Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite
Zeit darum schon so fertig sagen konnte, weil ihn
die Fanchon, mit der sie sich über ihn lustig mach-
te, so zu nennen pflegte, und es ihr eben, um ihn
damit zu schimpfen, gelehrt hatte. Dieß ahndete er
aber nicht; vielmehr hielt er seine Frau für ein
großes Genie, welches gleich alles faßte, und also
auch in andern Stücken leicht bessere Einsichten
haben könnte, als er. Wäre das aber auch nicht
gewesen; so ließ sich doch mit einer Frau, die so
viel Geist hatte, nicht leicht streiten. Er ließ
denmach die Gründe, die sie zur Rechtfertigung
des Spiels vorbrachte, gelten. Da sie ihn nun
überzeugt hatte, machte sie ihre Anstalt, die an-
sehnlichsten Spieler ins Haus zu ziehn; und diese
Absicht konnte sie leicht genug ausführen.

Jn Schnitzers Gasthofe logierte seit länger,
als drei Jahren, ein stattlicher Herr, zwar nicht
für immer, aber doch alle Jahre von der Zeit an,
da die Leute aus den Bädern wieder nach Hause
reisten, bis es wieder Zeit wurde, sie zu besuchen.
Baron Treff, so hieß dieser galante Mann, hatte
Suschen immer unter den Mädchen im Hause am
meisten hübsch und artig gefunden: und wie edle
Seelen immer harmonieren, so spürte auch sie ei-
nen starken Zug der Liebe für ihn in ihrem zarten
Herzen. Aber als Mädchen, hatte sie, wie wir
wissen,
Zeit darum ſchon ſo fertig ſagen konnte, weil ihn
die Fanchon, mit der ſie ſich uͤber ihn luſtig mach-
te, ſo zu nennen pflegte, und es ihr eben, um ihn
damit zu ſchimpfen, gelehrt hatte. Dieß ahndete er
aber nicht; vielmehr hielt er ſeine Frau fuͤr ein
großes Genie, welches gleich alles faßte, und alſo
auch in andern Stuͤcken leicht beſſere Einſichten
haben koͤnnte, als er. Waͤre das aber auch nicht
geweſen; ſo ließ ſich doch mit einer Frau, die ſo
viel Geiſt hatte, nicht leicht ſtreiten. Er ließ
denmach die Gruͤnde, die ſie zur Rechtfertigung
des Spiels vorbrachte, gelten. Da ſie ihn nun
uͤberzeugt hatte, machte ſie ihre Anſtalt, die an-
ſehnlichſten Spieler ins Haus zu ziehn; und dieſe
Abſicht konnte ſie leicht genug ausfuͤhren.

Jn Schnitzers Gaſthofe logierte ſeit laͤnger,
als drei Jahren, ein ſtattlicher Herr, zwar nicht
fuͤr immer, aber doch alle Jahre von der Zeit an,
da die Leute aus den Baͤdern wieder nach Hauſe
reiſten, bis es wieder Zeit wurde, ſie zu beſuchen.
