fahrt während den Lehrstunden so geflissentlich als möglich geschehen war, erfüllte er sein Versprechen wegen des Kniens, und gieng allein zu Tische. Jch kniete recht gern hin; neugierig auf das Verhalten meiner Mutter bei meinem Aufenbleiben, stand ich auch nicht auf, als Lebrecht weg war und mich ein- geschlossen hatte. Er mochte dies nicht vermuthen, ohne Zweifel aber war es ihm gleich viel, ob ich in der mir angewiesenen Stellung blieb, oder sie ver- ließ, da er eigentlich weniger Strafe für mich, als Veruneinigung mit seiner Frau Prinzipalinn im Sinn hatte. Was mich betraf, so hatte ich hin- längliche Kenntniß von ihrer Art zu handeln, um nicht zu zweifeln, daß sie die Sache sehr übel auf- nehmen, und sogleich gerannt kommen würde, mich zu befreien; es maßte die beste Würkung für mich haben, wenn sie mich wie ein geduldiges Lamm da kniend finden würde.
Meine Gabe vorauszusehen, wie dies und jenes kommen würde, betrog mich auch diesmal nicht; ich hörte die Stimme der rettenden Mutter, sie ward lauter und kam näher, bis sie endlich selbst herein trat, mich aufhob und weinend sagte: der arme Wurm, wie er sich alles gesallen läßt! -- komm, Goldfritzel, und sei ruhig, deine Mamma wird dich nicht so tractiren lassen. Wir wollen
doch
fahrt waͤhrend den Lehrſtunden ſo gefliſſentlich als moͤglich geſchehen war, erfuͤllte er ſein Verſprechen wegen des Kniens, und gieng allein zu Tiſche. Jch kniete recht gern hin; neugierig auf das Verhalten meiner Mutter bei meinem Aufenbleiben, ſtand ich auch nicht auf, als Lebrecht weg war und mich ein- geſchloſſen hatte. Er mochte dies nicht vermuthen, ohne Zweifel aber war es ihm gleich viel, ob ich in der mir angewieſenen Stellung blieb, oder ſie ver- ließ, da er eigentlich weniger Strafe fuͤr mich, als Veruneinigung mit ſeiner Frau Prinzipalinn im Sinn hatte. Was mich betraf, ſo hatte ich hin- laͤngliche Kenntniß von ihrer Art zu handeln, um nicht zu zweifeln, daß ſie die Sache ſehr uͤbel auf- nehmen, und ſogleich gerannt kommen wuͤrde, mich zu befreien; es maßte die beſte Wuͤrkung fuͤr mich haben, wenn ſie mich wie ein geduldiges Lamm da kniend finden wuͤrde.
Meine Gabe vorauszuſehen, wie dies und jenes kommen wuͤrde, betrog mich auch diesmal nicht; ich hoͤrte die Stimme der rettenden Mutter, ſie ward lauter und kam naͤher, bis ſie endlich ſelbſt herein trat, mich aufhob und weinend ſagte: der arme Wurm, wie er ſich alles geſallen laͤßt! — komm, Goldfritzel, und ſei ruhig, deine Mamma wird dich nicht ſo tractiren laſſen. Wir wollen
doch
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0156"n="152"/>
fahrt waͤhrend den Lehrſtunden ſo gefliſſentlich als<lb/>
moͤglich geſchehen war, erfuͤllte er ſein Verſprechen<lb/>
wegen des Kniens, und gieng allein zu Tiſche. Jch<lb/>
kniete recht gern hin; neugierig auf das Verhalten<lb/>
meiner Mutter bei meinem Aufenbleiben, ſtand ich<lb/>
auch nicht auf, als Lebrecht weg war und mich ein-<lb/>
geſchloſſen hatte. Er mochte dies nicht vermuthen,<lb/>
ohne Zweifel aber war es ihm gleich viel, ob ich in<lb/>
der mir angewieſenen Stellung blieb, oder ſie ver-<lb/>
ließ, da er eigentlich weniger Strafe fuͤr mich, als<lb/>
Veruneinigung mit ſeiner Frau Prinzipalinn im<lb/>
Sinn hatte. Was mich betraf, ſo hatte ich hin-<lb/>
laͤngliche Kenntniß von ihrer Art zu handeln, um<lb/>
nicht zu zweifeln, daß ſie die Sache ſehr uͤbel auf-<lb/>
nehmen, und ſogleich gerannt kommen wuͤrde, mich<lb/>
zu befreien; es maßte die beſte Wuͤrkung fuͤr mich<lb/>
haben, wenn ſie mich wie ein geduldiges Lamm da<lb/>
kniend finden wuͤrde.</p><lb/><p>Meine Gabe vorauszuſehen, wie dies und jenes<lb/>
kommen wuͤrde, betrog mich auch diesmal nicht;<lb/>
ich hoͤrte die Stimme der rettenden Mutter, ſie<lb/>
ward lauter und kam naͤher, bis ſie endlich ſelbſt<lb/>
herein trat, mich aufhob und weinend ſagte: der<lb/>
arme Wurm, wie er ſich alles geſallen laͤßt! —<lb/>
komm, Goldfritzel, und ſei ruhig, deine Mamma<lb/>
wird dich nicht ſo tractiren laſſen. Wir wollen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">doch</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[152/0156]
fahrt waͤhrend den Lehrſtunden ſo gefliſſentlich als
moͤglich geſchehen war, erfuͤllte er ſein Verſprechen
wegen des Kniens, und gieng allein zu Tiſche. Jch
kniete recht gern hin; neugierig auf das Verhalten
meiner Mutter bei meinem Aufenbleiben, ſtand ich
auch nicht auf, als Lebrecht weg war und mich ein-
geſchloſſen hatte. Er mochte dies nicht vermuthen,
ohne Zweifel aber war es ihm gleich viel, ob ich in
der mir angewieſenen Stellung blieb, oder ſie ver-
ließ, da er eigentlich weniger Strafe fuͤr mich, als
Veruneinigung mit ſeiner Frau Prinzipalinn im
Sinn hatte. Was mich betraf, ſo hatte ich hin-
laͤngliche Kenntniß von ihrer Art zu handeln, um
nicht zu zweifeln, daß ſie die Sache ſehr uͤbel auf-
nehmen, und ſogleich gerannt kommen wuͤrde, mich
zu befreien; es maßte die beſte Wuͤrkung fuͤr mich
haben, wenn ſie mich wie ein geduldiges Lamm da
kniend finden wuͤrde.
Meine Gabe vorauszuſehen, wie dies und jenes
kommen wuͤrde, betrog mich auch diesmal nicht;
ich hoͤrte die Stimme der rettenden Mutter, ſie
ward lauter und kam naͤher, bis ſie endlich ſelbſt
herein trat, mich aufhob und weinend ſagte: der
arme Wurm, wie er ſich alles geſallen laͤßt! —
komm, Goldfritzel, und ſei ruhig, deine Mamma
wird dich nicht ſo tractiren laſſen. Wir wollen
doch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/156>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.