Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.um der Schätzung willen, die sie sonst genießen, die örtlichen Weber, Geistige Arbeit als Beruf. II. 3
um der Schätzung willen, die ſie ſonſt genießen, die örtlichen Weber, Geiſtige Arbeit als Beruf. II. 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="33"/> um der Schätzung willen, die ſie ſonſt genießen, die örtlichen<lb/> Vereine leiten: die außerparlamentariſchen „Honoratioren“,<lb/> die neben der politiſchen Honoratiorenſchicht der einmal im Par-<lb/> lament ſitzenden Abgeordneten Einfluß üben. Die geiſtige<lb/> Nahrung für Preſſe und örtliche Verſammlungen beſchafft<lb/> allerdings zunehmend die von der Partei herausgegebene<lb/> Parteikorreſpondenz. Regelmäßige Mitgliederbeiträge werden<lb/> unentbehrlich; ein Bruchteil muß den Geldkoſten der Zentrale<lb/> dienen. Jn dieſem Stadium befanden ſich noch vor nicht allzu<lb/> langer Zeit die meiſten deutſchen Parteiorganiſationen. Jn<lb/> Frankreich vollends herrſchte teilweiſe noch das erſte Stadium:<lb/> der ganz labile Zuſammenſchluß der Parlamentarier und im<lb/> Lande draußen die kleine Zahl der örtlichen Honoratioren,<lb/> Programme durch die Kandidaten oder für ſie von ihren<lb/> Schutzpatronen im Einzelfall bei der Bewerbung aufgeſtellt,<lb/> wenn auch unter mehr oder minder örtlicher Anlehnung an<lb/> Beſchlüſſe und Programme der Parlamentarier. Erſt teil-<lb/> weiſe war dies Syſtem durchbrochen. Die Zahl der haupt-<lb/> beruflichen Politiker war dabei gering und ſetzte ſich im weſent-<lb/> lichen aus den gewählten Abgeordneten, den wenigen An-<lb/> geſtellten der Zentrale, den Journaliſten und – in Frankreich –<lb/> im übrigen aus jenen Stellenjägern zuſammen, die ſich in einem<lb/> „politiſchen Amt“ befanden oder augenblicklich ein ſolches er-<lb/> ſtrebten. Die Politik war formell weit überwiegend Neben-<lb/> beruf. Auch die Zahl der „miniſtrablen“ Abgeordneten war eng<lb/> begrenzt, aber wegen des Honoratiorencharakters auch die der<lb/> Wahlkandidaten. Die Zahl der indirekt an dem politiſchen Be-<lb/> trieb, vor allem materiell, Jntereſſierten war aber ſehr groß.<lb/> Denn alle Maßregeln eines Miniſteriums und vor allem alle<lb/> Erledigungen von Perſonalfragen ergingen unter der Mit-<lb/> wirkung der Frage nach ihrem Einfluß auf die Wahlchancen,<lb/> und alle und jede Art von Wünſchen ſuchte man durch Ver-<lb/> mittlung des örtlichen Abgeordneten durchzuſetzen, dem der<lb/> Miniſter, wenn er zu ſeiner Mehrheit gehörte – und das er-<lb/> ſtrebte daher jedermann –, wohl oder übel Gehör ſchenken<lb/> mußte. Der einzelne Deputierte hatte die Amtspatronage und<lb/> überhaupt jede Art von Patronage in allen <choice><sic>Angelegenhiten</sic><corr>Angelegenheiten</corr></choice><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Weber</hi>, Geiſtige Arbeit als Beruf. II. <hi rendition="#right">3</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0033]
um der Schätzung willen, die ſie ſonſt genießen, die örtlichen
Vereine leiten: die außerparlamentariſchen „Honoratioren“,
die neben der politiſchen Honoratiorenſchicht der einmal im Par-
lament ſitzenden Abgeordneten Einfluß üben. Die geiſtige
Nahrung für Preſſe und örtliche Verſammlungen beſchafft
allerdings zunehmend die von der Partei herausgegebene
Parteikorreſpondenz. Regelmäßige Mitgliederbeiträge werden
unentbehrlich; ein Bruchteil muß den Geldkoſten der Zentrale
dienen. Jn dieſem Stadium befanden ſich noch vor nicht allzu
langer Zeit die meiſten deutſchen Parteiorganiſationen. Jn
Frankreich vollends herrſchte teilweiſe noch das erſte Stadium:
der ganz labile Zuſammenſchluß der Parlamentarier und im
Lande draußen die kleine Zahl der örtlichen Honoratioren,
Programme durch die Kandidaten oder für ſie von ihren
Schutzpatronen im Einzelfall bei der Bewerbung aufgeſtellt,
wenn auch unter mehr oder minder örtlicher Anlehnung an
Beſchlüſſe und Programme der Parlamentarier. Erſt teil-
weiſe war dies Syſtem durchbrochen. Die Zahl der haupt-
beruflichen Politiker war dabei gering und ſetzte ſich im weſent-
lichen aus den gewählten Abgeordneten, den wenigen An-
geſtellten der Zentrale, den Journaliſten und – in Frankreich –
im übrigen aus jenen Stellenjägern zuſammen, die ſich in einem
„politiſchen Amt“ befanden oder augenblicklich ein ſolches er-
ſtrebten. Die Politik war formell weit überwiegend Neben-
beruf. Auch die Zahl der „miniſtrablen“ Abgeordneten war eng
begrenzt, aber wegen des Honoratiorencharakters auch die der
Wahlkandidaten. Die Zahl der indirekt an dem politiſchen Be-
trieb, vor allem materiell, Jntereſſierten war aber ſehr groß.
Denn alle Maßregeln eines Miniſteriums und vor allem alle
Erledigungen von Perſonalfragen ergingen unter der Mit-
wirkung der Frage nach ihrem Einfluß auf die Wahlchancen,
und alle und jede Art von Wünſchen ſuchte man durch Ver-
mittlung des örtlichen Abgeordneten durchzuſetzen, dem der
Miniſter, wenn er zu ſeiner Mehrheit gehörte – und das er-
ſtrebte daher jedermann –, wohl oder übel Gehör ſchenken
mußte. Der einzelne Deputierte hatte die Amtspatronage und
überhaupt jede Art von Patronage in allen Angelegenheiten
Weber, Geiſtige Arbeit als Beruf. II. 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/33 |
Zitationshilfe: | Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/33>, abgerufen am 16.02.2025. |