Baron Treff, ſo hieß dieſer galante Mann, hatte
Suschen immer unter den Maͤdchen im Hauſe am
meiſten huͤbſch und artig gefunden: und wie edle
Seelen immer harmonieren, ſo ſpuͤrte auch ſie ei-
nen ſtarken Zug der Liebe fuͤr ihn in ihrem zarten
Herzen. Aber als Maͤdchen, hatte ſie, wie wir
wiſſen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SCHNITZ">
          <p><pb facs="#f0192" n="186"/>
Zeit darum &#x017F;chon &#x017F;o fertig &#x017F;agen konnte, weil ihn<lb/>
die Fanchon, mit der &#x017F;ie &#x017F;ich u&#x0364;ber ihn lu&#x017F;tig mach-<lb/>
te, &#x017F;o zu nennen pflegte, und es ihr eben, um ihn<lb/>
damit zu &#x017F;chimpfen, gelehrt hatte. Dieß ahndete er<lb/>
aber nicht; vielmehr hielt er &#x017F;eine Frau fu&#x0364;r ein<lb/>
großes Genie, welches gleich alles faßte, und al&#x017F;o<lb/>
auch in andern Stu&#x0364;cken leicht be&#x017F;&#x017F;ere Ein&#x017F;ichten<lb/>
haben ko&#x0364;nnte, als er. Wa&#x0364;re das aber auch nicht<lb/>
gewe&#x017F;en; &#x017F;o ließ &#x017F;ich doch mit einer Frau, die &#x017F;o<lb/>
viel Gei&#x017F;t hatte, nicht leicht &#x017F;treiten. Er ließ<lb/>
denmach die Gru&#x0364;nde, die &#x017F;ie zur Rechtfertigung<lb/>
des Spiels vorbrachte, gelten. Da &#x017F;ie ihn nun<lb/>
u&#x0364;berzeugt hatte, machte &#x017F;ie ihre An&#x017F;talt, die an-<lb/>
&#x017F;ehnlich&#x017F;ten Spieler ins Haus zu ziehn; und die&#x017F;e<lb/>
Ab&#x017F;icht konnte &#x017F;ie leicht genug ausfu&#x0364;hren.</p><lb/>
          <p>Jn Schnitzers Ga&#x017F;thofe logierte &#x017F;eit la&#x0364;nger,<lb/>
als drei Jahren, ein &#x017F;tattlicher Herr, zwar nicht<lb/>
fu&#x0364;r immer, aber doch alle Jahre von der Zeit an,<lb/>
da die Leute aus den Ba&#x0364;dern wieder nach Hau&#x017F;e<lb/>
rei&#x017F;ten, bis es wieder Zeit wurde, &#x017F;ie zu be&#x017F;uchen.<lb/>
Baron Treff, &#x017F;o hieß die&#x017F;er galante Mann, hatte<lb/>
Suschen immer unter den Ma&#x0364;dchen im Hau&#x017F;e am<lb/>
mei&#x017F;ten hu&#x0364;b&#x017F;ch und artig gefunden: und wie edle<lb/>
Seelen immer harmonieren, &#x017F;o &#x017F;pu&#x0364;rte auch &#x017F;ie ei-<lb/>
nen &#x017F;tarken Zug der Liebe fu&#x0364;r ihn in ihrem zarten<lb/>
Herzen. Aber als Ma&#x0364;dchen, hatte &#x017F;ie, wie wir<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wi&#x017F;&#x017F;en,</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0192] Zeit darum ſchon ſo fertig ſagen konnte, weil ihn die Fanchon, mit der ſie ſich uͤber ihn luſtig mach- te, ſo zu nennen pflegte, und es ihr eben, um ihn damit zu ſchimpfen, gelehrt hatte. Dieß ahndete er aber nicht; vielmehr hielt er ſeine Frau fuͤr ein großes Genie, welches gleich alles faßte, und alſo auch in andern Stuͤcken leicht beſſere Einſichten haben koͤnnte, als er. Waͤre das aber auch nicht geweſen; ſo ließ ſich doch mit einer Frau, die ſo viel Geiſt hatte, nicht leicht ſtreiten. Er ließ denmach die Gruͤnde, die ſie zur Rechtfertigung des Spiels vorbrachte, gelten. Da ſie ihn nun uͤberzeugt hatte, machte ſie ihre Anſtalt, die an- ſehnlichſten Spieler ins Haus zu ziehn; und dieſe Abſicht konnte ſie leicht genug ausfuͤhren. Jn Schnitzers Gaſthofe logierte ſeit laͤnger, als drei Jahren, ein ſtattlicher Herr, zwar nicht fuͤr immer, aber doch alle Jahre von der Zeit an, da die Leute aus den Baͤdern wieder nach Hauſe reiſten, bis es wieder Zeit wurde, ſie zu beſuchen. Baron Treff, ſo hieß dieſer galante Mann, hatte Suschen immer unter den Maͤdchen im Hauſe am meiſten huͤbſch und artig gefunden: und wie edle Seelen immer harmonieren, ſo ſpuͤrte auch ſie ei- nen ſtarken Zug der Liebe fuͤr ihn in ihrem zarten Herzen. Aber als Maͤdchen, hatte ſie, wie wir wiſſen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/192
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/192>, abgerufen am 23.11.2024.