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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] 48 Solch Volk muss solche Pfaffen han, sprach der Henker, als er Mönch geworden (der ward in Behem ein Priester). - Hoefer, 437; Klosterspiegel, 37, 1; Eiselein, 506.

It.: Al popolo pazzo prete spiritato. (Gaal, 1024.)

Lat.: Pallia longa gerit Titius: cur pallia longa? - Ut longum nequam pallia longa tegant. (Sutor, 324.)

49 Soll ein Volk seine Würde lassen, so beordre man Schergen in allen Gassen.

50 Verständigem Volke ist gut predigen.

Holl.: Het is goed preken, daar het volk verstand heeft. (Harrebomee, II, 402b.)

51 Viel Volck, wol geschlagen vnd wol bezahlt, macht kurtze Kriege. - Petri, II, 575.

52 Viel Volks, viel Machen, viel Räth', viel Sachen.

53 Völker und Weiber muss man zuerst lieben, wenn man von ihnen geliebt sein will.

54 Wann man dem Volke die Ziegel (und Fronen) doppelt, so kommt Moses. - Opel, 384; Eiselein, 688; Sailer, 344; Simrock, 7110.

55 Wenn das Volk aufsteht, wackeln hohe Stühle und niedere Bänke.

Um auszudrücken, wie schwer es ist, eine aufgeregte Volksmasse zu beschwichtigen, sagen die Maoren (Ureinwohner von Neuseeland): Könnt ihr die Brandung beschwichtigen, welche am Felsriff von Rongo-ma-takupe anschlägt? (Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde, in den Jahren 1857-59, II, 317 fg.), wo aus einem Werke des Sir Georg Grey, Gouverneurs von Neuseeland, eine Anzahl Sprichwörter der Maoren mitgetheilt werden.

56 Wenn dat Volk de Köppe to Haupe stecket, is de Herrskug (Herrschaft) verraen. (Osnabrück.)

57 Wer auf das Volk vertraut, hat auf den Sand (Sumpf) gebaut.

It.: Chi fonda in sul popolo, fonda in sulla rena. (Bohn I, 81.)

58 Wer das Volk ehrt, den ehrt es wieder, sagte der Spitzbube, als ihn der Henker zum Galgen fuhr und viel Volks nachfolgte.

Um auszudrücken, dass jemand viel Ehre erwiesen wird, die er nicht verdient, sagt ein ägyptisches Sprichwort: Die Leiche wird von Tausenden begleitet, und der Verstorbene ist ein Hund. (Burckhardt. 46.)

59 Wer das Volk will wohl berathen, sei knapp in Wort und stramm in Thaten.

60 Wer dem Volke dient, hat des Teufels Dank.

In der Herzegowina heisst es: Wer der Welt dient, weiss nicht, von wem er den Lohn fordern soll. (Hausfreund, XVI, 495.)

Lat.: Pro beneficio Agamemnonem mulctarunt Achivi. (Binder II, 2658; Germberg, II, 27.)

61 Wer nicht zu seinem Volke steht, der hasst sein eigen Blut.

Böhm.: Proti sve krvi bojuje, kdo svuj narod nemiluje. (Celakovsky, 226.)

62 Wie das Volk, so der Weihrauch, sagte der Teufel, und briet einen zottigen Hund.

Holl.: Zulk volk, zulke wierook. (Harrebomee, II, 403a.)

63 Wie der Völker Bund, gibt ihr Bündniss kund.

Dauer und Trennung desselben. Bündnisse der Völker können durch äussere Umstände herbeigeführt werden; der Werth derselben wird nach ihrer Dauer bestimmt.

Lat.: Vt plebs fedus amat tmesis non copula famat. (Reuterdahl, 1100.)

Schwed.: Man spör huru folk skils ok ey huru thz saman kombir. (Reuterdahl, 1100.)

