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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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dich selbst nicht hinein, so hast du ewig nur ein
tod organisches Maschinenwerk.

Was soll auch das ewige Lesen und Schreiben?
O könnt' ich nur wirken, Theodor! und handeln
auf eine schickliche Weise. Und glaubst du mir
nicht, eine sehende Begeisterung, eine glückliche Ahn-
ung ist am Ende doch das Höchste?

Jene ewige rege Spannkraft des ungeschwäch-
ten Geistes, die sich der Grieche aus seinen Gym-
nasien erwarb, und aus der innigen Gemeinschaft
mit der Natur, jene Harmonie des Körpers und
des Geistes ist's, was uns so weit zurücksetzt gegen
die Alten.

Freund! mit Einem alle meine Brüder zu um-
armen -- und Brüder sind wir alle, -- die Menschen
sind, alle zu schließen an diese glühende Brust, und
Eins zu seyn mit allen in Einem Kuß, das ist
mein göttlichster, mein menschlichster
Gedanke.

O die Harten, die auf dem Markte wandeln
mit der Laterne und sagen, sie suchen Menschen
und finden keine. Sie sind keine Menschen, denn
sie fühlen nicht menschlich. Das ist der thörichte

dich ſelbſt nicht hinein, ſo haſt du ewig nur ein
tod organiſches Maſchinenwerk.

Was ſoll auch das ewige Leſen und Schreiben?
O koͤnnt’ ich nur wirken, Theodor! und handeln
auf eine ſchickliche Weiſe. Und glaubſt du mir
nicht, eine ſehende Begeiſterung, eine gluͤckliche Ahn-
ung iſt am Ende doch das Hoͤchſte?

Jene ewige rege Spannkraft des ungeſchwaͤch-
ten Geiſtes, die ſich der Grieche aus ſeinen Gym-
naſien erwarb, und aus der innigen Gemeinſchaft
mit der Natur, jene Harmonie des Koͤrpers und
des Geiſtes iſt’s, was uns ſo weit zuruͤckſetzt gegen
die Alten.

Freund! mit Einem alle meine Bruͤder zu um-
armen — und Bruͤder ſind wir alle, — die Menſchen
ſind, alle zu ſchließen an dieſe gluͤhende Bruſt, und
Eins zu ſeyn mit allen in Einem Kuß, das iſt
mein goͤttlichſter, mein menſchlichſter
Gedanke.

O die Harten, die auf dem Markte wandeln
mit der Laterne und ſagen, ſie ſuchen Menſchen
und finden keine. Sie ſind keine Menſchen, denn
ſie fuͤhlen nicht menſchlich. Das iſt der thoͤrichte

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[38/0048] dich ſelbſt nicht hinein, ſo haſt du ewig nur ein tod organiſches Maſchinenwerk. Was ſoll auch das ewige Leſen und Schreiben? O koͤnnt’ ich nur wirken, Theodor! und handeln auf eine ſchickliche Weiſe. Und glaubſt du mir nicht, eine ſehende Begeiſterung, eine gluͤckliche Ahn- ung iſt am Ende doch das Hoͤchſte? Jene ewige rege Spannkraft des ungeſchwaͤch- ten Geiſtes, die ſich der Grieche aus ſeinen Gym- naſien erwarb, und aus der innigen Gemeinſchaft mit der Natur, jene Harmonie des Koͤrpers und des Geiſtes iſt’s, was uns ſo weit zuruͤckſetzt gegen die Alten. Freund! mit Einem alle meine Bruͤder zu um- armen — und Bruͤder ſind wir alle, — die Menſchen ſind, alle zu ſchließen an dieſe gluͤhende Bruſt, und Eins zu ſeyn mit allen in Einem Kuß, das iſt mein goͤttlichſter, mein menſchlichſter Gedanke. O die Harten, die auf dem Markte wandeln mit der Laterne und ſagen, ſie ſuchen Menſchen und finden keine. Sie ſind keine Menſchen, denn ſie fuͤhlen nicht menſchlich. Das iſt der thoͤrichte

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/48>, abgerufen am 25.04.2024.