als die Thür aufging, und Baron von Treff her- eintrat. Meine Mutter fuhr vom Tisch auf und rief: J woher, Herr Baron? Der Obristlieutenant rückte langsamer seinen Stuhl und erhob sich, um den Fremden zu begrüßen, worauf er denn wohl auch erfahren würde, wen er die Ehre zu sprechen hätte? Als er dies erkundet hatte, setzte sich der Baron mit an den Tisch, als ob er Herr von Hause wäre, der von einer Reise zurückkäme, und befahl meiner Mutter, ihm was zum Abendessen zu be- sorgen, weil er auf dem Tische nicht viel mehr sähe und doch großen Appetit hätte. Dies nun hatte so ziemlich das Ansehen, als glaubte der Herr Baron, Suschen sei auch hier Gastwirthinn, doch da er sie vorher nicht anders gekannt hatte, so war ihm diese Sprache zu verzeihen, welche Zerstreuung und Gewohnheit veranlaßte. Madam Schnitzer empfand den Ton ihres ehemaligen Freundes höchst übel, und war im Begriff, ihm einen Verweis zu geben, da sie aber befürchtete, er werde in der Entschuldigung etwas von ihrem vorigen Stand einmischen, von dem der Obristlieutenant nichts wissen sollte, so that sie, als hätte diese Art sich zu beneben ihren Beifall, und sagte lächelnd, recht, Baronchen, fordern sie hübsch ohne Umstände, so sehe ich doch, daß sie noch mein Freund sind. Das sehen sie,
ver-
als die Thuͤr aufging, und Baron von Treff her- eintrat. Meine Mutter fuhr vom Tiſch auf und rief: J woher, Herr Baron? Der Obriſtlieutenant ruͤckte langſamer ſeinen Stuhl und erhob ſich, um den Fremden zu begruͤßen, worauf er denn wohl auch erfahren wuͤrde, wen er die Ehre zu ſprechen haͤtte? Als er dies erkundet hatte, ſetzte ſich der Baron mit an den Tiſch, als ob er Herr von Hauſe waͤre, der von einer Reiſe zuruͤckkaͤme, und befahl meiner Mutter, ihm was zum Abendeſſen zu be- ſorgen, weil er auf dem Tiſche nicht viel mehr ſaͤhe und doch großen Appetit haͤtte. Dies nun hatte ſo ziemlich das Anſehen, als glaubte der Herr Baron, Suschen ſei auch hier Gaſtwirthinn, doch da er ſie vorher nicht anders gekannt hatte, ſo war ihm dieſe Sprache zu verzeihen, welche Zerſtreuung und Gewohnheit veranlaßte. Madam Schnitzer empfand den Ton ihres ehemaligen Freundes hoͤchſt uͤbel, und war im Begriff, ihm einen Verweis zu geben, da ſie aber befuͤrchtete, er werde in der Entſchuldigung etwas von ihrem vorigen Stand einmiſchen, von dem der Obriſtlieutenant nichts wiſſen ſollte, ſo that ſie, als haͤtte dieſe Art ſich zu beneben ihren Beifall, und ſagte laͤchelnd, recht, Baronchen, fordern ſie huͤbſch ohne Umſtaͤnde, ſo ſehe ich doch, daß ſie noch mein Freund ſind. Das ſehen ſie,
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als die Thuͤr aufging, und Baron von Treff her-
eintrat. Meine Mutter fuhr vom Tiſch auf und
rief: J woher, Herr Baron? Der Obriſtlieutenant
ruͤckte langſamer ſeinen Stuhl und erhob ſich, um
den Fremden zu begruͤßen, worauf er denn wohl
auch erfahren wuͤrde, wen er die Ehre zu ſprechen
haͤtte? Als er dies erkundet hatte, ſetzte ſich der
Baron mit an den Tiſch, als ob er Herr von Hauſe
waͤre, der von einer Reiſe zuruͤckkaͤme, und befahl
meiner Mutter, ihm was zum Abendeſſen zu be-
ſorgen, weil er auf dem Tiſche nicht viel mehr ſaͤhe
und doch großen Appetit haͤtte. Dies nun hatte ſo
ziemlich das Anſehen, als glaubte der Herr Baron,
Suschen ſei auch hier Gaſtwirthinn, doch da er
ſie vorher nicht anders gekannt hatte, ſo war ihm
dieſe Sprache zu verzeihen, welche Zerſtreuung und
Gewohnheit veranlaßte. Madam Schnitzer empfand
den Ton ihres ehemaligen Freundes hoͤchſt uͤbel, und
war im Begriff, ihm einen Verweis zu geben, da
ſie aber befuͤrchtete, er werde in der Entſchuldigung
etwas von ihrem vorigen Stand einmiſchen, von
dem der Obriſtlieutenant nichts wiſſen ſollte, ſo
that ſie, als haͤtte dieſe Art ſich zu beneben ihren
Beifall, und ſagte laͤchelnd, recht, Baronchen,
fordern ſie huͤbſch ohne Umſtaͤnde, ſo ſehe ich doch,
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/222>, abgerufen am 25.11.2024.
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