Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.
gegangen; Sie hätten sie denn vielleicht dem Schei- ne nach ganz treu wieder gefunden, wenn sie sich mit ihrem Vetter noch so sehr vergangen hätte. Albrecht fiel in tiefes Nachdenken, Felß schwieg eine Weile und ließ ihn denken, dann zog er Wil- helms Brief hervor und fuhr fort, jetzt thun Sie mir den Gefallen, dies ohne Vorurtheil zu lesen, und dann sprechen wir weiter. Albrecht las, die Wahrheit mußte ihm in den offenherzigen Schilderungen der schuldlosen Freu- den, die Sophie und Wilhelm nach der Zurück- kunft des letzten zusammen genossen, einleuchten. Es war eine kurze Wiederholung derselben von Tag zu Tage. Wilhelm sprach so achtungsvoll von Sophien, zeigte seine Abneigung für verbotne Handlungen so ungekünstelt, daß Albrecht beim Lesen immer ver- gnügter ward. Er las den Brief mehr als einmal, dann gab er ihn Felßen mit einem Seufzer zurück, der von Herzens-Erleichterung zeigte. Dann spre- chen wir weiter, wiederholte er, indem er Felßen den Brief reichte, doch dies ein andermal! Wie gern wollte ich Roberten Abbitte thun, wie gern zu Sophiens Füßen sinken, und um ihre Verge- hung flehn, ja ich wollte vielleicht zur Strafe mei- ner Strenge die schiefen Urtheile des Publikums, als fände ich mich in meine Schande, tragen. O, die- B b
gegangen; Sie haͤtten ſie denn vielleicht dem Schei- ne nach ganz treu wieder gefunden, wenn ſie ſich mit ihrem Vetter noch ſo ſehr vergangen haͤtte. Albrecht fiel in tiefes Nachdenken, Felß ſchwieg eine Weile und ließ ihn denken, dann zog er Wil- helms Brief hervor und fuhr fort, jetzt thun Sie mir den Gefallen, dies ohne Vorurtheil zu leſen, und dann ſprechen wir weiter. Albrecht las, die Wahrheit mußte ihm in den offenherzigen Schilderungen der ſchuldloſen Freu- den, die Sophie und Wilhelm nach der Zuruͤck- kunft des letzten zuſammen genoſſen, einleuchten. Es war eine kurze Wiederholung derſelben von Tag zu Tage. Wilhelm ſprach ſo achtungsvoll von Sophien, zeigte ſeine Abneigung fuͤr verbotne Handlungen ſo ungekuͤnſtelt, daß Albrecht beim Leſen immer ver- gnuͤgter ward. Er las den Brief mehr als einmal, dann gab er ihn Felßen mit einem Seufzer zuruͤck, der von Herzens-Erleichterung zeigte. Dann ſpre- chen wir weiter, wiederholte er, indem er Felßen den Brief reichte, doch dies ein andermal! Wie gern wollte ich Roberten Abbitte thun, wie gern zu Sophiens Fuͤßen ſinken, und um ihre Verge- hung flehn, ja ich wollte vielleicht zur Strafe mei- ner Strenge die ſchiefen Urtheile des Publikums, als faͤnde ich mich in meine Schande, tragen. O, die- B b
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gegangen; Sie haͤtten ſie denn vielleicht dem Schei-
ne nach ganz treu wieder gefunden, wenn ſie ſich
mit ihrem Vetter noch ſo ſehr vergangen haͤtte.
Albrecht fiel in tiefes Nachdenken, Felß ſchwieg
eine Weile und ließ ihn denken, dann zog er Wil-
helms Brief hervor und fuhr fort, jetzt thun Sie
mir den Gefallen, dies ohne Vorurtheil zu leſen,
und dann ſprechen wir weiter.
Albrecht las, die Wahrheit mußte ihm in den
offenherzigen Schilderungen der ſchuldloſen Freu-
den, die Sophie und Wilhelm nach der Zuruͤck-
kunft des letzten zuſammen genoſſen, einleuchten.
Es war eine kurze Wiederholung derſelben von Tag zu
Tage. Wilhelm ſprach ſo achtungsvoll von Sophien,
zeigte ſeine Abneigung fuͤr verbotne Handlungen ſo
ungekuͤnſtelt, daß Albrecht beim Leſen immer ver-
gnuͤgter ward. Er las den Brief mehr als einmal,
dann gab er ihn Felßen mit einem Seufzer zuruͤck,
der von Herzens-Erleichterung zeigte. Dann ſpre-
chen wir weiter, wiederholte er, indem er Felßen
den Brief reichte, doch dies ein andermal! Wie
gern wollte ich Roberten Abbitte thun, wie gern
zu Sophiens Fuͤßen ſinken, und um ihre Verge-
hung flehn, ja ich wollte vielleicht zur Strafe mei-
ner Strenge die ſchiefen Urtheile des Publikums,
als faͤnde ich mich in meine Schande, tragen. O,
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