64 Wie ein Volk ist (isst), so isst (ist) es.

Ob die Beziehungen zwischen dem Charakter und der Bildung eines Volks und seiner Art zu essen, seiner Küche, in einem solchen Zusammenhange stehen, wie der vorstehende Spruch behauptet, sei hier dahingestellt; aber dass man die Völker oft nach ihrer Art zu essen schildert, ist bekannt. Behaupten die Franzosen auch in der Politik nicht mehr den ersten Platz, so spielen sie doch, wie man versichert, in der Küche die erste Rolle. Ihr Spruch: L'appetit vient en mangeant (der Appetit kommt beim Essen), drückt ihre Ueberlegenheit auf diesem Felde aus. Die übrigen Menschen nennen den Hunger den besten Koch, und der Appetit vergeht ihnen während des Essens. Der Deutsche füllt sich, während er ein Buch oder eine Zeitung liest, also gänzlich geistesabwesend ist, den Magen mit übel aussehender und schlecht zubereiteter Kost. Er betrachtet das Essen als nothwendiges Uebel, dessen Last nur durch die Poesie des Trinkens gemildert wird. Der Engländer verschlingt wie ein Raubthier grosse Massen rohen Fleisches. Er betreibt das Essen als Arbeit, etwa wie das Heizen einer Maschine, damit ihr der Dampf nicht ausgeht. In Italien schmecken alle Speisen [Spaltenumbruch] nach Oel, in Ungarn nach Paprika, in Spanien nach Knoblauch. Nur der Franzose versteht den Tisch zu decken, das Auge zu befriedigen, dem Geruch zu schmeicheln und den Gaumen zu reizen. Nach einem deutschen Essen sind wir schläfrig, ermattet, wie Blei liegt es uns in den Gliedern; die Verdauung erzeugt eine Art Krankheit und lähmt wie eine solche den Geist. Nach dem französischen Mahl fühlen wir uns erstarkt, neubelebt und erfrischt, zu jeder Thätigkeit aufgelegt. (Niederschles. Zeitung 1875, Nr. 124.)

65 Wie man mit dem Volck zukompt, so muss man Pfeffer bezalen vnd Meusedreck mit fressen. - Petri, II, 791.

66 Will man des Volkes Rechte verbrennen, so müssen die Esel nach Holze rennen.

Dummköpfe sind immer sogleich bereit, das Holz zum Feuer zu tragen, in welchem ihre eigenen Rechte verbrannt werden sollen.

67 Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, sang der Schwabe, und gab dem Preussen einen Klapps.

68 Wo das Volk ist, da ist Nahrung. - Simrock, 11022a.

69 Wo viel Volck in Stäten ist, da ist viel glück. - Lehmann, 806, 2.

70 Wo viel Volk kommt gelaufen, da lässt sich gut verkaufen.

Lat.: Ubi hominum frequentia, ibi quaestus. (Philippi, II, 230.)

71 Wohnt hier so böses Volk, dass sie dich haben todtgeschlagen, sagte der Insulaner, als er in eine Kirche kam und den Heiland am Kreuze sah.

Unter Insulaner werden hier die Bewohner der ostfriesischen und oldenburgischen Inseln verstanden, die unter der festländischen Bevölkerung als einfältig und dumm verschrien sind. Zu den Beispielen, welche P. Müller zum Beweis dessen erzählt, gehört das vorstehende Sprichwort. In der Handschrift heisst es altfriesisch: Ohn Oynlauhner, Zyhl kuhm in den Tzierk uhn schia usen liufen Heere ont Kruss humpi, sayhnde sick uhn quidde: Tu liefe Mole, is hier sohn hays Volk dat si di habben Daude schlain aun in di Tzierk ughongi? (S. Katze 216.)

