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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Phaethon an Theodor.

Jch schwimme, wie ein Stern im Aether, in einem
ungemessenen Meer von Wonne. Wir sind Eins,
ich und Atalanta sind Eins.

Jch stieg heut Abend mit Atalanta den kleinen
Hügel hinan zum Tempel des Eros. Jch war voll
von Platon's Jdeen. Wie ein Lichtquell von oben,
bebte das Geheimniß seiner Schönheit durch meine
Seele. Seine Worte waren mir wie Gesichte ge-
worden. Jch empfand anbetend die Fülle ihrer
Göttlichkeit, aber nur ahnen konnt' ich sie, und
empfinden. Unter den Orangen setzten wir uns
nieder. Die vollen gold'nen Früchte blickten, wie
Häupter junger Liebesgötter, aus dem dunkeln
Laube, und balsamische Düfte quollen, wie Weih-
rauch, aus tausend Blumen und Kräutern.

Da saß sie nun neben mir, die Liebliche, wie
die junge Göttinn der Liebe unter ihren Blumen,

Phaethon an Theodor.

Jch ſchwimme, wie ein Stern im Aether, in einem
ungemeſſenen Meer von Wonne. Wir ſind Eins,
ich und Atalanta ſind Eins.

Jch ſtieg heut Abend mit Atalanta den kleinen
Huͤgel hinan zum Tempel des Eros. Jch war voll
von Platon’s Jdeen. Wie ein Lichtquell von oben,
bebte das Geheimniß ſeiner Schoͤnheit durch meine
Seele. Seine Worte waren mir wie Geſichte ge-
worden. Jch empfand anbetend die Fuͤlle ihrer
Goͤttlichkeit, aber nur ahnen konnt’ ich ſie, und
empfinden. Unter den Orangen ſetzten wir uns
nieder. Die vollen gold’nen Fruͤchte blickten, wie
Haͤupter junger Liebesgoͤtter, aus dem dunkeln
Laube, und balſamiſche Duͤfte quollen, wie Weih-
rauch, aus tauſend Blumen und Kraͤutern.

Da ſaß ſie nun neben mir, die Liebliche, wie
die junge Goͤttinn der Liebe unter ihren Blumen,

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[110/0120] Phaethon an Theodor. Jch ſchwimme, wie ein Stern im Aether, in einem ungemeſſenen Meer von Wonne. Wir ſind Eins, ich und Atalanta ſind Eins. Jch ſtieg heut Abend mit Atalanta den kleinen Huͤgel hinan zum Tempel des Eros. Jch war voll von Platon’s Jdeen. Wie ein Lichtquell von oben, bebte das Geheimniß ſeiner Schoͤnheit durch meine Seele. Seine Worte waren mir wie Geſichte ge- worden. Jch empfand anbetend die Fuͤlle ihrer Goͤttlichkeit, aber nur ahnen konnt’ ich ſie, und empfinden. Unter den Orangen ſetzten wir uns nieder. Die vollen gold’nen Fruͤchte blickten, wie Haͤupter junger Liebesgoͤtter, aus dem dunkeln Laube, und balſamiſche Duͤfte quollen, wie Weih- rauch, aus tauſend Blumen und Kraͤutern. Da ſaß ſie nun neben mir, die Liebliche, wie die junge Goͤttinn der Liebe unter ihren Blumen,

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/120>, abgerufen am 08.05.2024.