Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.Parteimaschine auf der Bildfläche erscheint, ist: der "Boss". Parteimaſchine auf der Bildfläche erſcheint, iſt: der „Boss“. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="42"/> Parteimaſchine auf der Bildfläche erſcheint, iſt: der <hi rendition="#aq">„Boss“</hi>.<lb/> Was iſt der <hi rendition="#aq">Boss</hi>? Ein politiſcher kapitaliſtiſcher Unter-<lb/> nehmer, der für ſeine Rechnung und Gefahr Wahlſtimmen<lb/> herbeiſchafft. Er kann als Rechtsanwalt oder Kneipwirt oder<lb/> Jnhaber ähnlicher Betriebe oder etwa als Kreditgeber ſeine<lb/> erſten Beziehungen gewonnen haben. Von da aus ſpinnt er<lb/> ſeine Fäden weiter, bis er eine beſtimmte Anzahl von Stimmen<lb/> zu „kontrollieren“ vermag. Hat er es ſo weit gebracht, ſo<lb/> tritt er mit den Nachbar<hi rendition="#aq">bosses</hi> in Verbindung, erregt durch<lb/> Eifer, Geſchicklichkeit und vor allen Dingen: Diskretion die<lb/> Aufmerkſamkeit derjenigen, die es in der Karriere ſchon weiter<lb/> gebracht haben, und ſteigt nun auf. Der <hi rendition="#aq">Boss</hi> iſt unentbehrlich<lb/> für die Organiſation der Partei. Die liegt zentraliſiert in<lb/> ſeiner Hand. Er beſchafft ſehr weſentlich die Mittel. Wie<lb/> kommt er zu ihnen? Nun, teilweiſe durch Mitgliederbeiträge;<lb/> vor allem durch Beſteuerung der Gehälter jener Beamten,<lb/> die durch ihn und ſeine Partei ins Amt kamen. Dann durch<lb/> Beſtechungs- und Trinkgelder. Wer eines der zahlreichen<lb/> Geſetze ungeſtraft verletzen will, bedarf der Konnivenz der<lb/><hi rendition="#aq">Bosses</hi> und muß ſie bezahlen. Sonſt erwachſen ihm un-<lb/> weigerlich Unannehmlichkeiten. Aber damit allein iſt das er-<lb/> forderliche Betriebskapital noch nicht beſchafft. Der <hi rendition="#aq">Boss</hi> iſt<lb/> unentbehrlich als direkter Empfänger des Geldes der großen<lb/> Finanzmagnaten. Die würden keinem bezahlten Parteibeamten<lb/> oder irgendeinem öffentlich rechnunglegenden Menſchen über-<lb/> haupt Geld für Wahlzwecke anvertrauen. Der <hi rendition="#aq">Boss</hi> mit ſeiner<lb/> klüglichen Diskretion in Geldſachen iſt ſelbſtverſtändlich der<lb/> Mann derjenigen kapitaliſtiſchen Kreiſe, welche die Wahl<lb/> finanzieren. Der typiſche <hi rendition="#aq">Boss</hi> iſt ein abſolut nüchterner<lb/> Mann. Er ſtrebt nicht nach ſozialer Ehre; der <hi rendition="#aq">„professional“</hi><lb/> iſt verachtet innerhalb der „guten Geſellſchaft“. Er ſucht aus-<lb/> ſchließlich Macht, Macht als Geldquelle, aber auch: um ihrer<lb/> ſelbſt willen. Er arbeitet im Dunklen, das iſt ſein Gegenſatz<lb/> zum engliſchen <hi rendition="#aq">leader</hi>. Man wird ihn ſelbſt nicht öffentlich<lb/> reden hören; er ſuggeriert den Rednern, was ſie in zweck-<lb/> mäßiger Weiſe zu ſagen haben, er ſelbſt aber ſchweigt. Er<lb/> nimmt in aller Regel kein Amt an, außer dem des Senators<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [42/0042]
Parteimaſchine auf der Bildfläche erſcheint, iſt: der „Boss“.
Was iſt der Boss? Ein politiſcher kapitaliſtiſcher Unter-
nehmer, der für ſeine Rechnung und Gefahr Wahlſtimmen
herbeiſchafft. Er kann als Rechtsanwalt oder Kneipwirt oder
Jnhaber ähnlicher Betriebe oder etwa als Kreditgeber ſeine
erſten Beziehungen gewonnen haben. Von da aus ſpinnt er
ſeine Fäden weiter, bis er eine beſtimmte Anzahl von Stimmen
zu „kontrollieren“ vermag. Hat er es ſo weit gebracht, ſo
tritt er mit den Nachbarbosses in Verbindung, erregt durch
Eifer, Geſchicklichkeit und vor allen Dingen: Diskretion die
Aufmerkſamkeit derjenigen, die es in der Karriere ſchon weiter
gebracht haben, und ſteigt nun auf. Der Boss iſt unentbehrlich
für die Organiſation der Partei. Die liegt zentraliſiert in
ſeiner Hand. Er beſchafft ſehr weſentlich die Mittel. Wie
kommt er zu ihnen? Nun, teilweiſe durch Mitgliederbeiträge;
vor allem durch Beſteuerung der Gehälter jener Beamten,
die durch ihn und ſeine Partei ins Amt kamen. Dann durch
Beſtechungs- und Trinkgelder. Wer eines der zahlreichen
Geſetze ungeſtraft verletzen will, bedarf der Konnivenz der
Bosses und muß ſie bezahlen. Sonſt erwachſen ihm un-
weigerlich Unannehmlichkeiten. Aber damit allein iſt das er-
forderliche Betriebskapital noch nicht beſchafft. Der Boss iſt
unentbehrlich als direkter Empfänger des Geldes der großen
Finanzmagnaten. Die würden keinem bezahlten Parteibeamten
oder irgendeinem öffentlich rechnunglegenden Menſchen über-
haupt Geld für Wahlzwecke anvertrauen. Der Boss mit ſeiner
klüglichen Diskretion in Geldſachen iſt ſelbſtverſtändlich der
Mann derjenigen kapitaliſtiſchen Kreiſe, welche die Wahl
finanzieren. Der typiſche Boss iſt ein abſolut nüchterner
Mann. Er ſtrebt nicht nach ſozialer Ehre; der „professional“
iſt verachtet innerhalb der „guten Geſellſchaft“. Er ſucht aus-
ſchließlich Macht, Macht als Geldquelle, aber auch: um ihrer
ſelbſt willen. Er arbeitet im Dunklen, das iſt ſein Gegenſatz
zum engliſchen leader. Man wird ihn ſelbſt nicht öffentlich
reden hören; er ſuggeriert den Rednern, was ſie in zweck-
mäßiger Weiſe zu ſagen haben, er ſelbſt aber ſchweigt. Er
nimmt in aller Regel kein Amt an, außer dem des Senators
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