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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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Zweites Kapitel.

Die Hauptmängel der deutschen Frauenbewegung.

Der Übersichtlichkeit wegen seien dieselben hier schematisch ver-
zeichnet:

A. Das Übersehen der national- und weltgeschichtlichen, volks-
und weltwirtschaftlichen Zusammenhänge der deutschen Frauenfrage.
Ähnlich tadelt Frl. H. Goldschmidt a. a. O. die Jndolenz und
Gleichgültigkeit der (?) Frauen für alles (?) positive Wissen, sie fordert
die Mitarbeit derselben auf allen Gebieten der Volkswirtschaft und
Wohlfahrt. Die Fragezeichen sind von mir hinzugefügt. Trotzdem
werden Leserinnen und Leser der vorliegenden Schrift zugeben, daß
die genannte, mir gänzlich unbekannte Dame eine ähnliche Beobachtung
gemacht hat, wie der Schreiber dieser Zeilen. Auch Frl. Dr. K.
Schirmacher, Teresa Labriola, Dr. jur. in Rom, und andere
Autorinnen haben Ähnliches gesagt, die erstere in ihrer Broschüre
"Herrenmoral und Frauenhalbheit", 1896, die letztere in der "Frauen-
bewegung", 1896, Nr. 13. Damen, welche mit Berufsarbeiten, oder
anderen Pflichten vollauf oder übermäßig beschäftigt sind, in höchst
achtungswerter
, uneigennütziger Weise Zeit, Geld, Gesundheit
für die Frauensache opfern, können nicht nebenbei zeitraubende Studien
über Nationalökonomie und anderes machen; aber andere, weibliche,
oder männliche Personen hätten die nötigen Jnformationen liefern
können; ähnlich wie z. B. in England jede bemittelte Familie einen
Hausarzt, Rechtsanwalt, Bankier als ständigen Berater hat. Reiche,
begabte Mädchen, Witwen oder Frauen hätten Nationalökonomie
studieren oder sich autodidaktisch mit derselben beschäftigen können.
Die Sache hatte indes mehr als eine Schwierigkeit, sozusagen
mehr als einen Haken. Das Recht und die Sitte erschweren das
Frauenstudium sehr, und gerade die begabtesten, nicht selten zugleich
reichsten Damen halten sich gern von einer Bewegung fern, in der
häufig die "Gleichberechtigung der Geschlechter", manchmal sogar das
Frauenstimmrecht, gefordert wird. Aus ähnlichen Gründen hätten
Professoren der Nationalökonomie meist wenig Lust gehabt, ein münd-
liches oder schriftliches Referat zu übernehmen, falls sie um ein
solches gebeten worden wären.
Zweites Kapitel.

Die Hauptmängel der deutschen Frauenbewegung.

Der Übersichtlichkeit wegen seien dieselben hier schematisch ver-
zeichnet:

