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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

Meine Homerusbüste ruht nun bey den drey Säu-
len im Garten auf einem hohen marmornen Ge-
stelle mit drey Stufen. Wenn Atalanta auf der
dritten steht, kann sie das Haupt umfassen mit den
Händen.

Jch spreche nun auch neugriechisch. Atalanta
lehrt es mich! Und wie sie das Altgriechische aus-
spricht!

Mit welcher Lust ich arbeite an meiner Poly-
xena! Sie ist's ganz, meine Atalanta. Die gro-
ßen runden Augen -- die vollen lächelnden Lippen,
das Kindliche, Schüchterne um den kleinen Mund
-- das längliche Oval. -- Und doch es ist noch
Etwas in ihrem Angesicht, das ich nicht in mein
Bild bringen kann! -- Unaussprechliche Unschuld?
Seele? Liebe? Leben? Geist?



Phaethon an Theodor.

Meine Homerusbuͤſte ruht nun bey den drey Saͤu-
len im Garten auf einem hohen marmornen Ge-
ſtelle mit drey Stufen. Wenn Atalanta auf der
dritten ſteht, kann ſie das Haupt umfaſſen mit den
Haͤnden.

Jch ſpreche nun auch neugriechiſch. Atalanta
lehrt es mich! Und wie ſie das Altgriechiſche aus-
ſpricht!

Mit welcher Luſt ich arbeite an meiner Poly-
xena! Sie iſt’s ganz, meine Atalanta. Die gro-
ßen runden Augen — die vollen laͤchelnden Lippen,
das Kindliche, Schuͤchterne um den kleinen Mund
— das laͤngliche Oval. — Und doch es iſt noch
Etwas in ihrem Angeſicht, das ich nicht in mein
Bild bringen kann! — Unausſprechliche Unſchuld?
Seele? Liebe? Leben? Geiſt?



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[121/0131] Phaethon an Theodor. Meine Homerusbuͤſte ruht nun bey den drey Saͤu- len im Garten auf einem hohen marmornen Ge- ſtelle mit drey Stufen. Wenn Atalanta auf der dritten ſteht, kann ſie das Haupt umfaſſen mit den Haͤnden. Jch ſpreche nun auch neugriechiſch. Atalanta lehrt es mich! Und wie ſie das Altgriechiſche aus- ſpricht! Mit welcher Luſt ich arbeite an meiner Poly- xena! Sie iſt’s ganz, meine Atalanta. Die gro- ßen runden Augen — die vollen laͤchelnden Lippen, das Kindliche, Schuͤchterne um den kleinen Mund — das laͤngliche Oval. — Und doch es iſt noch Etwas in ihrem Angeſicht, das ich nicht in mein Bild bringen kann! — Unausſprechliche Unſchuld? Seele? Liebe? Leben? Geiſt?

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/131>, abgerufen am 08.05.2024.