Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.einander gegenüberstehen, reine Stellenjägerorganisationen, die Das dadurch gestützte spoil system war in Amerika technisch Diejenige Figur nun, die mit diesem System der plebiszitären einander gegenüberſtehen, reine Stellenjägerorganiſationen, die Das dadurch geſtützte spoil system war in Amerika techniſch Diejenige Figur nun, die mit dieſem Syſtem der plebiszitären <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0041" n="41"/> einander gegenüberſtehen, reine Stellenjägerorganiſationen, die<lb/> für den einzelnen Wahlkampf ihre wechſelnden Programme<lb/> je nach der Chance des Stimmenfanges machen – in einem<lb/> Maße wechſelnd, wie dies trotz aller Analogien doch ander-<lb/> wärts ſich nicht findet. Die Parteien ſind eben ganz und gar<lb/> zugeſchnitten auf den für die Amtspatronage wichtigſten Wahl-<lb/> kampf: den um die Präſidentſchaft der Union und um die<lb/> Governorſtellen der Einzelſtaaten. Programme und Kandidaten<lb/> werden in den „Nationalkonventionen“ der Parteien ohne Jnter-<lb/> vention der Parlamentarier feſtgeſtellt: – von Parteitagen<lb/> alſo, die formell ſehr demokratiſch von Delegiertenver-<lb/> ſammlungen beſchickt wurden, welche ihrerſeits ihr Mandat<lb/> den <hi rendition="#aq">„primaries“</hi>, den Urwählerverſammlungen der Partei,<lb/> verdanken. Schon in den <hi rendition="#aq">primaries</hi> werden die Delegierten<lb/> auf den Namen der Staatsoberhauptskandidaten gewählt;<lb/><hi rendition="#g">innerhalb</hi> der einzelnen Parteien tobt der erbittertſte<lb/> Kampf um die Frage der <hi rendition="#aq">„Nomination“</hi>. Jn den Händen<lb/> des Präſidenten liegen immerhin 300 000-400 000 Beamten-<lb/> ernennungen, die von ihm, nur unter Zuziehung von Senatoren<lb/> der Einzelſtaaten, vollzogen werden. Die Senatoren ſind alſo<lb/> mächtige Politiker. Das Repräſentantenhaus dagegen iſt<lb/> politiſch relativ ſehr machtlos, weil ihm die Beamtenpatronage<lb/> entzogen iſt, und die Miniſter, reine Gehilfen des vom Volk<lb/> gegen jedermann, auch das Parlament legitimierten Präſi-<lb/> denten, unabhängig von ſeinem Vertrauen oder Mißtrauen<lb/> ihres Amtes walten können: eine Folge der „Gewalten-<lb/> teilung“.</p> <p>Das dadurch geſtützte <hi rendition="#aq">spoil system</hi> war in Amerika techniſch<lb/><hi rendition="#g">möglich</hi>, weil bei der Jugend der amerikaniſchen Kultur eine<lb/> reine Dilettantenwirtſchaft ertragen werden konnte. Denn<lb/> 300 000–400 000 ſolcher Parteileute, die nichts für ihre Quali-<lb/> fikation anzuführen hatten als die Tatſache, daß ſie ihrer<lb/> Partei gute Dienſte geleiſtet hatten, – dieſer Zuſtand konnte<lb/> ſelbſtverſtändlich nicht beſtehen ohne ungeheure Übelſtände:<lb/> Korruption und Vergeudung ohnegleichen, die nur ein Land<lb/> mit noch unbegrenzten ökonomiſchen Chancen ertrug.</p><lb/> <p>Diejenige Figur nun, die mit dieſem Syſtem der plebiszitären<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [41/0041]
einander gegenüberſtehen, reine Stellenjägerorganiſationen, die
für den einzelnen Wahlkampf ihre wechſelnden Programme
je nach der Chance des Stimmenfanges machen – in einem
Maße wechſelnd, wie dies trotz aller Analogien doch ander-
wärts ſich nicht findet. Die Parteien ſind eben ganz und gar
zugeſchnitten auf den für die Amtspatronage wichtigſten Wahl-
kampf: den um die Präſidentſchaft der Union und um die
Governorſtellen der Einzelſtaaten. Programme und Kandidaten
werden in den „Nationalkonventionen“ der Parteien ohne Jnter-
vention der Parlamentarier feſtgeſtellt: – von Parteitagen
alſo, die formell ſehr demokratiſch von Delegiertenver-
ſammlungen beſchickt wurden, welche ihrerſeits ihr Mandat
den „primaries“, den Urwählerverſammlungen der Partei,
verdanken. Schon in den primaries werden die Delegierten
auf den Namen der Staatsoberhauptskandidaten gewählt;
innerhalb der einzelnen Parteien tobt der erbittertſte
Kampf um die Frage der „Nomination“. Jn den Händen
des Präſidenten liegen immerhin 300 000-400 000 Beamten-
ernennungen, die von ihm, nur unter Zuziehung von Senatoren
der Einzelſtaaten, vollzogen werden. Die Senatoren ſind alſo
mächtige Politiker. Das Repräſentantenhaus dagegen iſt
politiſch relativ ſehr machtlos, weil ihm die Beamtenpatronage
entzogen iſt, und die Miniſter, reine Gehilfen des vom Volk
gegen jedermann, auch das Parlament legitimierten Präſi-
denten, unabhängig von ſeinem Vertrauen oder Mißtrauen
ihres Amtes walten können: eine Folge der „Gewalten-
teilung“.
Das dadurch geſtützte spoil system war in Amerika techniſch
möglich, weil bei der Jugend der amerikaniſchen Kultur eine
reine Dilettantenwirtſchaft ertragen werden konnte. Denn
300 000–400 000 ſolcher Parteileute, die nichts für ihre Quali-
fikation anzuführen hatten als die Tatſache, daß ſie ihrer
Partei gute Dienſte geleiſtet hatten, – dieſer Zuſtand konnte
ſelbſtverſtändlich nicht beſtehen ohne ungeheure Übelſtände:
Korruption und Vergeudung ohnegleichen, die nur ein Land
mit noch unbegrenzten ökonomiſchen Chancen ertrug.
Diejenige Figur nun, die mit dieſem Syſtem der plebiszitären
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Zitationshilfe: | Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/41>, abgerufen am 16.07.2024. |