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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Lange waren wir still, und Jeder erwartete, daß
der Andere zuerst sprechen würde. Johannes, was
ist dir? sagt' ich leise. Er schwieg. Da ward ich
noch stiller. Jch fühlte mich beleidigt. Der Un-
muth schwebte wie ein finst'res Gewölke über
meine Seele. Theodor! du weißt ja, wie ich bin.
Jch kenne kein Maaß, und weil mein Herz so un-
begränzt liebet, so fordr' ich es auch von andern.
Jch stand auf und sah den Hügel hinunter.

Da fühlt' ich ihn an meinem Hals, und sei-
nen Arm wüthend um mich geschlungen. Jch sah
ihn an. Die ganze Fülle seiner Seele schwamm
in hellen Tropfen durch sein Auge. Phaeton!
schluchzt' er, ich lieb' ein Mädchen, und sie liebt
mich wieder. Jch sah ihm durch alle Winkel sei-
ner Seele und preßt' ihn an meine Brust und
rief: vergieb mir, guter, biederer Johannes! ver-
gieb mir!

Wir setzten uns. Er erzählte mir, wie sie
einander lieben und wie so ganz Eins sie seyen
und zusammenschlagen gleich zwey glühenden Flam-
men. Jn seinen Augen, voll von Thränen und
vom sonnigen Lächeln der Liebe, glänzt' ihm, wie
ein Regenbogen, die trunkene Begeisterung. Jch

Lange waren wir ſtill, und Jeder erwartete, daß
der Andere zuerſt ſprechen wuͤrde. Johannes, was
iſt dir? ſagt’ ich leiſe. Er ſchwieg. Da ward ich
noch ſtiller. Jch fuͤhlte mich beleidigt. Der Un-
muth ſchwebte wie ein finſt’res Gewoͤlke uͤber
meine Seele. Theodor! du weißt ja, wie ich bin.
Jch kenne kein Maaß, und weil mein Herz ſo un-
begraͤnzt liebet, ſo fordr’ ich es auch von andern.
Jch ſtand auf und ſah den Huͤgel hinunter.

Da fuͤhlt’ ich ihn an meinem Hals, und ſei-
nen Arm wuͤthend um mich geſchlungen. Jch ſah
ihn an. Die ganze Fuͤlle ſeiner Seele ſchwamm
in hellen Tropfen durch ſein Auge. Phaeton!
ſchluchzt’ er, ich lieb’ ein Maͤdchen, und ſie liebt
mich wieder. Jch ſah ihm durch alle Winkel ſei-
ner Seele und preßt’ ihn an meine Bruſt und
rief: vergieb mir, guter, biederer Johannes! ver-
gieb mir!

Wir ſetzten uns. Er erzaͤhlte mir, wie ſie
einander lieben und wie ſo ganz Eins ſie ſeyen
und zuſammenſchlagen gleich zwey gluͤhenden Flam-
men. Jn ſeinen Augen, voll von Thraͤnen und
vom ſonnigen Laͤcheln der Liebe, glaͤnzt’ ihm, wie
ein Regenbogen, die trunkene Begeiſterung. Jch

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[34/0044] Lange waren wir ſtill, und Jeder erwartete, daß der Andere zuerſt ſprechen wuͤrde. Johannes, was iſt dir? ſagt’ ich leiſe. Er ſchwieg. Da ward ich noch ſtiller. Jch fuͤhlte mich beleidigt. Der Un- muth ſchwebte wie ein finſt’res Gewoͤlke uͤber meine Seele. Theodor! du weißt ja, wie ich bin. Jch kenne kein Maaß, und weil mein Herz ſo un- begraͤnzt liebet, ſo fordr’ ich es auch von andern. Jch ſtand auf und ſah den Huͤgel hinunter. Da fuͤhlt’ ich ihn an meinem Hals, und ſei- nen Arm wuͤthend um mich geſchlungen. Jch ſah ihn an. Die ganze Fuͤlle ſeiner Seele ſchwamm in hellen Tropfen durch ſein Auge. Phaeton! ſchluchzt’ er, ich lieb’ ein Maͤdchen, und ſie liebt mich wieder. Jch ſah ihm durch alle Winkel ſei- ner Seele und preßt’ ihn an meine Bruſt und rief: vergieb mir, guter, biederer Johannes! ver- gieb mir! Wir ſetzten uns. Er erzaͤhlte mir, wie ſie einander lieben und wie ſo ganz Eins ſie ſeyen und zuſammenſchlagen gleich zwey gluͤhenden Flam- men. Jn ſeinen Augen, voll von Thraͤnen und vom ſonnigen Laͤcheln der Liebe, glaͤnzt’ ihm, wie ein Regenbogen, die trunkene Begeiſterung. Jch

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/44>, abgerufen am 24.11.2024.