Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.verbände, allenfalls lokale politische Klubs; in erregten Zeiten Das Jnteresse der Parlamentarier an der Möglichkeit inter- verbände, allenfalls lokale politiſche Klubs; in erregten Zeiten Das Jntereſſe der Parlamentarier an der Möglichkeit inter- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="32"/> verbände, allenfalls lokale politiſche Klubs; in erregten Zeiten<lb/> meldete ſich das Kleinbürgertum, gelegentlich einmal das Prole-<lb/> tariat, wenn ihm Führer erſtanden, die aber in aller Regel<lb/> nicht aus ſeiner Mitte ſtammten. Jn dieſem Stadium beſtehen<lb/> interlokal organiſierte Parteien als Dauerverbände draußen im<lb/> Lande überhaupt noch nicht. Den Zuſammenhalt ſchaffen lediglich<lb/> die Parlamentarier; maßgebend für die Kandidatenaufſtellung<lb/> ſind die örtlichen Honoratioren. Die Programme entſtehen teils<lb/> durch die Werbeaufrufe der Kandidaten, teils in Anlehnung<lb/> an Honoratiorenkongreſſe oder Parlamentsparteibeſchlüſſe.<lb/> Nebenamtlich und ehrenamtlich läuft, als Gelegenheitsarbeit,<lb/> die Leitung der Klubs oder, wo dieſe fehlen (wie meiſt), der<lb/> gänzlich formloſe Betrieb der Politik ſeitens der wenigen<lb/> dauernd daran Jntereſſierten in normalen Zeiten; nur der Jour-<lb/> naliſt iſt bezahlter Berufspolitiker, nur der Zeitungsbetrieb kon-<lb/> tinuierlicher politiſcher Betrieb überhaupt. Daneben nur die<lb/> Parlamentsſeſſion. Die Parlamentarier und parlamentariſchen<lb/> Parteileiter wiſſen zwar, an welche örtlichen Honoratioren man<lb/> ſich wendet, wenn eine politiſche Aktion erwünſcht erſcheint.<lb/> Aber nur in großen Städten beſtehen dauernd Vereine der<lb/> Parteien mit mäßigen Mitgliederbeiträgen und periodiſchen<lb/> Zuſammenkünften und öffentlichen Verſammlungen zum Rechen-<lb/> ſchaftsbericht des Abgeordneten. Leben beſteht nur in der<lb/> Wahlzeit.</p><lb/> <p>Das Jntereſſe der Parlamentarier an der Möglichkeit inter-<lb/> lokaler Wahlkompromiſſe und an der Schlagkraft einheitlicher,<lb/> von breiten Kreiſen des ganzen Landes anerkannter Pro-<lb/> gramme und einheitlicher Agitation im Lande überhaupt bildet<lb/> die Triebkraft des immer ſtrafferen Parteizuſammenſchluſſes.<lb/> Aber wenn nun ein Netz von örtlichen Parteivereinen auch<lb/> in den mittleren Städten und daneben von „Vertrauensmännern“<lb/> über das Land geſpannt wird, mit denen ein Mitglied der<lb/> Parlamentspartei als Leiter des zentralen Parteibureaus in<lb/> dauernder Korreſpondenz ſteht, bleibt im Prinzip der Charakter<lb/> des Parteiapparates als eines Honoratiorenverbandes un-<lb/> verändert. Bezahlte Beamte fehlen außerhalb des Zentral-<lb/> bureaus noch; es ſind durchweg „angeſehene“ Leute, welche<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [32/0032]
verbände, allenfalls lokale politiſche Klubs; in erregten Zeiten
meldete ſich das Kleinbürgertum, gelegentlich einmal das Prole-
tariat, wenn ihm Führer erſtanden, die aber in aller Regel
nicht aus ſeiner Mitte ſtammten. Jn dieſem Stadium beſtehen
interlokal organiſierte Parteien als Dauerverbände draußen im
Lande überhaupt noch nicht. Den Zuſammenhalt ſchaffen lediglich
die Parlamentarier; maßgebend für die Kandidatenaufſtellung
ſind die örtlichen Honoratioren. Die Programme entſtehen teils
durch die Werbeaufrufe der Kandidaten, teils in Anlehnung
an Honoratiorenkongreſſe oder Parlamentsparteibeſchlüſſe.
Nebenamtlich und ehrenamtlich läuft, als Gelegenheitsarbeit,
die Leitung der Klubs oder, wo dieſe fehlen (wie meiſt), der
gänzlich formloſe Betrieb der Politik ſeitens der wenigen
dauernd daran Jntereſſierten in normalen Zeiten; nur der Jour-
naliſt iſt bezahlter Berufspolitiker, nur der Zeitungsbetrieb kon-
tinuierlicher politiſcher Betrieb überhaupt. Daneben nur die
Parlamentsſeſſion. Die Parlamentarier und parlamentariſchen
Parteileiter wiſſen zwar, an welche örtlichen Honoratioren man
ſich wendet, wenn eine politiſche Aktion erwünſcht erſcheint.
Aber nur in großen Städten beſtehen dauernd Vereine der
Parteien mit mäßigen Mitgliederbeiträgen und periodiſchen
Zuſammenkünften und öffentlichen Verſammlungen zum Rechen-
ſchaftsbericht des Abgeordneten. Leben beſteht nur in der
Wahlzeit.
Das Jntereſſe der Parlamentarier an der Möglichkeit inter-
lokaler Wahlkompromiſſe und an der Schlagkraft einheitlicher,
von breiten Kreiſen des ganzen Landes anerkannter Pro-
gramme und einheitlicher Agitation im Lande überhaupt bildet
die Triebkraft des immer ſtrafferen Parteizuſammenſchluſſes.
Aber wenn nun ein Netz von örtlichen Parteivereinen auch
in den mittleren Städten und daneben von „Vertrauensmännern“
über das Land geſpannt wird, mit denen ein Mitglied der
Parlamentspartei als Leiter des zentralen Parteibureaus in
dauernder Korreſpondenz ſteht, bleibt im Prinzip der Charakter
des Parteiapparates als eines Honoratiorenverbandes un-
verändert. Bezahlte Beamte fehlen außerhalb des Zentral-
bureaus noch; es ſind durchweg „angeſehene“ Leute, welche
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