der bildende Künstler die Hand, um in ihm selbst aufzu¬ gehen, selbst Tänzer und Mimiker zu sein. -- Soweit es irgend in seiner Fähigkeit liegt, wird dieser den inneren Menschen, sein Fühlen und Wollen, an das Auge mitzu¬ theilen haben. In vollster Breite und Tiefe gehört ihm der scenische Raum zur plastischen Kundgebung seiner Ge¬ stalt und seiner Bewegung; als Einzelner oder im Verein mit den Genossen der Darstellung. Wo sein Vermögen aber endet, wo die Fülle seines Wollens und Fühlens zur Entäußerung des inneren Menschen durch die Sprache ihn hindrängt, da wird das Wort seine deutlich bewußte Absicht künden: er wird zum Dichter, und um Dichter zu sein, Tonkünstler. Als Tänzer, Tonkünstler und Dich¬ ter ist er aber Eines und Dasselbe, nichts Anderes als dar¬ stellender, künstlerischer Mensch, der sich nach der höchsten Fülle seiner Fähigkeiten an die höchste Empfängnißkraft mittheilt.
In ihm, dem unmittelbaren Darsteller, vereinigen sich die drei Schwesterkünste zu einer gemeinsamen Wirk¬ samkeit, bei welcher die höchste Fähigkeit jeder einzelnen zu ihrer höchsten Entfaltung kommt. Indem sie gemeinsam wirken, gewinnt jede von ihnen das Vermögen, gerade das sein und leisten zu können, was sie ihrem eigenthümlich¬ sten Wesen nach zu sein und zu leisten verlangen. Dadurch, daß jede da, wo ihr Vermögen endet, in die andere, von
der bildende Künſtler die Hand, um in ihm ſelbſt aufzu¬ gehen, ſelbſt Tänzer und Mimiker zu ſein. — Soweit es irgend in ſeiner Fähigkeit liegt, wird dieſer den inneren Menſchen, ſein Fühlen und Wollen, an das Auge mitzu¬ theilen haben. In vollſter Breite und Tiefe gehört ihm der ſceniſche Raum zur plaſtiſchen Kundgebung ſeiner Ge¬ ſtalt und ſeiner Bewegung; als Einzelner oder im Verein mit den Genoſſen der Darſtellung. Wo ſein Vermögen aber endet, wo die Fülle ſeines Wollens und Fühlens zur Entäußerung des inneren Menſchen durch die Sprache ihn hindrängt, da wird das Wort ſeine deutlich bewußte Abſicht künden: er wird zum Dichter, und um Dichter zu ſein, Tonkünſtler. Als Tänzer, Tonkünſtler und Dich¬ ter iſt er aber Eines und Daſſelbe, nichts Anderes als dar¬ ſtellender, künſtleriſcher Menſch, der ſich nach der höchſten Fülle ſeiner Fähigkeiten an die höchſte Empfängnißkraft mittheilt.
In ihm, dem unmittelbaren Darſteller, vereinigen ſich die drei Schweſterkünſte zu einer gemeinſamen Wirk¬ ſamkeit, bei welcher die höchſte Fähigkeit jeder einzelnen zu ihrer höchſten Entfaltung kommt. Indem ſie gemeinſam wirken, gewinnt jede von ihnen das Vermögen, gerade das ſein und leiſten zu können, was ſie ihrem eigenthümlich¬ ſten Weſen nach zu ſein und zu leiſten verlangen. Dadurch, daß jede da, wo ihr Vermögen endet, in die andere, von
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der bildende Künſtler die Hand, um in ihm ſelbſt aufzu¬
gehen, ſelbſt Tänzer und Mimiker zu ſein. — Soweit es
irgend in ſeiner Fähigkeit liegt, wird dieſer den inneren
Menſchen, ſein Fühlen und Wollen, an das Auge mitzu¬
theilen haben. In vollſter Breite und Tiefe gehört ihm
der ſceniſche Raum zur plaſtiſchen Kundgebung ſeiner Ge¬
ſtalt und ſeiner Bewegung; als Einzelner oder im Verein
mit den Genoſſen der Darſtellung. Wo ſein Vermögen
aber endet, wo die Fülle ſeines Wollens und Fühlens zur
Entäußerung des inneren Menſchen durch die Sprache
ihn hindrängt, da wird das Wort ſeine deutlich bewußte
Abſicht künden: er wird zum Dichter, und um Dichter zu
ſein, Tonkünſtler. Als Tänzer, Tonkünſtler und Dich¬
ter iſt er aber Eines und Daſſelbe, nichts Anderes als dar¬
ſtellender, künſtleriſcher Menſch, der ſich nach der
höchſten Fülle ſeiner Fähigkeiten an die höchſte
Empfängnißkraft mittheilt.
In ihm, dem unmittelbaren Darſteller, vereinigen
ſich die drei Schweſterkünſte zu einer gemeinſamen Wirk¬
ſamkeit, bei welcher die höchſte Fähigkeit jeder einzelnen zu
ihrer höchſten Entfaltung kommt. Indem ſie gemeinſam
wirken, gewinnt jede von ihnen das Vermögen, gerade das
ſein und leiſten zu können, was ſie ihrem eigenthümlich¬
ſten Weſen nach zu ſein und zu leiſten verlangen. Dadurch,
daß jede da, wo ihr Vermögen endet, in die andere, von
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/212>, abgerufen am 16.02.2025.
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