weshalb man von andern nicht lieblos urtheilen dürfte.
Die 80,000 Thaler, welche ihm ein so billiges Urtheil abgewannen, wollte er nicht mit seiner eigenen Wohlfahrt alliiren, aber einer von seinen Söhnen sollte nach seinem Plan Theil daran neh- men. Dies war die Ursache, warum er Madam Schnitzer den Ankauf in seiner Nachbarschaft vor- schlug, und dabei so behülflich war, daß meine Mutter würklich einen vortheilhaften Handel schloß; auch nahm er sich als guter Nachbar ihrer ferner an, belehrte sie über die Wirthschaft, und besuchte uns oft.
An mir schien er freilich keinen sonderlichen Gefallen zu finden, denn außer daß er mich schon als künftigen Theilnehmer am Vermögen für über- flüßig hielt, mußte er mich nach der Gewalt, die ich schon als Knabe über meine Mutter hatte, und nach meiner uneingeschränkten Lebhaftigkeit als ge- fährlich ansehen. Jndessen, ich war einmal da und mußte geduldet werden; damit dieses dem mir zu- gedachten künftigen Stiefvater nicht gänzlich un- möglich sein sollte, hatte er längst gewünscht, daß ich einem andern Erzieher, als Null war, in die Hände fallen möchte.
Da
2r Theil. K
weshalb man von andern nicht lieblos urtheilen duͤrfte.
Die 80,000 Thaler, welche ihm ein ſo billiges Urtheil abgewannen, wollte er nicht mit ſeiner eigenen Wohlfahrt alliiren, aber einer von ſeinen Soͤhnen ſollte nach ſeinem Plan Theil daran neh- men. Dies war die Urſache, warum er Madam Schnitzer den Ankauf in ſeiner Nachbarſchaft vor- ſchlug, und dabei ſo behuͤlflich war, daß meine Mutter wuͤrklich einen vortheilhaften Handel ſchloß; auch nahm er ſich als guter Nachbar ihrer ferner an, belehrte ſie uͤber die Wirthſchaft, und beſuchte uns oft.
An mir ſchien er freilich keinen ſonderlichen Gefallen zu finden, denn außer daß er mich ſchon als kuͤnftigen Theilnehmer am Vermoͤgen fuͤr uͤber- fluͤßig hielt, mußte er mich nach der Gewalt, die ich ſchon als Knabe uͤber meine Mutter hatte, und nach meiner uneingeſchraͤnkten Lebhaftigkeit als ge- faͤhrlich anſehen. Jndeſſen, ich war einmal da und mußte geduldet werden; damit dieſes dem mir zu- gedachten kuͤnftigen Stiefvater nicht gaͤnzlich un- moͤglich ſein ſollte, hatte er laͤngſt gewuͤnſcht, daß ich einem andern Erzieher, als Null war, in die Haͤnde fallen moͤchte.
Da
2r Theil. K
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0149"n="145"/>
weshalb man von andern nicht lieblos urtheilen<lb/>
duͤrfte.</p><lb/><p>Die 80,000 Thaler, welche ihm ein ſo billiges<lb/>
Urtheil abgewannen, wollte er nicht mit ſeiner<lb/>
eigenen Wohlfahrt alliiren, aber einer von ſeinen<lb/>
Soͤhnen ſollte nach ſeinem Plan Theil daran neh-<lb/>
men. Dies war die Urſache, warum er Madam<lb/>
Schnitzer den Ankauf in ſeiner Nachbarſchaft vor-<lb/>ſchlug, und dabei ſo behuͤlflich war, daß meine<lb/>
Mutter wuͤrklich einen vortheilhaften Handel ſchloß;<lb/>
auch nahm er ſich als guter Nachbar ihrer ferner<lb/>
an, belehrte ſie uͤber die Wirthſchaft, und beſuchte<lb/>
uns oft.</p><lb/><p>An mir ſchien er freilich keinen ſonderlichen<lb/>
Gefallen zu finden, denn außer daß er mich ſchon<lb/>
als kuͤnftigen Theilnehmer am Vermoͤgen fuͤr uͤber-<lb/>
fluͤßig hielt, mußte er mich nach der Gewalt, die<lb/>
ich ſchon als Knabe uͤber meine Mutter hatte, und<lb/>
nach meiner uneingeſchraͤnkten Lebhaftigkeit als ge-<lb/>
faͤhrlich anſehen. Jndeſſen, ich war einmal da und<lb/>
mußte geduldet werden; damit dieſes dem mir zu-<lb/>
gedachten kuͤnftigen Stiefvater nicht gaͤnzlich un-<lb/>
moͤglich ſein ſollte, hatte er laͤngſt gewuͤnſcht, daß<lb/>
ich einem andern Erzieher, als Null war, in die<lb/>
Haͤnde fallen moͤchte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">2r Theil</hi>. K</fw><fwplace="bottom"type="catch">Da</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[145/0149]
weshalb man von andern nicht lieblos urtheilen
duͤrfte.
Die 80,000 Thaler, welche ihm ein ſo billiges
Urtheil abgewannen, wollte er nicht mit ſeiner
eigenen Wohlfahrt alliiren, aber einer von ſeinen
Soͤhnen ſollte nach ſeinem Plan Theil daran neh-
men. Dies war die Urſache, warum er Madam
Schnitzer den Ankauf in ſeiner Nachbarſchaft vor-
ſchlug, und dabei ſo behuͤlflich war, daß meine
Mutter wuͤrklich einen vortheilhaften Handel ſchloß;
auch nahm er ſich als guter Nachbar ihrer ferner
an, belehrte ſie uͤber die Wirthſchaft, und beſuchte
uns oft.
An mir ſchien er freilich keinen ſonderlichen
Gefallen zu finden, denn außer daß er mich ſchon
als kuͤnftigen Theilnehmer am Vermoͤgen fuͤr uͤber-
fluͤßig hielt, mußte er mich nach der Gewalt, die
ich ſchon als Knabe uͤber meine Mutter hatte, und
nach meiner uneingeſchraͤnkten Lebhaftigkeit als ge-
faͤhrlich anſehen. Jndeſſen, ich war einmal da und
mußte geduldet werden; damit dieſes dem mir zu-
gedachten kuͤnftigen Stiefvater nicht gaͤnzlich un-
moͤglich ſein ſollte, hatte er laͤngſt gewuͤnſcht, daß
ich einem andern Erzieher, als Null war, in die
Haͤnde fallen moͤchte.
Da
2r Theil. K
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/149>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.