72 Wol dem volck, das Gott zu Herrn hat. - Agricola II, 474.

73 Zwischen mich und mein Volk soll sich kein Blatt Papier drängen.

Dies Wort wird Friedrich Wilhelm IV. in den Mund gelegt, er hat es aber in dieser Form nicht gesprochen. Er sagte vielmehr in der Rede, mit der er am 11. April 1847 den ersten allgemeinen Landtag eröffnete: "Es drängt mich zu der friedlichen Erklärung, dass ich nun und nimmermehr zugeben werde, dass sich zwischen unsern Herrgott im Himmel und dies Land ein beschriebenes Blatt, gleichsam als eine zweite Vorsehung, eindränge." Er meinte eine Landesverfassung mit Volksvertretung, und es war kein Jahr vor den Märztagen 1848.

*74 Das Volk der Denker.

Sprichwörtliche Bezeichnung des preussischen Volkes, wie es das Volk in Waffen genannt wird. Die Quelle des Ausdrucks hat bis zur 9. Aufl. von Büchmann's Geflügelten Worten noch nicht nachgewiesen werden können.

*75 Das Volk in Waffen.

Zur Bezeichnung des preussischen, aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangenen Heeres. Der sprichwörtlich gewordene Ausdruck ist weder, wie von Kleist-Retzow in der Sitzung des preussischen Herrenhauses vom 13. August 1866 irrthümlich annimmt, von Friedrich Wilhelm IV. zuerst gebraucht, noch ist er von dem Ausspruch Napoleon's am 30. Dec. 1813: "A l'aspect de tout ce peuple en armes" herzuleiten; er ist vielmehr echt deutschen Ursprungs und findet sich zuerst in einer im Jahre 1837 bei Becker in Wesel von Hermann Neumann unter dem Titel Erz und Marmor herausgegebenen Sammlung Balladendichtungen. In dem Zueignungsgedicht An Preussens Heer lautet die erste Strophe: "Gegrüsset, Preussen, Männer sonder Wanken, du Volk in Waffen, du Spartanerheer. Borussia, du Wonne der Gedanken, Borussia, du Wort, wie Gold so schwer." In der Schlesischen Zeitung (vom 15. Oct. 1871, Nr. 479) erklärt der Dichter, Garnisons- Oberinspector in Neisse, dass er der Urheber des Worts ist, und zwar, weil die 4. Aufl. von Büchmann's Geflügelten Worten darüber noch im Ungewissen war. In der Thronrede vom 12. Juni 1860 heisst es: "Es ist nicht die Absicht, mit dem Vermächtniss einer grossen Zeit zu brechen. Die preussische Armee wird auch in Zukunft das preussische >Volk in Waffen< sein." - In den Schles. Provinzialblättern (1870, S. 628) ist in einer Anmerkung angeführt, der Ausdruck soll sich bereits in den Kriegsliedern von 1813 finden. Im folgenden Jahrgange dieser Zeitschrift (1871, S. 27) nimmt aber der Dichter

[Spaltenumbruch] 48 Solch Volk muss solche Pfaffen han, sprach der Henker, als er Mönch geworden (der ward in Behem ein Priester).Hoefer, 437; Klosterspiegel, 37, 1; Eiselein, 506.

It.: Al popolo pazzo prete spiritato. (Gaal, 1024.)

Lat.: Pallia longa gerit Titius: cur pallia longa? – Ut longum nequam pallia longa tegant. (Sutor, 324.)

49 Soll ein Volk seine Würde lassen, so beordre man Schergen in allen Gassen.

50 Verständigem Volke ist gut predigen.

Holl.: Het is goed preken, daar het volk verstand heeft. (Harrebomée, II, 402b.)

51 Viel Volck, wol geschlagen vnd wol bezahlt, macht kurtze Kriege.Petri, II, 575.

52 Viel Volks, viel Machen, viel Räth', viel Sachen.

53 Völker und Weiber muss man zuerst lieben, wenn man von ihnen geliebt sein will.

54 Wann man dem Volke die Ziegel (und Fronen) doppelt, so kommt Moses.Opel, 384; Eiselein, 688; Sailer, 344; Simrock, 7110.

