Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].
Wuchs wie eine Symphonie. Diese schmalen Knöchel, dieses Cantabile; dieses entzückende Anschwellen; und diese Kniee, dieses Capriccio; und das gewaltige Andante der Wollust. -- Wie friedlich sich die beiden schlanken Rivalen in dem Bewußtsein aneinanderschmiegen, daß keiner dem andern an Schönheit gleichkommt -- bis die launische Gebieterin erwacht und die beiden Nebenbuhler wie zwei feindliche Pole auseinanderweichen. Ich werde Dein Lob singen, daß Dir die Sinne vergehn! Lulu. Derweil vergrabe ich meine Hände in Deinem Haar. Aber hier stört man uns. Alwa. Du hast mich um meinen Verstand gebracht! Lulu. Kommt Du nicht mit nach Paris? Alwa. Der Alte fährt doch mir Dir! Lulu. Der kommt nicht mehr zum Vorschein. -- Ist das noch der Divan, auf dem sich Dein Vater ver- blutet hat? Alwa. Schweig -- schweig ...
Wuchs wie eine Symphonie. Dieſe ſchmalen Knöchel, dieſes Cantabile; dieſes entzückende Anſchwellen; und dieſe Kniee, dieſes Capriccio; und das gewaltige Andante der Wolluſt. — Wie friedlich ſich die beiden ſchlanken Rivalen in dem Bewußtſein aneinanderſchmiegen, daß keiner dem andern an Schönheit gleichkommt — bis die launiſche Gebieterin erwacht und die beiden Nebenbuhler wie zwei feindliche Pole auseinanderweichen. Ich werde Dein Lob ſingen, daß Dir die Sinne vergehn! Lulu. Derweil vergrabe ich meine Hände in Deinem Haar. Aber hier ſtört man uns. Alwa. Du haſt mich um meinen Verſtand gebracht! Lulu. Kommt Du nicht mit nach Paris? Alwa. Der Alte fährt doch mir Dir! Lulu. Der kommt nicht mehr zum Vorſchein. — Iſt das noch der Divan, auf dem ſich Dein Vater ver- blutet hat? Alwa. Schweig — ſchweig … <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#ALW"> <p><pb facs="#f0036" n="28"/> Wuchs wie eine Symphonie. Dieſe ſchmalen Knöchel,<lb/> dieſes Cantabile; dieſes entzückende Anſchwellen; und<lb/> dieſe Kniee, dieſes Capriccio; und das gewaltige Andante<lb/> der Wolluſt. — Wie friedlich ſich die beiden ſchlanken<lb/> Rivalen in dem Bewußtſein aneinanderſchmiegen, daß<lb/> keiner dem andern an Schönheit gleichkommt — bis die<lb/> launiſche Gebieterin erwacht und die beiden Nebenbuhler<lb/> wie zwei feindliche Pole auseinanderweichen. Ich werde<lb/> Dein Lob ſingen, daß Dir die Sinne vergehn!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Derweil vergrabe ich meine Hände in Deinem<lb/> Haar. Aber hier ſtört man uns.</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Du haſt mich um meinen Verſtand gebracht!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Kommt Du nicht mit nach Paris?</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Der Alte fährt doch mir Dir!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker> <p>Der kommt nicht mehr zum Vorſchein. —<lb/> Iſt das noch der Divan, auf dem ſich Dein Vater ver-<lb/> blutet hat?</p> </sp><lb/> <sp who="#ALW"> <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker> <p>Schweig — ſchweig …</p> </sp> </div><lb/> </body> </text> </TEI> [28/0036]
Wuchs wie eine Symphonie. Dieſe ſchmalen Knöchel,
dieſes Cantabile; dieſes entzückende Anſchwellen; und
dieſe Kniee, dieſes Capriccio; und das gewaltige Andante
der Wolluſt. — Wie friedlich ſich die beiden ſchlanken
Rivalen in dem Bewußtſein aneinanderſchmiegen, daß
keiner dem andern an Schönheit gleichkommt — bis die
launiſche Gebieterin erwacht und die beiden Nebenbuhler
wie zwei feindliche Pole auseinanderweichen. Ich werde
Dein Lob ſingen, daß Dir die Sinne vergehn!
Lulu. Derweil vergrabe ich meine Hände in Deinem
Haar. Aber hier ſtört man uns.
Alwa. Du haſt mich um meinen Verſtand gebracht!
Lulu. Kommt Du nicht mit nach Paris?
Alwa. Der Alte fährt doch mir Dir!
Lulu. Der kommt nicht mehr zum Vorſchein. —
Iſt das noch der Divan, auf dem ſich Dein Vater ver-
blutet hat?
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