Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903].

Bild:
<< vorherige Seite
diesem Zimmer nur seinen Vater nicht in den Rücken
geschossen!
Alwa (kommt zurück mit Lulus Bild im Pierrotkostüm). Es
ist ganz verstaubt. Ich hatte es mit der Vorderseite
gegen den Kamin gelehnt.
Lulu. Du hast es nicht angesehen, während ich
fort war?
Alwa. Ich hatte infolge des Verkaufs unserer
Zeitung so viel geschäftliche Dinge zu erledigen. Die
Geschwitz würde es gerne bei sich in ihrer Wohnung
aufgehängt haben, aber sie hatte Haussuchungen zu ge-
wärtigen.
(Er hebt das Bild auf die Staffelei.)
Lulu. Nun lernt das arme Ungeheuer das Freuden-
leben im Hotel "Ochsenbutter" auch aus eigener Er-
fahrung kennen.
Alwa. Ich begreife noch jetzt nicht, wie die Er-
eignisse eigentlich zusammenhängen.
Lulu. Sie war als Diakonissin nach Hamburg
gereist und hatte die Unterwäsche einer Cholerakranken
nach deren Tod gegen ihre eigene gewechselt. Sie schickte
sie mir, als sie zurück war. Wir verständigten uns durch
Briefe, in denen immer nur das letzte Wort auf jeder
Seite galt. Ich wurde ins Lazaret transportiert und
lag schon nach zwei Tagen mit ihr zusammen in der
Isolierbaracke. Da machte sie sich mir in allem so ähn-
lich wie möglich und wurde dann als geheilt entlassen.
Heute kam sie noch einmal, um mich zu besuchen. Jetzt
liegt sie dort als die Mörderin des Doktor Schön.
Alwa. Mit dem Bilde kannst Du es, soweit es
die äußere Erscheinung betrifft, immer noch aufnehmen.
Lulu. Im Gesicht bin ich etwas schmal, aber sonst
habe ich nichts verloren. Man wird nur unglaublich
nervös im Gefängnis.
dieſem Zimmer nur ſeinen Vater nicht in den Rücken
geſchoſſen!
Alwa (kommt zurück mit Lulus Bild im Pierrotkoſtüm). Es
iſt ganz verſtaubt. Ich hatte es mit der Vorderſeite
gegen den Kamin gelehnt.
Lulu. Du haſt es nicht angeſehen, während ich
fort war?
Alwa. Ich hatte infolge des Verkaufs unſerer
Zeitung ſo viel geſchäftliche Dinge zu erledigen. Die
Geſchwitz würde es gerne bei ſich in ihrer Wohnung
aufgehängt haben, aber ſie hatte Hausſuchungen zu ge-
wärtigen.
(Er hebt das Bild auf die Staffelei.)
Lulu. Nun lernt das arme Ungeheuer das Freuden-
leben im Hotel „Ochſenbutter“ auch aus eigener Er-
fahrung kennen.
Alwa. Ich begreife noch jetzt nicht, wie die Er-
eigniſſe eigentlich zuſammenhängen.
Lulu. Sie war als Diakoniſſin nach Hamburg
gereiſt und hatte die Unterwäſche einer Cholerakranken
nach deren Tod gegen ihre eigene gewechſelt. Sie ſchickte
ſie mir, als ſie zurück war. Wir verſtändigten uns durch
Briefe, in denen immer nur das letzte Wort auf jeder
Seite galt. Ich wurde ins Lazaret transportiert und
lag ſchon nach zwei Tagen mit ihr zuſammen in der
Iſolierbaracke. Da machte ſie ſich mir in allem ſo ähn-
lich wie möglich und wurde dann als geheilt entlaſſen.
Heute kam ſie noch einmal, um mich zu beſuchen. Jetzt
liegt ſie dort als die Mörderin des Doktor Schön.
Alwa. Mit dem Bilde kannſt Du es, ſoweit es
die äußere Erſcheinung betrifft, immer noch aufnehmen.
