wußte er es mir so kurz und ernstlich zu untersa- gen, daß ich keine Appellation. wagte. Eben so gieng es bei unsern Lectionen, Lebrecht erleichterte mir alles, er machte sogar das, was er mit mir vor- nahm, zu einer angenehmen Unterhaltung, und bezeigte seine Zufriedenheit über mein Talent, leicht zu fässen, immer durch eine kleine Belohnung.
Dies gieng fast den ganzen ersten Monat so fort, nur in Herrn Lebrechts Gesellschaft gieng ich spatzieren, und er vergönnte mir gern jedes Ver- gnügen, das ich genießen konnte, ohne mir oder andern Schaden zu thun. Meine Mutter war stolz auf das Lob, welches mir der Hofmeister diese erste Zeit bei ihr gab, sie behauptete nun frei und frank, daß ich ein Knabe sei, der nicht seines Gleichen hätte, und schrieb das Gute, was sie von mir hörte, weit weniger Lebrechten, als mir selbst zu. Jndessen bewies sie ihm doch ihre Zufrieden- heit und lobte ihn beim Essen, denn außerdem kamen wir wenig zusammen, mit vieler Beredt- samkeit; es geschah aber immer in eben dem Tone, wie man einen Knecht lobt, zu dem man etwa sagt: ich bin mit euch zufrieden, fahrt hübsch fort eure Schuldigkeit zu thun, so könnt ihr immer bei mir bleiben, und ich will euch auch manchmal was über euren Lohn schenken, u. s. w. Dies verdroß
Lebrech-
wußte er es mir ſo kurz und ernſtlich zu unterſa- gen, daß ich keine Appellation. wagte. Eben ſo gieng es bei unſern Lectionen, Lebrecht erleichterte mir alles, er machte ſogar das, was er mit mir vor- nahm, zu einer angenehmen Unterhaltung, und bezeigte ſeine Zufriedenheit uͤber mein Talent, leicht zu faͤſſen, immer durch eine kleine Belohnung.
Dies gieng faſt den ganzen erſten Monat ſo fort, nur in Herrn Lebrechts Geſellſchaft gieng ich ſpatzieren, und er vergoͤnnte mir gern jedes Ver- gnuͤgen, das ich genießen konnte, ohne mir oder andern Schaden zu thun. Meine Mutter war ſtolz auf das Lob, welches mir der Hofmeiſter dieſe erſte Zeit bei ihr gab, ſie behauptete nun frei und frank, daß ich ein Knabe ſei, der nicht ſeines Gleichen haͤtte, und ſchrieb das Gute, was ſie von mir hoͤrte, weit weniger Lebrechten, als mir ſelbſt zu. Jndeſſen bewies ſie ihm doch ihre Zufrieden- heit und lobte ihn beim Eſſen, denn außerdem kamen wir wenig zuſammen, mit vieler Beredt- ſamkeit; es geſchah aber immer in eben dem Tone, wie man einen Knecht lobt, zu dem man etwa ſagt: ich bin mit euch zufrieden, fahrt huͤbſch fort eure Schuldigkeit zu thun, ſo koͤnnt ihr immer bei mir bleiben, und ich will euch auch manchmal was uͤber euren Lohn ſchenken, u. ſ. w. Dies verdroß
Lebrech-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0152"n="148"/>
wußte er es mir ſo kurz und ernſtlich zu unterſa-<lb/>
gen, daß ich keine Appellation. wagte. Eben ſo gieng<lb/>
es bei unſern Lectionen, Lebrecht erleichterte mir<lb/>
alles, er machte ſogar das, was er mit mir vor-<lb/>
nahm, zu einer angenehmen Unterhaltung, und<lb/>
bezeigte ſeine Zufriedenheit uͤber mein Talent, leicht<lb/>
zu faͤſſen, immer durch eine kleine Belohnung.</p><lb/><p>Dies gieng faſt den ganzen erſten Monat ſo<lb/>
fort, nur in Herrn Lebrechts Geſellſchaft gieng ich<lb/>ſpatzieren, und er vergoͤnnte mir gern jedes Ver-<lb/>
gnuͤgen, das ich genießen konnte, ohne mir oder<lb/>
andern Schaden zu thun. Meine Mutter war ſtolz<lb/>
auf das Lob, welches mir der Hofmeiſter dieſe<lb/>
erſte Zeit bei ihr gab, ſie behauptete nun frei und<lb/>
frank, daß ich ein Knabe ſei, der nicht ſeines<lb/>
Gleichen haͤtte, und ſchrieb das Gute, was ſie von<lb/>
mir hoͤrte, weit weniger Lebrechten, als mir ſelbſt<lb/>
zu. Jndeſſen bewies ſie ihm doch ihre Zufrieden-<lb/>
heit und lobte ihn beim Eſſen, denn außerdem<lb/>
kamen wir wenig zuſammen, mit vieler Beredt-<lb/>ſamkeit; es geſchah aber immer in eben dem Tone,<lb/>
wie man einen Knecht lobt, zu dem man etwa<lb/>ſagt: ich bin mit euch zufrieden, fahrt huͤbſch fort<lb/>
eure Schuldigkeit zu thun, ſo koͤnnt ihr immer bei<lb/>
mir bleiben, und ich will euch auch manchmal was<lb/>
uͤber euren Lohn ſchenken, u. ſ. w. Dies verdroß<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Lebrech-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[148/0152]
wußte er es mir ſo kurz und ernſtlich zu unterſa-
gen, daß ich keine Appellation. wagte. Eben ſo gieng
es bei unſern Lectionen, Lebrecht erleichterte mir
alles, er machte ſogar das, was er mit mir vor-
nahm, zu einer angenehmen Unterhaltung, und
bezeigte ſeine Zufriedenheit uͤber mein Talent, leicht
zu faͤſſen, immer durch eine kleine Belohnung.
Dies gieng faſt den ganzen erſten Monat ſo
fort, nur in Herrn Lebrechts Geſellſchaft gieng ich
ſpatzieren, und er vergoͤnnte mir gern jedes Ver-
gnuͤgen, das ich genießen konnte, ohne mir oder
andern Schaden zu thun. Meine Mutter war ſtolz
auf das Lob, welches mir der Hofmeiſter dieſe
erſte Zeit bei ihr gab, ſie behauptete nun frei und
frank, daß ich ein Knabe ſei, der nicht ſeines
Gleichen haͤtte, und ſchrieb das Gute, was ſie von
mir hoͤrte, weit weniger Lebrechten, als mir ſelbſt
zu. Jndeſſen bewies ſie ihm doch ihre Zufrieden-
heit und lobte ihn beim Eſſen, denn außerdem
kamen wir wenig zuſammen, mit vieler Beredt-
ſamkeit; es geſchah aber immer in eben dem Tone,
wie man einen Knecht lobt, zu dem man etwa
ſagt: ich bin mit euch zufrieden, fahrt huͤbſch fort
eure Schuldigkeit zu thun, ſo koͤnnt ihr immer bei
mir bleiben, und ich will euch auch manchmal was
uͤber euren Lohn ſchenken, u. ſ. w. Dies verdroß
Lebrech-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/152>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.