55 Wenn das Volk aufsteht, wackeln hohe Stühle und niedere Bänke.

Um auszudrücken, wie schwer es ist, eine aufgeregte Volksmasse zu beschwichtigen, sagen die Maoren (Ureinwohner von Neuseeland): Könnt ihr die Brandung beschwichtigen, welche am Felsriff von Rongo-ma-takupe anschlägt? (Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde, in den Jahren 1857-59, II, 317 fg.), wo aus einem Werke des Sir Georg Grey, Gouverneurs von Neuseeland, eine Anzahl Sprichwörter der Maoren mitgetheilt werden.

56 Wenn dat Volk de Köppe to Haupe stecket, is de Herrskug (Herrschaft) verraen. (Osnabrück.)

57 Wer auf das Volk vertraut, hat auf den Sand (Sumpf) gebaut.

It.: Chi fonda in sul popolo, fonda in sulla rena. (Bohn I, 81.)

58 Wer das Volk ehrt, den ehrt es wieder, sagte der Spitzbube, als ihn der Henker zum Galgen fuhr und viel Volks nachfolgte.

Um auszudrücken, dass jemand viel Ehre erwiesen wird, die er nicht verdient, sagt ein ägyptisches Sprichwort: Die Leiche wird von Tausenden begleitet, und der Verstorbene ist ein Hund. (Burckhardt. 46.)

59 Wer das Volk will wohl berathen, sei knapp in Wort und stramm in Thaten.

60 Wer dem Volke dient, hat des Teufels Dank.

In der Herzegowina heisst es: Wer der Welt dient, weiss nicht, von wem er den Lohn fordern soll. (Hausfreund, XVI, 495.)

Lat.: Pro beneficio Agamemnonem mulctarunt Achivi. (Binder II, 2658; Germberg, II, 27.)

61 Wer nicht zu seinem Volke steht, der hasst sein eigen Blut.

Böhm.: Proti své krvi bojuje, kdo svůj národ nemiluje. (Čelakovsky, 226.)

62 Wie das Volk, so der Weihrauch, sagte der Teufel, und briet einen zottigen Hund.

Holl.: Zulk volk, zulke wierook. (Harrebomée, II, 403a.)

63 Wie der Völker Bund, gibt ihr Bündniss kund.

Dauer und Trennung desselben. Bündnisse der Völker können durch äussere Umstände herbeigeführt werden; der Werth derselben wird nach ihrer Dauer bestimmt.

Lat.: Vt plebs fedus amat tmesis non copula famat. (Reuterdahl, 1100.)

Schwed.: Man spör huru folk skils ok ey huru thz saman kombir. (Reuterdahl, 1100.)

64 Wie ein Volk ist (isst), so isst (ist) es.

Ob die Beziehungen zwischen dem Charakter und der Bildung eines Volks und seiner Art zu essen, seiner Küche, in einem solchen Zusammenhange stehen, wie der vorstehende Spruch behauptet, sei hier dahingestellt; aber dass man die Völker oft nach ihrer Art zu essen schildert, ist bekannt. Behaupten die Franzosen auch in der Politik nicht mehr den ersten Platz, so spielen sie doch, wie man versichert, in der Küche die erste Rolle. Ihr Spruch: L'appétit vient en mangeant (der Appetit kommt beim Essen), drückt ihre Ueberlegenheit auf diesem Felde aus. Die übrigen Menschen nennen den Hunger den besten Koch, und der Appetit vergeht ihnen während des Essens. Der Deutsche füllt sich, während er ein Buch oder eine Zeitung liest, also gänzlich geistesabwesend ist, den Magen mit übel aussehender und schlecht zubereiteter Kost. Er betrachtet das Essen als nothwendiges Uebel, dessen Last nur durch die Poesie des Trinkens gemildert wird. Der Engländer verschlingt wie ein Raubthier grosse Massen rohen Fleisches. Er betreibt das Essen als Arbeit, etwa wie das Heizen einer Maschine, damit ihr der Dampf nicht ausgeht. In Italien schmecken alle Speisen [Spaltenumbruch] nach Oel, in Ungarn nach Paprika, in Spanien nach Knoblauch. Nur der Franzose versteht den Tisch zu decken, das Auge zu befriedigen, dem Geruch zu schmeicheln und den Gaumen zu reizen. Nach einem deutschen Essen sind wir schläfrig, ermattet, wie Blei liegt es uns in den Gliedern; die Verdauung erzeugt eine Art Krankheit und lähmt wie eine solche den Geist. Nach dem französischen Mahl fühlen wir uns erstarkt, neubelebt und erfrischt, zu jeder Thätigkeit aufgelegt. (Niederschles. Zeitung 1875, Nr. 124.)

