Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
nicht anders könnte. Jch schloß mit der Versiche-
rung, daß ich zwar die Ausgabe ihres Lebenslaufs
noch erleben, dann aber Gelegenheit suchen wollte,
mich von der Welt zu schaffen, und mein letzter Ge-
danke sollte Fluch auf sie sein, die einen Bösewicht
aus mir gezogen und mich nun mit kaltem Blute
dafür strafen wollte.

Dieser starke Brief bestimmte meine Mutter,
sie bezahlte dem Professor Knapp, soviel er verlang-
te. Er machte seine Rechnung so, daß er nicht nur
sein volles Capital wieder bekam, sondern überdieß so
viel übrig hatte, als er mit dem Schmuck, den er
nach Belieben taxirte und mit dem geraubten Gelde
in 5 Jahren nicht verdient hätte. Er rechnete also
diesen Diebstahl für ein Glück, das ihm begegnet
war, besonders da er die Kreutzigung und die daher
entstandene Krankheit verschmerzt hatte. Tiefsin-
nig war er nach seiner körperlichen Genesung geblie-
ben; schon seit einiger Zeit that er in seinem Posten
gar nichts mehr und wohnte mit den Seinigen auf
dem Lande. Jetzt aber lebte sein Geist wieder auf
und er war thätig, wie vorhin; auch versprach er
meiner Mutter, sich wegen Minderung der Strafe
für mich zu verwenden. Dieß that er nun zwar, da
er das Geld empfangen hatte, allein es war mehr
Schein als Wahrheit, und bald ließ er sich unbeküm-
mert um die Sache. Doch meine Mutter wußte,
daß ich aller Strafe quit sein müßte, wenn zwischen
uns Friede werden sollte; sie wandte sich also hier
und dahin ließ sichs viel kosten und erlangte endlich-
daß mein schon zuerkanntes strenges Urtheil bis zu
drei
nicht anders koͤnnte. Jch ſchloß mit der Verſiche-
rung, daß ich zwar die Ausgabe ihres Lebenslaufs
noch erleben, dann aber Gelegenheit ſuchen wollte,
mich von der Welt zu ſchaffen, und mein letzter Ge-
danke ſollte Fluch auf ſie ſein, die einen Boͤſewicht
aus mir gezogen und mich nun mit kaltem Blute
dafuͤr ſtrafen wollte.

Dieſer ſtarke Brief beſtimmte meine Mutter,
ſie bezahlte dem Profeſſor Knapp, ſoviel er verlang-
te. Er machte ſeine Rechnung ſo, daß er nicht nur
ſein volles Capital wieder bekam, ſondern uͤberdieß ſo
viel uͤbrig hatte, als er mit dem Schmuck, den er
nach Belieben taxirte und mit dem geraubten Gelde
in 5 Jahren nicht verdient haͤtte. Er rechnete alſo
dieſen Diebſtahl fuͤr ein Gluͤck, das ihm begegnet
war, beſonders da er die Kreutzigung und die daher
entſtandene Krankheit verſchmerzt hatte. Tiefſin-
nig war er nach ſeiner koͤrperlichen Geneſung geblie-
ben; ſchon ſeit einiger Zeit that er in ſeinem Poſten
gar nichts mehr und wohnte mit den Seinigen auf
dem Lande. Jetzt aber lebte ſein Geiſt wieder auf
und er war thaͤtig, wie vorhin; auch verſprach er
meiner Mutter, ſich wegen Minderung der Strafe
fuͤr mich zu verwenden. Dieß that er nun zwar, da
er das Geld empfangen hatte, allein es war mehr
Schein als Wahrheit, und bald ließ er ſich unbekuͤm-
mert um die Sache. Doch meine Mutter wußte,
daß ich aller Strafe quit ſein muͤßte, wenn zwiſchen
uns Friede werden ſollte; ſie wandte ſich alſo hier
und dahin ließ ſichs viel koſten und erlangte endlich-
daß mein ſchon zuerkanntes ſtrenges Urtheil bis zu
drei
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#JCH">
          <p><pb facs="#f0431" n="427"/>
nicht anders ko&#x0364;nnte. Jch &#x017F;chloß mit der Ver&#x017F;iche-<lb/>
rung, daß ich zwar die Ausgabe ihres Lebenslaufs<lb/>
noch erleben, dann aber Gelegenheit &#x017F;uchen wollte,<lb/>
mich von der Welt zu &#x017F;chaffen, und mein letzter Ge-<lb/>
danke &#x017F;ollte Fluch auf &#x017F;ie &#x017F;ein, die einen Bo&#x0364;&#x017F;ewicht<lb/>
