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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Kein Ahorn umschattet mehr am Jlyssos die
heiligen Bilder der Nymphen |und des Acheloos,
und keinen schönen Jüngling bezaubert Sokrates,
der Göttliche, mehr an den grünen Ufern durch sei-
ne erhabenen Lehren. Diana, die Keusche, spielt
nimmer mit den Nymphen am lorbeerumwehten
Eurotas. Wo sind die Tauben in Dodona's ural-
ten Eichenwäldern, und ihre wunderbaren Säu-
len? Die Götter flohen und halbzerbroch'ne Säu-
lenschäfte, verwitterte Marmorblöcke unter'm Schat-
ten der Platanen, deuten allein noch schaurig auf
die alten Tempel.

O hinan rennen hätt' ich mögen das Olympi-
sche Stadium, und siegen, Theodor! daß der Oel-
zweig meine Stirne kränzte, wie ein Abendwölk-
chen die gold'nen Bergesscheitel.

Warum erinnert mich auch alles daran, daß
ich allein bin auf der Welt?

Vor einigen Tagen kam Johannes zu mir.
Seine Miene war ungewöhnlich heiter, seine Ge-
bärden hastig und munter. Mir fiel es auf. Es
war ein schöner Morgen und wir giengen ins
Freye. Johannes ward immer reger und fast wild.
Wir setzten uns endlich auf einem Hügel nieder.

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Kein Ahorn umſchattet mehr am Jlyſſos die
heiligen Bilder der Nymphen |und des Acheloos,
und keinen ſchoͤnen Juͤngling bezaubert Sokrates,
der Goͤttliche, mehr an den gruͤnen Ufern durch ſei-
ne erhabenen Lehren. Diana, die Keuſche, ſpielt
nimmer mit den Nymphen am lorbeerumwehten
Eurotas. Wo ſind die Tauben in Dodona’s ural-
ten Eichenwaͤldern, und ihre wunderbaren Saͤu-
len? Die Goͤtter flohen und halbzerbroch’ne Saͤu-
lenſchaͤfte, verwitterte Marmorbloͤcke unter’m Schat-
ten der Platanen, deuten allein noch ſchaurig auf
die alten Tempel.

O hinan rennen haͤtt’ ich moͤgen das Olympi-
ſche Stadium, und ſiegen, Theodor! daß der Oel-
zweig meine Stirne kraͤnzte, wie ein Abendwoͤlk-
chen die gold’nen Bergesſcheitel.

Warum erinnert mich auch alles daran, daß
ich allein bin auf der Welt?

Vor einigen Tagen kam Johannes zu mir.
Seine Miene war ungewoͤhnlich heiter, ſeine Ge-
baͤrden haſtig und munter. Mir fiel es auf. Es
war ein ſchoͤner Morgen und wir giengen ins
Freye. Johannes ward immer reger und faſt wild.
Wir ſetzten uns endlich auf einem Huͤgel nieder.

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[33/0043] Kein Ahorn umſchattet mehr am Jlyſſos die heiligen Bilder der Nymphen |und des Acheloos, und keinen ſchoͤnen Juͤngling bezaubert Sokrates, der Goͤttliche, mehr an den gruͤnen Ufern durch ſei- ne erhabenen Lehren. Diana, die Keuſche, ſpielt nimmer mit den Nymphen am lorbeerumwehten Eurotas. Wo ſind die Tauben in Dodona’s ural- ten Eichenwaͤldern, und ihre wunderbaren Saͤu- len? Die Goͤtter flohen und halbzerbroch’ne Saͤu- lenſchaͤfte, verwitterte Marmorbloͤcke unter’m Schat- ten der Platanen, deuten allein noch ſchaurig auf die alten Tempel. O hinan rennen haͤtt’ ich moͤgen das Olympi- ſche Stadium, und ſiegen, Theodor! daß der Oel- zweig meine Stirne kraͤnzte, wie ein Abendwoͤlk- chen die gold’nen Bergesſcheitel. Warum erinnert mich auch alles daran, daß ich allein bin auf der Welt? Vor einigen Tagen kam Johannes zu mir. Seine Miene war ungewoͤhnlich heiter, ſeine Ge- baͤrden haſtig und munter. Mir fiel es auf. Es war ein ſchoͤner Morgen und wir giengen ins Freye. Johannes ward immer reger und faſt wild. Wir ſetzten uns endlich auf einem Huͤgel nieder. 3

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/43>, abgerufen am 25.04.2024.