65 Wie man mit dem Volck zukompt, so muss man Pfeffer bezalen vnd Meusedreck mit fressen.Petri, II, 791.

66 Will man des Volkes Rechte verbrennen, so müssen die Esel nach Holze rennen.

Dummköpfe sind immer sogleich bereit, das Holz zum Feuer zu tragen, in welchem ihre eigenen Rechte verbrannt werden sollen.

67 Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, sang der Schwabe, und gab dem Preussen einen Klapps.

68 Wo das Volk ist, da ist Nahrung.Simrock, 11022a.

69 Wo viel Volck in Stäten ist, da ist viel glück.Lehmann, 806, 2.

70 Wo viel Volk kommt gelaufen, da lässt sich gut verkaufen.

Lat.: Ubi hominum frequentia, ibi quaestus. (Philippi, II, 230.)

71 Wohnt hier so böses Volk, dass sie dich haben todtgeschlagen, sagte der Insulaner, als er in eine Kirche kam und den Heiland am Kreuze sah.

Unter Insulaner werden hier die Bewohner der ostfriesischen und oldenburgischen Inseln verstanden, die unter der festländischen Bevölkerung als einfältig und dumm verschrien sind. Zu den Beispielen, welche P. Müller zum Beweis dessen erzählt, gehört das vorstehende Sprichwort. In der Handschrift heisst es altfriesisch: Ohn Oynlauhner, Zyhl kuhm in den Tzierk uhn schia usen liufen Heere ont Kruss humpi, sayhnde sick uhn quidde: Tu liefe Môle, is hier sohn hays Volk dat si di habben Daude schlain ûn in di Tzierk ughongi? (S. Katze 216.)

72 Wol dem volck, das Gott zu Herrn hat.Agricola II, 474.

73 Zwischen mich und mein Volk soll sich kein Blatt Papier drängen.

Dies Wort wird Friedrich Wilhelm IV. in den Mund gelegt, er hat es aber in dieser Form nicht gesprochen. Er sagte vielmehr in der Rede, mit der er am 11. April 1847 den ersten allgemeinen Landtag eröffnete: „Es drängt mich zu der friedlichen Erklärung, dass ich nun und nimmermehr zugeben werde, dass sich zwischen unsern Herrgott im Himmel und dies Land ein beschriebenes Blatt, gleichsam als eine zweite Vorsehung, eindränge.“ Er meinte eine Landesverfassung mit Volksvertretung, und es war kein Jahr vor den Märztagen 1848.

*74 Das Volk der Denker.

Sprichwörtliche Bezeichnung des preussischen Volkes, wie es das Volk in Waffen genannt wird. Die Quelle des Ausdrucks hat bis zur 9. Aufl. von Büchmann's Geflügelten Worten noch nicht nachgewiesen werden können.

*75 Das Volk in Waffen.

