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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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meist aus den rohesten und ungesitteten Studenten,
die keine Erziehung und keine natürliche Delicatesse
hatten, dennoch gab es unter ihnen auch Personen
von guter Geburt und großen Ansprüchen; sie
glaubten sich aber durch die erste zu allem berech-
tigt, und eben durch sie für die letzten gesichert,
auch rechneten sie hier nicht falsch, denn mehrere
unter ihnen hatten nicht viel weniger auf der Rech-
nung ihres Gewissens, als ich, blieben den Fritz
Nickel Schnitzerischen Gesinnungen treu, und traten
doch in sehr große, oder doch sehr ehrenvolle Posten,
als ihre Jünglingsjahre so hingetobt waren.

Wir alle von dieser Art vermehrten unsre Wis-
senschaften nicht sonderlich, zum Schein hörten wir
einige Collegia, aber von allem, was zum Unter-
richt, zum Forthelfen auf der Bahn der Wissen-
schaften, zur Nahrung des Geistes, zur Veredlung
desselben geschrieben ist, sahen wir nie ein Blatt an,
wir lasen nur Bücher, welche die Sinnlichkeit und
die Leidenschaften reizten, und übten unsre Talente
übrigens durch Pasquille, die wir oft auf die unta-
delhaftesten Menschen machten; mitunter aber mach-
ten wir auch durch solche Schmähschriften die Rä-
cher einer ungebührlichen oder unbilligen Handlung.
Jch war ohne Widerrede Präses und Ausführer
solcher Stückchen, so wie auch der erste Held beim

Genuß

meiſt aus den roheſten und ungeſitteten Studenten,
die keine Erziehung und keine natuͤrliche Delicateſſe
hatten, dennoch gab es unter ihnen auch Perſonen
von guter Geburt und großen Anſpruͤchen; ſie
glaubten ſich aber durch die erſte zu allem berech-
tigt, und eben durch ſie fuͤr die letzten geſichert,
auch rechneten ſie hier nicht falſch, denn mehrere
unter ihnen hatten nicht viel weniger auf der Rech-
nung ihres Gewiſſens, als ich, blieben den Fritz
Nickel Schnitzeriſchen Geſinnungen treu, und traten
doch in ſehr große, oder doch ſehr ehrenvolle Poſten,
als ihre Juͤnglingsjahre ſo hingetobt waren.

Wir alle von dieſer Art vermehrten unſre Wis-
ſenſchaften nicht ſonderlich, zum Schein hoͤrten wir
einige Collegia, aber von allem, was zum Unter-
richt, zum Forthelfen auf der Bahn der Wiſſen-
ſchaften, zur Nahrung des Geiſtes, zur Veredlung
deſſelben geſchrieben iſt, ſahen wir nie ein Blatt an,
wir laſen nur Buͤcher, welche die Sinnlichkeit und
die Leidenſchaften reizten, und uͤbten unſre Talente
uͤbrigens durch Pasquille, die wir oft auf die unta-
delhafteſten Menſchen machten; mitunter aber mach-
ten wir auch durch ſolche Schmaͤhſchriften die Raͤ-
cher einer ungebuͤhrlichen oder unbilligen Handlung.
Jch war ohne Widerrede Praͤſes und Ausfuͤhrer
ſolcher Stuͤckchen, ſo wie auch der erſte Held beim

Genuß
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[304/0308] meiſt aus den roheſten und ungeſitteten Studenten, die keine Erziehung und keine natuͤrliche Delicateſſe hatten, dennoch gab es unter ihnen auch Perſonen von guter Geburt und großen Anſpruͤchen; ſie glaubten ſich aber durch die erſte zu allem berech- tigt, und eben durch ſie fuͤr die letzten geſichert, auch rechneten ſie hier nicht falſch, denn mehrere unter ihnen hatten nicht viel weniger auf der Rech- nung ihres Gewiſſens, als ich, blieben den Fritz Nickel Schnitzeriſchen Geſinnungen treu, und traten doch in ſehr große, oder doch ſehr ehrenvolle Poſten, als ihre Juͤnglingsjahre ſo hingetobt waren. Wir alle von dieſer Art vermehrten unſre Wis- ſenſchaften nicht ſonderlich, zum Schein hoͤrten wir einige Collegia, aber von allem, was zum Unter- richt, zum Forthelfen auf der Bahn der Wiſſen- ſchaften, zur Nahrung des Geiſtes, zur Veredlung deſſelben geſchrieben iſt, ſahen wir nie ein Blatt an, wir laſen nur Buͤcher, welche die Sinnlichkeit und die Leidenſchaften reizten, und uͤbten unſre Talente uͤbrigens durch Pasquille, die wir oft auf die unta- delhafteſten Menſchen machten; mitunter aber mach- ten wir auch durch ſolche Schmaͤhſchriften die Raͤ- cher einer ungebuͤhrlichen oder unbilligen Handlung. Jch war ohne Widerrede Praͤſes und Ausfuͤhrer ſolcher Stuͤckchen, ſo wie auch der erſte Held beim Genuß

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/308>, abgerufen am 22.11.2024.