doch sehen, wer mehr über dich zu befehlen hat, ich oder der Herr Hofmeister, der wohl denkt, er sei Herr im Hause; aber so schlimm ists nicht. Hier waren wir in der Stube, wo Lebrecht stand und uns erwartete, angelangt. Meine Mutter hatte während des Gehens mit Fleiß sehr laut gesprochen, denn er sollte hören, was sie sagte, und die letzten Worte reichten bis ins Zimmer hinein.
Jch versichere Sie, Madam, begann nun Leb- recht, daß ich weder Herr noch Diener in ihrem Hause sein will, und eben so wenig mag ich die Stelle eines Führers bei ihrem sehr bösen und ver- wöhnten Sohn länger begleiten; er gebe ihnen einst den Lohn dafür, daß sie einen Bösewicht aus ihm machen -- ich empfehle mich.
So verließ er das Zimmer, nicht auf das ach- tend, was meine Mutter nachschrie, und eilte auf unsere Stube, um was von seinen Sachen herunt lag, in die Coffres zu schließen, und dann fort zu Herrn Reitmann zu wandern.
Wir vermutheten, daß er diesen Weg genom- men haben würde, meine Mutter war ein wenig in Verlegenheit darüber. Einmal hatte sie nicht geglaubt, daß Lebrecht würklich abgehen würde, sie wollte ihn nur Sitte lehren, und war der Mei- nung, er befände sich viel zu gut bei ihr, um
nicht
doch ſehen, wer mehr uͤber dich zu befehlen hat, ich oder der Herr Hofmeiſter, der wohl denkt, er ſei Herr im Hauſe; aber ſo ſchlimm iſts nicht. Hier waren wir in der Stube, wo Lebrecht ſtand und uns erwartete, angelangt. Meine Mutter hatte waͤhrend des Gehens mit Fleiß ſehr laut geſprochen, denn er ſollte hoͤren, was ſie ſagte, und die letzten Worte reichten bis ins Zimmer hinein.
Jch verſichere Sie, Madam, begann nun Leb- recht, daß ich weder Herr noch Diener in ihrem Hauſe ſein will, und eben ſo wenig mag ich die Stelle eines Fuͤhrers bei ihrem ſehr boͤſen und ver- woͤhnten Sohn laͤnger begleiten; er gebe ihnen einſt den Lohn dafuͤr, daß ſie einen Boͤſewicht aus ihm machen — ich empfehle mich.
So verließ er das Zimmer, nicht auf das ach- tend, was meine Mutter nachſchrie, und eilte auf unſere Stube, um was von ſeinen Sachen herunt lag, in die Coffres zu ſchließen, und dann fort zu Herrn Reitmann zu wandern.
Wir vermutheten, daß er dieſen Weg genom- men haben wuͤrde, meine Mutter war ein wenig in Verlegenheit daruͤber. Einmal hatte ſie nicht geglaubt, daß Lebrecht wuͤrklich abgehen wuͤrde, ſie wollte ihn nur Sitte lehren, und war der Mei- nung, er befaͤnde ſich viel zu gut bei ihr, um
nicht
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doch ſehen, wer mehr uͤber dich zu befehlen hat, ich
oder der Herr Hofmeiſter, der wohl denkt, er ſei
Herr im Hauſe; aber ſo ſchlimm iſts nicht. Hier
waren wir in der Stube, wo Lebrecht ſtand und
uns erwartete, angelangt. Meine Mutter hatte
waͤhrend des Gehens mit Fleiß ſehr laut geſprochen,
denn er ſollte hoͤren, was ſie ſagte, und die letzten
Worte reichten bis ins Zimmer hinein.
Jch verſichere Sie, Madam, begann nun Leb-
recht, daß ich weder Herr noch Diener in ihrem
Hauſe ſein will, und eben ſo wenig mag ich die
Stelle eines Fuͤhrers bei ihrem ſehr boͤſen und ver-
woͤhnten Sohn laͤnger begleiten; er gebe ihnen einſt
den Lohn dafuͤr, daß ſie einen Boͤſewicht aus ihm
machen — ich empfehle mich.
So verließ er das Zimmer, nicht auf das ach-
tend, was meine Mutter nachſchrie, und eilte auf
unſere Stube, um was von ſeinen Sachen herunt
lag, in die Coffres zu ſchließen, und dann fort zu
Herrn Reitmann zu wandern.
Wir vermutheten, daß er dieſen Weg genom-
men haben wuͤrde, meine Mutter war ein wenig
in Verlegenheit daruͤber. Einmal hatte ſie nicht
geglaubt, daß Lebrecht wuͤrklich abgehen wuͤrde, ſie
wollte ihn nur Sitte lehren, und war der Mei-
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/157>, abgerufen am 23.11.2024.
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