Zur Bezeichnung des preussischen, aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangenen Heeres. Der sprichwörtlich gewordene Ausdruck ist weder, wie von Kleist-Retzow in der Sitzung des preussischen Herrenhauses vom 13. August 1866 irrthümlich annimmt, von Friedrich Wilhelm IV. zuerst gebraucht, noch ist er von dem Ausspruch Napoleon's am 30. Dec. 1813: „A l'aspect de tout ce peuple en armes“ herzuleiten; er ist vielmehr echt deutschen Ursprungs und findet sich zuerst in einer im Jahre 1837 bei Becker in Wesel von Hermann Neumann unter dem Titel Erz und Marmor herausgegebenen Sammlung Balladendichtungen. In dem Zueignungsgedicht An Preussens Heer lautet die erste Strophe: „Gegrüsset, Preussen, Männer sonder Wanken, du Volk in Waffen, du Spartanerheer. Borussia, du Wonne der Gedanken, Borussia, du Wort, wie Gold so schwer.“ In der Schlesischen Zeitung (vom 15. Oct. 1871, Nr. 479) erklärt der Dichter, Garnisons- Oberinspector in Neisse, dass er der Urheber des Worts ist, und zwar, weil die 4. Aufl. von Büchmann's Geflügelten Worten darüber noch im Ungewissen war. In der Thronrede vom 12. Juni 1860 heisst es: „Es ist nicht die Absicht, mit dem Vermächtniss einer grossen Zeit zu brechen. Die preussische Armee wird auch in Zukunft das preussische ›Volk in Waffen‹ sein.“ – In den Schles. Provinzialblättern (1870, S. 628) ist in einer Anmerkung angeführt, der Ausdruck soll sich bereits in den Kriegsliedern von 1813 finden. Im folgenden Jahrgange dieser Zeitschrift (1871, S. 27) nimmt aber der Dichter

