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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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würde eine zelotische Polin vielleicht a la Ch. Corday, oder W. Sas-
sulitsch auf einen Minister, oder einen nationalliberalen Abgeordneten
schießen, obgleich diese Männer keine Marat's und Trepow's sind.
VII. Die Frauen müßten folgerichtig die etwas größere Hälfte
der Staats- und Kirchenämter erhalten. Es würde z. B. weibliche
Kriegsminister und Beichtväter geben. Die Fabel von der Päpstin
Johanna könnte dann halb und halb zur Wahrheit werden.


Drittes Kapitel.

Das Verhältnis der deutschen Frauenbewegung zur sog. Friedensbewegung,
zu nationalen Kämpfen und zum Ultramontanismus.

Es ist Gefahr vorhanden, daß ein beträchtlicher Prozentsatz der
Mitglieder der deutschen Frauenvereine, wenigstens mancher dieser
Vereine, extreme, unpraktische Friedenstendenzen vertreten wird. Da
das Wort Friedensfreund sehr vieldeutig ist, so kann man, zur Ver-
meidung langer Bezeichnungen, von Anhängern und Anhängerinnen
E. Burritt's14) und der österreichischen Baronin Bertha v. Suttner
sprechen. 1896 hielt Frl. M. Mellien im Berliner Frauenverein
einen Vortrag über die Friedensbewegung in unserer Zeit. Ein Referat
über denselben erschien in Nr. 7 der "Neuen Bahnen". Am 11. April
1896 hielt dieselbe Dame, eine sehr gute Rednerin, in der Leipziger
Ortsgruppe des Allgemeinen Frauenvereins einen Vortrag über das-
selbe Thema. Sie fand nach den "Neuen Bahnen" Nr. 9 und nach
dem "Leipz. Tageblatt" Nr. 243 lebhaften Beifall, wenn auch in
einigen Punkten Widerspruch. Von einer Kritik der Leipziger Rede sehe
ich schon deshalb ab, weil sie meines Wissens nicht im Druck er-
schienen ist. Ein wörtlicher Abdruck der Rede ist auch darum wünschens-
wert, weil die Dame, von ihrem katholischen Standpunkte aus, den
Kulturkampf, den Augsburger Religionsfrieden, den Satz "Cujus
regio, ejus religio
" und die ehemaligen Protestantenverfolgungen
deutscher katholischer Fürsten besprochen haben soll.

Aus räumlichen und anderen Gründen kann die ganze Friedens-
frage hier nicht erörtert werden. Orientierendes findet man in zwei
kleinen Schriften, nämlich bei F. v. Holtzendorff, die Jdee des

würde eine zelotische Polin vielleicht à la Ch. Corday, oder W. Sas-
sulitsch auf einen Minister, oder einen nationalliberalen Abgeordneten
schießen, obgleich diese Männer keine Marat‘s und Trepow's sind.
VII. Die Frauen müßten folgerichtig die etwas größere Hälfte
der Staats- und Kirchenämter erhalten. Es würde z. B. weibliche
Kriegsminister und Beichtväter geben. Die Fabel von der Päpstin
Johanna könnte dann halb und halb zur Wahrheit werden.


Drittes Kapitel.

Das Verhältnis der deutschen Frauenbewegung zur sog. Friedensbewegung,
zu nationalen Kämpfen und zum Ultramontanismus.