aus mir gezogen und mich nun mit kaltem Blute<lb/>
dafu&#x0364;r &#x017F;trafen wollte.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er &#x017F;tarke Brief be&#x017F;timmte meine Mutter,<lb/>
&#x017F;ie bezahlte dem Profe&#x017F;&#x017F;or Knapp, &#x017F;oviel er verlang-<lb/>
te. Er machte &#x017F;eine Rechnung &#x017F;o, daß er nicht nur<lb/>
&#x017F;ein volles Capital wieder bekam, &#x017F;ondern u&#x0364;berdieß &#x017F;o<lb/>
viel u&#x0364;brig hatte, als er mit dem Schmuck, den er<lb/>
nach Belieben taxirte und mit dem geraubten Gelde<lb/>
in 5 Jahren nicht verdient ha&#x0364;tte. Er rechnete al&#x017F;o<lb/>
die&#x017F;en Dieb&#x017F;tahl fu&#x0364;r ein Glu&#x0364;ck, das ihm begegnet<lb/>
war, be&#x017F;onders da er die Kreutzigung und die daher<lb/>
ent&#x017F;tandene Krankheit ver&#x017F;chmerzt hatte. Tief&#x017F;in-<lb/>
nig war er nach &#x017F;einer ko&#x0364;rperlichen Gene&#x017F;ung geblie-<lb/>
ben; &#x017F;chon &#x017F;eit einiger Zeit that er in &#x017F;einem Po&#x017F;ten<lb/>
gar nichts mehr und wohnte mit den Seinigen auf<lb/>
dem Lande. Jetzt aber lebte &#x017F;ein Gei&#x017F;t wieder auf<lb/>
und er war tha&#x0364;tig, wie vorhin; auch ver&#x017F;prach er<lb/>
meiner Mutter, &#x017F;ich wegen Minderung der Strafe<lb/>
fu&#x0364;r mich zu verwenden. Dieß that er nun zwar, da<lb/>
er das Geld empfangen hatte, allein es war mehr<lb/>
Schein als Wahrheit, und bald ließ er &#x017F;ich unbeku&#x0364;m-<lb/>
mert um die Sache. Doch meine Mutter wußte,<lb/>
daß ich aller Strafe quit &#x017F;ein mu&#x0364;ßte, wenn zwi&#x017F;chen<lb/>
uns Friede werden &#x017F;ollte; &#x017F;ie wandte &#x017F;ich al&#x017F;o hier<lb/>
und dahin ließ &#x017F;ichs viel ko&#x017F;ten und erlangte endlich-<lb/>
daß mein &#x017F;chon zuerkanntes &#x017F;trenges Urtheil bis zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">drei</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[427/0431] nicht anders koͤnnte. Jch ſchloß mit der Verſiche- rung, daß ich zwar die Ausgabe ihres Lebenslaufs noch erleben, dann aber Gelegenheit ſuchen wollte, mich von der Welt zu ſchaffen, und mein letzter Ge- danke ſollte Fluch auf ſie ſein, die einen Boͤſewicht aus mir gezogen und mich nun mit kaltem Blute dafuͤr ſtrafen wollte. Dieſer ſtarke Brief beſtimmte meine Mutter, ſie bezahlte dem Profeſſor Knapp, ſoviel er verlang- te. Er machte ſeine Rechnung ſo, daß er nicht nur ſein volles Capital wieder bekam, ſondern uͤberdieß ſo viel uͤbrig hatte, als er mit dem Schmuck, den er nach Belieben taxirte und mit dem geraubten Gelde in 5 Jahren nicht verdient haͤtte. Er rechnete alſo dieſen Diebſtahl fuͤr ein Gluͤck, das ihm begegnet war, beſonders da er die Kreutzigung und die daher entſtandene Krankheit verſchmerzt hatte. Tiefſin- nig war er nach ſeiner koͤrperlichen Geneſung geblie- ben; ſchon ſeit einiger Zeit that er in ſeinem Poſten gar nichts mehr und wohnte mit den Seinigen auf dem Lande. Jetzt aber lebte ſein Geiſt wieder auf und er war thaͤtig, wie vorhin; auch verſprach er meiner Mutter, ſich wegen Minderung der Strafe fuͤr mich zu verwenden. Dieß that er nun zwar, da er das Geld empfangen hatte, allein es war mehr Schein als Wahrheit, und bald ließ er ſich unbekuͤm- mert um die Sache. Doch meine Mutter wußte, daß ich aller Strafe quit ſein muͤßte, wenn zwiſchen uns Friede werden ſollte; ſie wandte ſich alſo hier und dahin ließ ſichs viel koſten und erlangte endlich- daß mein ſchon zuerkanntes ſtrenges Urtheil bis zu drei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/431
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/431>, abgerufen am 17.06.2024.