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[[840]/0846] 48 Solch Volk muss solche Pfaffen han, sprach der Henker, als er Mönch geworden (der ward in Behem ein Priester). – Hoefer, 437; Klosterspiegel, 37, 1; Eiselein, 506. It.: Al popolo pazzo prete spiritato. (Gaal, 1024.) Lat.: Pallia longa gerit Titius: cur pallia longa? – Ut longum nequam pallia longa tegant. (Sutor, 324.) 49 Soll ein Volk seine Würde lassen, so beordre man Schergen in allen Gassen. 50 Verständigem Volke ist gut predigen. Holl.: Het is goed preken, daar het volk verstand heeft. (Harrebomée, II, 402b.) 51 Viel Volck, wol geschlagen vnd wol bezahlt, macht kurtze Kriege. – Petri, II, 575. 52 Viel Volks, viel Machen, viel Räth', viel Sachen. 53 Völker und Weiber muss man zuerst lieben, wenn man von ihnen geliebt sein will. 54 Wann man dem Volke die Ziegel (und Fronen) doppelt, so kommt Moses. – Opel, 384; Eiselein, 688; Sailer, 344; Simrock, 7110. 55 Wenn das Volk aufsteht, wackeln hohe Stühle und niedere Bänke. Um auszudrücken, wie schwer es ist, eine aufgeregte Volksmasse zu beschwichtigen, sagen die Maoren (Ureinwohner von Neuseeland): Könnt ihr die Brandung beschwichtigen, welche am Felsriff von Rongo-ma-takupe anschlägt? (Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde, in den Jahren 1857-59, II, 317 fg.), wo aus einem Werke des Sir Georg Grey, Gouverneurs von Neuseeland, eine Anzahl Sprichwörter der Maoren mitgetheilt werden. 56 Wenn dat Volk de Köppe to Haupe stecket, is de Herrskug (Herrschaft) verraen. (Osnabrück.) 57 Wer auf das Volk vertraut, hat auf den Sand (Sumpf) gebaut. It.: Chi fonda in sul popolo, fonda in sulla rena. (Bohn I, 81.) 58 Wer das Volk ehrt, den ehrt es wieder, sagte der Spitzbube, als ihn der Henker zum Galgen fuhr und viel Volks nachfolgte. Um auszudrücken, dass jemand viel Ehre erwiesen wird, die er nicht verdient, sagt ein ägyptisches Sprichwort: Die Leiche wird von Tausenden begleitet, und der Verstorbene ist ein Hund. (Burckhardt. 46.) 59 Wer das Volk will wohl berathen, sei knapp in Wort und stramm in Thaten. 60 Wer dem Volke dient, hat des Teufels Dank. In der Herzegowina heisst es: Wer der Welt dient, weiss nicht, von wem er den Lohn fordern soll. (Hausfreund, XVI, 495.) Lat.: Pro beneficio Agamemnonem mulctarunt Achivi. (Binder II, 2658; Germberg, II, 27.) 61 Wer nicht zu seinem Volke steht, der hasst sein eigen Blut. Böhm.: Proti své krvi bojuje, kdo svůj národ nemiluje. (Čelakovsky, 226.) 62 Wie das Volk, so der Weihrauch, sagte der Teufel, und briet einen zottigen Hund. Holl.: Zulk volk, zulke wierook. (Harrebomée, II, 403a.) 63 Wie der Völker Bund, gibt ihr Bündniss kund. Dauer und Trennung desselben. Bündnisse der Völker können durch äussere Umstände herbeigeführt werden; der Werth derselben wird nach ihrer Dauer bestimmt. Lat.: Vt plebs fedus amat tmesis non copula famat. (Reuterdahl, 1100.) Schwed.: Man spör huru folk skils ok ey huru thz saman kombir. (Reuterdahl, 1100.) 64 Wie ein Volk ist (isst), so isst (ist) es. Ob die Beziehungen zwischen dem Charakter und der Bildung eines Volks und seiner Art zu essen, seiner Küche, in einem solchen Zusammenhange stehen, wie der vorstehende Spruch behauptet, sei hier dahingestellt; aber dass man die Völker oft nach ihrer Art zu essen schildert, ist bekannt. Behaupten die Franzosen auch in der Politik nicht mehr den ersten Platz, so spielen sie doch, wie man versichert, in der Küche die erste Rolle. Ihr Spruch: L'appétit vient en mangeant (der Appetit kommt beim Essen), drückt ihre Ueberlegenheit auf diesem Felde aus. Die übrigen Menschen nennen den Hunger den besten Koch, und der Appetit vergeht ihnen während des Essens. Der Deutsche füllt sich, während er ein Buch oder eine Zeitung liest, also gänzlich geistesabwesend ist, den Magen mit übel aussehender und schlecht zubereiteter Kost. Er betrachtet das Essen als nothwendiges Uebel, dessen Last nur durch die Poesie des Trinkens gemildert wird. Der Engländer verschlingt wie ein Raubthier grosse Massen rohen Fleisches. Er betreibt das Essen als Arbeit, etwa wie das Heizen einer Maschine, damit ihr der Dampf nicht ausgeht. In Italien schmecken alle Speisen nach Oel, in Ungarn nach Paprika, in Spanien nach Knoblauch. Nur der Franzose versteht den Tisch zu decken, das Auge zu befriedigen, dem Geruch zu schmeicheln und den Gaumen zu reizen. Nach einem deutschen Essen sind wir schläfrig, ermattet, wie Blei liegt es uns in den Gliedern; die Verdauung erzeugt eine Art Krankheit und lähmt wie eine solche den Geist. Nach dem französischen Mahl fühlen wir uns erstarkt, neubelebt und erfrischt, zu jeder Thätigkeit aufgelegt. (Niederschles. Zeitung 1875, Nr. 124.) 