Lulu. Im Geſicht bin ich etwas ſchmal, aber ſonſt
habe ich nichts verloren. Man wird nur unglaublich
nervös im Gefängnis.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#LUL">
          <p><pb facs="#f0033" n="25"/>
die&#x017F;em Zimmer nur &#x017F;einen Vater nicht in den Rücken<lb/>
ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#ALW">
          <speaker> <hi rendition="#g">Alwa</hi> </speaker>
          <stage>(kommt zurück mit Lulus Bild im Pierrotko&#x017F;tüm).</stage>
          <p>Es<lb/>
i&#x017F;t ganz ver&#x017F;taubt. Ich hatte es mit der Vorder&#x017F;eite<lb/>
gegen den Kamin gelehnt.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LUL">
          <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker>
          <p>Du ha&#x017F;t es nicht ange&#x017F;ehen, während ich<lb/>
fort war?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#ALW">
          <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker>
          <p>Ich hatte infolge des Verkaufs un&#x017F;erer<lb/>
Zeitung &#x017F;o viel ge&#x017F;chäftliche Dinge zu erledigen. Die<lb/>
Ge&#x017F;chwitz würde es gerne bei &#x017F;ich in ihrer Wohnung<lb/>
aufgehängt haben, aber &#x017F;ie hatte Haus&#x017F;uchungen zu ge-<lb/>
wärtigen.</p>
          <stage>(Er hebt das Bild auf die Staffelei.)</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LUL">
          <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker>
          <p>Nun lernt das arme Ungeheuer das Freuden-<lb/>
leben im Hotel &#x201E;Och&#x017F;enbutter&#x201C; auch aus eigener Er-<lb/>
fahrung kennen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#ALW">
          <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker>
          <p>Ich begreife noch jetzt nicht, wie die Er-<lb/>
eigni&#x017F;&#x017F;e eigentlich zu&#x017F;ammenhängen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LUL">
          <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker>
          <p>Sie war als Diakoni&#x017F;&#x017F;in nach Hamburg<lb/>
gerei&#x017F;t und hatte die Unterwä&#x017F;che einer Cholerakranken<lb/>
nach deren Tod gegen ihre eigene gewech&#x017F;elt. Sie &#x017F;chickte<lb/>
&#x017F;ie mir, als &#x017F;ie zurück war. Wir ver&#x017F;tändigten uns durch<lb/>
Briefe, in denen immer nur das letzte Wort auf jeder<lb/>
Seite galt. Ich wurde ins Lazaret transportiert und<lb/>
lag &#x017F;chon nach zwei Tagen mit ihr zu&#x017F;ammen in der<lb/>
I&#x017F;olierbaracke. Da machte &#x017F;ie &#x017F;ich mir in allem &#x017F;o ähn-<lb/>
lich wie möglich und wurde dann als geheilt entla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Heute kam &#x017F;ie noch einmal, um mich zu be&#x017F;uchen. Jetzt<lb/>
liegt &#x017F;ie dort als die Mörderin des Doktor Schön.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#ALW">
          <speaker><hi rendition="#g">Alwa</hi>.</speaker>
          <p>Mit dem Bilde kann&#x017F;t Du es, &#x017F;oweit es<lb/>
die äußere Er&#x017F;cheinung betrifft, immer noch aufnehmen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LUL">
          <speaker><hi rendition="#g">Lulu</hi>.</speaker>
          <p>Im Ge&#x017F;icht bin ich etwas &#x017F;chmal, aber &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
habe ich nichts verloren. Man wird nur unglaublich<lb/>
nervös im Gefängnis.</p>
        </sp><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0033] dieſem Zimmer nur ſeinen Vater nicht in den Rücken geſchoſſen! Alwa (kommt zurück mit Lulus Bild im Pierrotkoſtüm). Es iſt ganz verſtaubt. Ich hatte es mit der Vorderſeite gegen den Kamin gelehnt. Lulu. Du haſt es nicht angeſehen, während ich fort war? Alwa. Ich hatte infolge des Verkaufs unſerer Zeitung ſo viel geſchäftliche Dinge zu erledigen. Die Geſchwitz würde es gerne bei ſich in ihrer Wohnung aufgehängt haben, aber ſie hatte Hausſuchungen zu ge- wärtigen. (Er hebt das Bild auf die Staffelei.) Lulu. Nun lernt das arme Ungeheuer das Freuden- leben im Hotel „Ochſenbutter“ auch aus eigener Er- fahrung kennen. Alwa. Ich begreife noch jetzt nicht, wie die Er- eigniſſe eigentlich zuſammenhängen. Lulu. Sie war als Diakoniſſin nach Hamburg gereiſt und hatte die Unterwäſche einer Cholerakranken nach deren Tod gegen ihre eigene gewechſelt. Sie ſchickte ſie mir, als ſie zurück war. Wir verſtändigten uns durch Briefe, in denen immer nur das letzte Wort auf jeder Seite galt. Ich wurde ins Lazaret transportiert und lag ſchon nach zwei Tagen mit ihr zuſammen in der Iſolierbaracke. Da machte ſie ſich mir in allem ſo ähn- lich wie möglich und wurde dann als geheilt entlaſſen. Heute kam ſie noch einmal, um mich zu beſuchen. Jetzt liegt ſie dort als die Mörderin des Doktor Schön. Alwa. Mit dem Bilde kannſt Du es, ſoweit es die äußere Erſcheinung betrifft, immer noch aufnehmen. Lulu. Im Geſicht bin ich etwas ſchmal, aber ſonſt habe ich nichts verloren. Man wird nur unglaublich nervös im Gefängnis.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei dieser Ausgabe handelt es sich um die erste s… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/33
Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Die Büchse der Pandora. Berlin, [1903], S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_pandora_1902/33>, abgerufen am 24.11.2024.