimteste Dirne halten, die je einen Mann ins Verderben gestürzt hat. Lulu. Wollte Gott, ich wäre das! Komm heute mit nach Paris. Dort können wir uns sehen, so oft wir wollen, und werden mehr Vergnügen als jetzt an- einander haben. Alwa. Durch dieses Kleid empfinde ich Deinen
heit, um uns, ſobald wir im Waſſer waren, die Taſchen zu durchſuchen. Alwa. Oh, oh! Lulu. Du fürchteſt, Du könnteſt, wenn ich fort bin, kein Gedicht mehr über mich machen? Alwa. Im Gegenteil, ich werde einen Dythirambus über Deine Herrlichkeit ſchreiben. Lulu. Ich ärgere mich nur über das ſcheußliche Schuhwerk, das ich trage. Alwa. Das beeinträchtigt Deine Reize nicht. Laß uns der Gunſt des Augenblickes dankbar ſein. Lulu. Mir iſt heute gar nicht darnach zu Mut. — Erinnerſt Du Dich des Koſtümballes, auf dem ich als Knappe gekleidet war? Wie mir damals die betrunkenen Frauen nachrannten! Die Geſchwitz kroch mir um die Füße herum und bat mich, ich möchte ihr mit meinen Zeugſchuhen ins Geſicht treten. Alwa. Komm, ſüßes Herz! Lulu. Ruhig; ich habe Deinen Vater erſchoſſen. Alwa. Deswegen liebe ich Dich nicht weniger. Einen Kuß! Lulu. Beug den Kopf zurück. Alwa. Du hältſt meine Seelenglut durch die ge- ſchickteſten Künſte zurück. Dabei atmet Deine Bruſt ſo keuſch. Und trotzdem, wenn Deine beiden großen dunklen. Kinderaugen nicht wären, müßte ich Dich für die abge- feimteſte Dirne halten, die je einen Mann ins Verderben geſtürzt hat. Lulu. Wollte Gott, ich wäre das! Komm heute mit nach Paris. Dort können wir uns ſehen, ſo oft wir wollen, und werden mehr Vergnügen als jetzt an- einander haben. Alwa. Durch dieſes Kleid empfinde ich Deinen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#LUL"> <p><pb facs="#f0035" n="27"/> heit, um uns, ſobald wir im Waſſer waren, die Taſchen<lb/> zu durchſuchen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Oh, oh!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Du fürchteſt, Du könnteſt, wenn ich fort bin,<lb/> kein Gedicht mehr über mich machen?</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Im Gegenteil, ich werde einen Dythirambus<lb/> über Deine Herrlichkeit ſchreiben.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Ich ärgere mich nur über das ſcheußliche<lb/> Schuhwerk, das ich trage.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Das beeinträchtigt Deine Reize nicht. Laß<lb/> uns der Gunſt des Augenblickes dankbar ſein.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Mir iſt heute gar nicht darnach zu Mut. —<lb/> Erinnerſt Du Dich des Koſtümballes, auf dem ich als<lb/> Knappe gekleidet war? Wie mir damals die betrunkenen<lb/> Frauen nachrannten! Die Geſchwitz kroch mir um die<lb/> Füße herum und bat mich, ich möchte ihr mit meinen<lb/> Zeugſchuhen ins Geſicht treten.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Komm, ſüßes Herz!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Ruhig; ich habe Deinen Vater erſchoſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Deswegen liebe ich Dich nicht weniger. Einen<lb/> Kuß!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Beug den Kopf zurück.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Du hältſt meine Seelenglut durch die ge-<lb/> ſchickteſten Künſte zurück. Dabei atmet Deine Bruſt ſo<lb/> keuſch. Und trotzdem, wenn Deine beiden großen dunklen.<lb/> Kinderaugen nicht wären, müßte ich Dich für die abge-<lb/> feimteſte Dirne halten, die je einen Mann ins Verderben<lb/> geſtürzt hat.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Wollte Gott, ich wäre das! Komm heute<lb/> mit nach Paris. Dort können wir uns ſehen, ſo oft<lb/> wir wollen, und werden mehr Vergnügen als jetzt an-<lb/> einander haben.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Durch dieſes Kleid empfinde ich Deinen<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [27/0035]
heit, um uns, ſobald wir im Waſſer waren, die Taſchen
zu durchſuchen.
Alwa. Oh, oh!
Lulu. Du fürchteſt, Du könnteſt, wenn ich fort bin,
kein Gedicht mehr über mich machen?
Alwa. Im Gegenteil, ich werde einen Dythirambus
über Deine Herrlichkeit ſchreiben.
Lulu. Ich ärgere mich nur über das ſcheußliche
Schuhwerk, das ich trage.
Alwa. Das beeinträchtigt Deine Reize nicht. Laß
uns der Gunſt des Augenblickes dankbar ſein.
Lulu. Mir iſt heute gar nicht darnach zu Mut. —
Erinnerſt Du Dich des Koſtümballes, auf dem ich als
Knappe gekleidet war? Wie mir damals die betrunkenen
Frauen nachrannten! Die Geſchwitz kroch mir um die
Füße herum und bat mich, ich möchte ihr mit meinen
Zeugſchuhen ins Geſicht treten.
Alwa. Komm, ſüßes Herz!
Lulu. Ruhig; ich habe Deinen Vater erſchoſſen.
Alwa. Deswegen liebe ich Dich nicht weniger. Einen
Kuß!
Lulu. Beug den Kopf zurück.
Alwa. Du hältſt meine Seelenglut durch die ge-
ſchickteſten Künſte zurück. Dabei atmet Deine Bruſt ſo
keuſch. Und trotzdem, wenn Deine beiden großen dunklen.
Kinderaugen nicht wären, müßte ich Dich für die abge-
feimteſte Dirne halten, die je einen Mann ins Verderben
geſtürzt hat.
Lulu. Wollte Gott, ich wäre das! Komm heute
mit nach Paris. Dort können wir uns ſehen, ſo oft
wir wollen, und werden mehr Vergnügen als jetzt an-
einander haben.
Alwa. Durch dieſes Kleid empfinde ich Deinen
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