65 Wie man mit dem Volck zukompt, so muss man Pfeffer bezalen vnd Meusedreck mit fressen. – Petri, II, 791. 66 Will man des Volkes Rechte verbrennen, so müssen die Esel nach Holze rennen. Dummköpfe sind immer sogleich bereit, das Holz zum Feuer zu tragen, in welchem ihre eigenen Rechte verbrannt werden sollen. 67 Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, sang der Schwabe, und gab dem Preussen einen Klapps. 68 Wo das Volk ist, da ist Nahrung. – Simrock, 11022a. 69 Wo viel Volck in Stäten ist, da ist viel glück. – Lehmann, 806, 2. 70 Wo viel Volk kommt gelaufen, da lässt sich gut verkaufen. Lat.: Ubi hominum frequentia, ibi quaestus. (Philippi, II, 230.) 71 Wohnt hier so böses Volk, dass sie dich haben todtgeschlagen, sagte der Insulaner, als er in eine Kirche kam und den Heiland am Kreuze sah. Unter Insulaner werden hier die Bewohner der ostfriesischen und oldenburgischen Inseln verstanden, die unter der festländischen Bevölkerung als einfältig und dumm verschrien sind. Zu den Beispielen, welche P. Müller zum Beweis dessen erzählt, gehört das vorstehende Sprichwort. In der Handschrift heisst es altfriesisch: Ohn Oynlauhner, Zyhl kuhm in den Tzierk uhn schia usen liufen Heere ont Kruss humpi, sayhnde sick uhn quidde: Tu liefe Môle, is hier sohn hays Volk dat si di habben Daude schlain ûn in di Tzierk ughongi? (S. Katze 216.) 72 Wol dem volck, das Gott zu Herrn hat. – Agricola II, 474. 73 Zwischen mich und mein Volk soll sich kein Blatt Papier drängen. Dies Wort wird Friedrich Wilhelm IV. in den Mund gelegt, er hat es aber in dieser Form nicht gesprochen. Er sagte vielmehr in der Rede, mit der er am 11. April 1847 den ersten allgemeinen Landtag eröffnete: „Es drängt mich zu der friedlichen Erklärung, dass ich nun und nimmermehr zugeben werde, dass sich zwischen unsern Herrgott im Himmel und dies Land ein beschriebenes Blatt, gleichsam als eine zweite Vorsehung, eindränge.“ Er meinte eine Landesverfassung mit Volksvertretung, und es war kein Jahr vor den Märztagen 1848. *74 Das Volk der Denker. Sprichwörtliche Bezeichnung des preussischen Volkes, wie es das Volk in Waffen genannt wird. Die Quelle des Ausdrucks hat bis zur 9. Aufl. von Büchmann's Geflügelten Worten noch nicht nachgewiesen werden können. *75 Das Volk in Waffen. Zur Bezeichnung des preussischen, aus der allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangenen Heeres. Der sprichwörtlich gewordene Ausdruck ist weder, wie von Kleist-Retzow in der Sitzung des preussischen Herrenhauses vom 13. August 1866 irrthümlich annimmt, von Friedrich Wilhelm IV. zuerst gebraucht, noch ist er von dem Ausspruch Napoleon's am 30. Dec. 1813: „A l'aspect de tout ce peuple en armes“ herzuleiten; er ist vielmehr echt deutschen Ursprungs und findet sich zuerst in einer im Jahre 1837 bei Becker in Wesel von Hermann Neumann unter dem Titel Erz und Marmor herausgegebenen Sammlung Balladendichtungen. In dem Zueignungsgedicht An Preussens Heer lautet die erste Strophe: „Gegrüsset, Preussen, Männer sonder Wanken, du Volk in Waffen, du Spartanerheer. Borussia, du Wonne der Gedanken, Borussia, du Wort, wie Gold so schwer.“ In der Schlesischen Zeitung (vom 15. Oct. 1871, Nr. 479) erklärt der Dichter, Garnisons- Oberinspector in Neisse, dass er der Urheber des Worts ist, und zwar, weil die 4. Aufl. von Büchmann's Geflügelten Worten darüber noch im Ungewissen war. In der Thronrede vom 12. Juni 1860 heisst es: „Es ist nicht die Absicht, mit dem Vermächtniss einer grossen Zeit zu brechen. Die preussische Armee wird auch in Zukunft das preussische ›Volk in Waffen‹ sein.“ – In den Schles. Provinzialblättern (1870, S. 628) ist in einer Anmerkung angeführt, der Ausdruck soll sich bereits in den Kriegsliedern von 1813 finden. Im folgenden Jahrgange dieser Zeitschrift (1871, S. 27) nimmt aber der Dichter

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [840]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/846>, abgerufen am 23.11.2024.