A. Das Übersehen der national- und weltgeschichtlichen, volks-
und weltwirtschaftlichen Zusammenhänge der deutschen Frauenfrage.
Ähnlich tadelt Frl. H. Goldschmidt a. a. O. die Jndolenz und
Gleichgültigkeit der (?) Frauen für alles (?) positive Wissen, sie fordert
die Mitarbeit derselben auf allen Gebieten der Volkswirtschaft und
Wohlfahrt. Die Fragezeichen sind von mir hinzugefügt. Trotzdem
werden Leserinnen und Leser der vorliegenden Schrift zugeben, daß
die genannte, mir gänzlich unbekannte Dame eine ähnliche Beobachtung
gemacht hat, wie der Schreiber dieser Zeilen. Auch Frl. Dr. K.
Schirmacher, Teresa Labriola, Dr. jur. in Rom, und andere
Autorinnen haben Ähnliches gesagt, die erstere in ihrer Broschüre
„Herrenmoral und Frauenhalbheit“, 1896, die letztere in der „Frauen-
bewegung“, 1896, Nr. 13. Damen, welche mit Berufsarbeiten, oder
anderen Pflichten vollauf oder übermäßig beschäftigt sind, in höchst
achtungswerter
, uneigennütziger Weise Zeit, Geld, Gesundheit
für die Frauensache opfern, können nicht nebenbei zeitraubende Studien
über Nationalökonomie und anderes machen; aber andere, weibliche,
oder männliche Personen hätten die nötigen Jnformationen liefern
können; ähnlich wie z. B. in England jede bemittelte Familie einen
Hausarzt, Rechtsanwalt, Bankier als ständigen Berater hat. Reiche,
begabte Mädchen, Witwen oder Frauen hätten Nationalökonomie
studieren oder sich autodidaktisch mit derselben beschäftigen können.
Die Sache hatte indes mehr als eine Schwierigkeit, sozusagen
mehr als einen Haken. Das Recht und die Sitte erschweren das
Frauenstudium sehr, und gerade die begabtesten, nicht selten zugleich
reichsten Damen halten sich gern von einer Bewegung fern, in der
häufig die „Gleichberechtigung der Geschlechter“, manchmal sogar das
Frauenstimmrecht, gefordert wird. Aus ähnlichen Gründen hätten
Professoren der Nationalökonomie meist wenig Lust gehabt, ein münd-
liches oder schriftliches Referat zu übernehmen, falls sie um ein
solches gebeten worden wären.
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[13/0019] Zweites Kapitel. Die Hauptmängel der deutschen Frauenbewegung. Der Übersichtlichkeit wegen seien dieselben hier schematisch ver- zeichnet: A. Das Übersehen der national- und weltgeschichtlichen, volks- und weltwirtschaftlichen Zusammenhänge der deutschen Frauenfrage. Ähnlich tadelt Frl. H. Goldschmidt a. a. O. die Jndolenz und Gleichgültigkeit der (?) Frauen für alles (?) positive Wissen, sie fordert die Mitarbeit derselben auf allen Gebieten der Volkswirtschaft und Wohlfahrt. Die Fragezeichen sind von mir hinzugefügt. Trotzdem werden Leserinnen und Leser der vorliegenden Schrift zugeben, daß die genannte, mir gänzlich unbekannte Dame eine ähnliche Beobachtung gemacht hat, wie der Schreiber dieser Zeilen. Auch Frl. Dr. K. Schirmacher, Teresa Labriola, Dr. jur. in Rom, und andere Autorinnen haben Ähnliches gesagt, die erstere in ihrer Broschüre „Herrenmoral und Frauenhalbheit“, 1896, die letztere in der „Frauen- bewegung“, 1896, Nr. 13. Damen, welche mit Berufsarbeiten, oder anderen Pflichten vollauf oder übermäßig beschäftigt sind, in höchst achtungswerter, uneigennütziger Weise Zeit, Geld, Gesundheit für die Frauensache opfern, können nicht nebenbei zeitraubende Studien über Nationalökonomie und anderes machen; aber andere, weibliche, oder männliche Personen hätten die nötigen Jnformationen liefern können; ähnlich wie z. B. in England jede bemittelte Familie einen Hausarzt, Rechtsanwalt, Bankier als ständigen Berater hat. Reiche, begabte Mädchen, Witwen oder Frauen hätten Nationalökonomie studieren oder sich autodidaktisch mit derselben beschäftigen können. Die Sache hatte indes mehr als eine Schwierigkeit, sozusagen mehr als einen Haken. Das Recht und die Sitte erschweren das Frauenstudium sehr, und gerade die begabtesten, nicht selten zugleich reichsten Damen halten sich gern von einer Bewegung fern, in der häufig die „Gleichberechtigung der Geschlechter“, manchmal sogar das Frauenstimmrecht, gefordert wird. Aus ähnlichen Gründen hätten Professoren der Nationalökonomie meist wenig Lust gehabt, ein münd- liches oder schriftliches Referat zu übernehmen, falls sie um ein solches gebeten worden wären.

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/19>, abgerufen am 22.11.2024.