Es ist Gefahr vorhanden, daß ein beträchtlicher Prozentsatz der
Mitglieder der deutschen Frauenvereine, wenigstens mancher dieser
Vereine, extreme, unpraktische Friedenstendenzen vertreten wird. Da
das Wort Friedensfreund sehr vieldeutig ist, so kann man, zur Ver-
meidung langer Bezeichnungen, von Anhängern und Anhängerinnen
E. Burritt’s14) und der österreichischen Baronin Bertha v. Suttner
sprechen. 1896 hielt Frl. M. Mellien im Berliner Frauenverein
einen Vortrag über die Friedensbewegung in unserer Zeit. Ein Referat
über denselben erschien in Nr. 7 der „Neuen Bahnen“. Am 11. April
1896 hielt dieselbe Dame, eine sehr gute Rednerin, in der Leipziger
Ortsgruppe des Allgemeinen Frauenvereins einen Vortrag über das-
selbe Thema. Sie fand nach den „Neuen Bahnen“ Nr. 9 und nach
dem „Leipz. Tageblatt“ Nr. 243 lebhaften Beifall, wenn auch in
einigen Punkten Widerspruch. Von einer Kritik der Leipziger Rede sehe
ich schon deshalb ab, weil sie meines Wissens nicht im Druck er-
schienen ist. Ein wörtlicher Abdruck der Rede ist auch darum wünschens-
wert, weil die Dame, von ihrem katholischen Standpunkte aus, den
Kulturkampf, den Augsburger Religionsfrieden, den Satz «Cujus
regio, ejus religio
» und die ehemaligen Protestantenverfolgungen
deutscher katholischer Fürsten besprochen haben soll.

Aus räumlichen und anderen Gründen kann die ganze Friedens-
frage hier nicht erörtert werden. Orientierendes findet man in zwei
kleinen Schriften, nämlich bei F. v. Holtzendorff, die Jdee des

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[21/0027] würde eine zelotische Polin vielleicht à la Ch. Corday, oder W. Sas- sulitsch auf einen Minister, oder einen nationalliberalen Abgeordneten schießen, obgleich diese Männer keine Marat‘s und Trepow's sind. VII. Die Frauen müßten folgerichtig die etwas größere Hälfte der Staats- und Kirchenämter erhalten. Es würde z. B. weibliche Kriegsminister und Beichtväter geben. Die Fabel von der Päpstin Johanna könnte dann halb und halb zur Wahrheit werden. Drittes Kapitel. Das Verhältnis der deutschen Frauenbewegung zur sog. Friedensbewegung, zu nationalen Kämpfen und zum Ultramontanismus. Es ist Gefahr vorhanden, daß ein beträchtlicher Prozentsatz der Mitglieder der deutschen Frauenvereine, wenigstens mancher dieser Vereine, extreme, unpraktische Friedenstendenzen vertreten wird. Da das Wort Friedensfreund sehr vieldeutig ist, so kann man, zur Ver- meidung langer Bezeichnungen, von Anhängern und Anhängerinnen E. Burritt’s ¹⁴⁾ und der österreichischen Baronin Bertha v. Suttner sprechen. 1896 hielt Frl. M. Mellien im Berliner Frauenverein einen Vortrag über die Friedensbewegung in unserer Zeit. Ein Referat über denselben erschien in Nr. 7 der „Neuen Bahnen“. Am 11. April 1896 hielt dieselbe Dame, eine sehr gute Rednerin, in der Leipziger Ortsgruppe des Allgemeinen Frauenvereins einen Vortrag über das- selbe Thema. Sie fand nach den „Neuen Bahnen“ Nr. 9 und nach dem „Leipz. Tageblatt“ Nr. 243 lebhaften Beifall, wenn auch in einigen Punkten Widerspruch. Von einer Kritik der Leipziger Rede sehe ich schon deshalb ab, weil sie meines Wissens nicht im Druck er- schienen ist. Ein wörtlicher Abdruck der Rede ist auch darum wünschens- wert, weil die Dame, von ihrem katholischen Standpunkte aus, den Kulturkampf, den Augsburger Religionsfrieden, den Satz «Cujus regio, ejus religio» und die ehemaligen Protestantenverfolgungen deutscher katholischer Fürsten besprochen haben soll. Aus räumlichen und anderen Gründen kann die ganze Friedens- frage hier nicht erörtert werden. Orientierendes findet man in zwei kleinen Schriften, nämlich bei F. v. Holtzendorff, die Jdee des

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/27>, abgerufen am 24.11.2024.