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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Da warf auch ich eine Rose hinein und rief:
so schwimmt mit einander hinunter, ihr Blumen,
Bilder der Jugend! O es ist süß, unendlich süß,
wenn eines mit dem andern fühlet, und das Leiden
an zwey Herzen schlägt, wie an zwey Ufer die
Welle.

Atalanta ward roth und blickte zur Seite. Jst
Phaethon nicht glücklich? seufzte sie endlich, und
blickte mich dabey an mit einem solchen Auge voll
Schmerz und Liebe, daß ich glaubt', ich seh' in einen
offenen Himmel.

Er ist es nicht, Atalanta, rief ich und blickt'
in den Bach. Phaethon ist nicht glücklich.

Sollt' es möglich seyn? sagte sie. Die Welt
ist so schön --

Ach aber allein darin zu seyn -- --

Allein, Phaethon? fragte sie, und sah mich
mit großen Augen an, allein? Jst's nicht Undank?
Wie lebt's und webt's in diesem Augenblick um
uns -- das klare, rege Wasser, die lieben Blumen,
die wachsen und vergeh'n wie wir, und lieben wie
wir, die Blätter auf den Bäumen, sie leben und
die Keime schwellen daraus und entfalten uns die

Da warf auch ich eine Roſe hinein und rief:
ſo ſchwimmt mit einander hinunter, ihr Blumen,
Bilder der Jugend! O es iſt ſuͤß, unendlich ſuͤß,
wenn eines mit dem andern fuͤhlet, und das Leiden
an zwey Herzen ſchlaͤgt, wie an zwey Ufer die
Welle.

Atalanta ward roth und blickte zur Seite. Jſt
Phaethon nicht gluͤcklich? ſeufzte ſie endlich, und
blickte mich dabey an mit einem ſolchen Auge voll
Schmerz und Liebe, daß ich glaubt’, ich ſeh’ in einen
offenen Himmel.

Er iſt es nicht, Atalanta, rief ich und blickt’
in den Bach. Phaethon iſt nicht gluͤcklich.

Sollt’ es moͤglich ſeyn? ſagte ſie. Die Welt
iſt ſo ſchoͤn —

Ach aber allein darin zu ſeyn — —

Allein, Phaethon? fragte ſie, und ſah mich
mit großen Augen an, allein? Jſt’s nicht Undank?
Wie lebt’s und webt’s in dieſem Augenblick um
uns — das klare, rege Waſſer, die lieben Blumen,
die wachſen und vergeh’n wie wir, und lieben wie
wir, die Blaͤtter auf den Baͤumen, ſie leben und
die Keime ſchwellen daraus und entfalten uns die

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[79/0089] Da warf auch ich eine Roſe hinein und rief: ſo ſchwimmt mit einander hinunter, ihr Blumen, Bilder der Jugend! O es iſt ſuͤß, unendlich ſuͤß, wenn eines mit dem andern fuͤhlet, und das Leiden an zwey Herzen ſchlaͤgt, wie an zwey Ufer die Welle. Atalanta ward roth und blickte zur Seite. Jſt Phaethon nicht gluͤcklich? ſeufzte ſie endlich, und blickte mich dabey an mit einem ſolchen Auge voll Schmerz und Liebe, daß ich glaubt’, ich ſeh’ in einen offenen Himmel. Er iſt es nicht, Atalanta, rief ich und blickt’ in den Bach. Phaethon iſt nicht gluͤcklich. Sollt’ es moͤglich ſeyn? ſagte ſie. Die Welt iſt ſo ſchoͤn — Ach aber allein darin zu ſeyn — — Allein, Phaethon? fragte ſie, und ſah mich mit großen Augen an, allein? Jſt’s nicht Undank? Wie lebt’s und webt’s in dieſem Augenblick um uns — das klare, rege Waſſer, die lieben Blumen, die wachſen und vergeh’n wie wir, und lieben wie wir, die Blaͤtter auf den Baͤumen, ſie leben und die Keime ſchwellen daraus und entfalten uns die

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/89>, abgerufen am 05.05.2024.