in der nackten Architektur die Natur immer nur noch auf sich allein bezog, brach sich gewissermaßen in der Land¬ schaftsmalerei, welche die Natur in ihrem eigenthümlichen Wesen rechtfertigte, den künstlerischen Menschen zum liebevollen Aufgehen in sie bewog, um ihn unendlich er¬ weitert in ihr sich wiederfinden zu lassen.
Als griechische Maler die Scenen, die zuvor in der Lyrik, dem lyrischen Epos und der Tragödie durch wirk¬ liche Darstellung Auge und Ohr vorgeführt worden waren, durch Zeichnung und Farbe erinnerungsvoll sich festzuhalten und wiederum darzustellen suchten, galten ihnen ohne Zweifel die Menschen allein als der Darstel¬ lung würdige und für sie maßgebende Gegenstände, und der sogenannten historischen Richtung verdanken wir die Entwickelung der Malerei zu ihrer ersten Kunsthöhe. Hielt sie somit das gemeinsame Kunstwerk in der Erin¬ nerung fest, so blieben, als die Bedingungen schwanden, die auch das sehnsüchtige Festhalten dieser Erinnerungen hervorriefen, zwei Wege offen, nach denen die Malerei als selbstständige Kunst sich weiter zu entwickeln hatte: das Portrait und -- die Landschaft. In der Darstellung der Scenen des Homeros und der Tragiker war die Landschaft als nothwendiger Hintergrund bereits erfaßt und wieder¬ gegeben worden: gewiß aber erfaßten sie die Griechen zur Blüthezeit ihrer Malerei noch mit keinem anderen
in der nackten Architektur die Natur immer nur noch auf ſich allein bezog, brach ſich gewiſſermaßen in der Land¬ ſchaftsmalerei, welche die Natur in ihrem eigenthümlichen Weſen rechtfertigte, den künſtleriſchen Menſchen zum liebevollen Aufgehen in ſie bewog, um ihn unendlich er¬ weitert in ihr ſich wiederfinden zu laſſen.
Als griechiſche Maler die Scenen, die zuvor in der Lyrik, dem lyriſchen Epos und der Tragödie durch wirk¬ liche Darſtellung Auge und Ohr vorgeführt worden waren, durch Zeichnung und Farbe erinnerungsvoll ſich feſtzuhalten und wiederum darzuſtellen ſuchten, galten ihnen ohne Zweifel die Menſchen allein als der Darſtel¬ lung würdige und für ſie maßgebende Gegenſtände, und der ſogenannten hiſtoriſchen Richtung verdanken wir die Entwickelung der Malerei zu ihrer erſten Kunſthöhe. Hielt ſie ſomit das gemeinſame Kunſtwerk in der Erin¬ nerung feſt, ſo blieben, als die Bedingungen ſchwanden, die auch das ſehnſüchtige Feſthalten dieſer Erinnerungen hervorriefen, zwei Wege offen, nach denen die Malerei als ſelbſtſtändige Kunſt ſich weiter zu entwickeln hatte: das Portrait und — die Landſchaft. In der Darſtellung der Scenen des Homeros und der Tragiker war die Landſchaft als nothwendiger Hintergrund bereits erfaßt und wieder¬ gegeben worden: gewiß aber erfaßten ſie die Griechen zur Blüthezeit ihrer Malerei noch mit keinem anderen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0191"n="175"/>
in der nackten Architektur die Natur immer nur noch auf<lb/>ſich allein bezog, brach ſich gewiſſermaßen in der Land¬<lb/>ſchaftsmalerei, welche die Natur in ihrem eigenthümlichen<lb/>
Weſen rechtfertigte, den künſtleriſchen Menſchen zum<lb/>
liebevollen Aufgehen in ſie bewog, um ihn unendlich er¬<lb/>
weitert in ihr ſich wiederfinden zu laſſen.</p><lb/><p>Als griechiſche Maler die Scenen, die zuvor in der<lb/>
Lyrik, dem lyriſchen Epos und der Tragödie durch wirk¬<lb/>
liche Darſtellung Auge und Ohr vorgeführt worden<lb/>
waren, durch Zeichnung und Farbe erinnerungsvoll ſich<lb/>
feſtzuhalten und wiederum darzuſtellen ſuchten, galten<lb/>
ihnen ohne Zweifel die Menſchen allein als der Darſtel¬<lb/>
lung würdige und für ſie maßgebende Gegenſtände, und<lb/>
der ſogenannten <hirendition="#g">hiſtoriſchen</hi> Richtung verdanken wir die<lb/>
Entwickelung der Malerei zu ihrer erſten Kunſthöhe.<lb/>
Hielt ſie ſomit das <hirendition="#g">gemeinſame</hi> Kunſtwerk in der Erin¬<lb/>
nerung feſt, ſo blieben, als die Bedingungen ſchwanden,<lb/>
die auch das ſehnſüchtige Feſthalten dieſer Erinnerungen<lb/>
hervorriefen, zwei Wege offen, nach denen die Malerei als<lb/>ſelbſtſtändige Kunſt ſich weiter zu entwickeln hatte: das<lb/>
Portrait und — die Landſchaft. In der Darſtellung der<lb/>
Scenen des Homeros und der Tragiker war die Landſchaft<lb/>
als nothwendiger Hintergrund bereits erfaßt und wieder¬<lb/>
gegeben worden: gewiß aber erfaßten ſie die Griechen<lb/>
zur Blüthezeit ihrer Malerei noch mit keinem anderen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[175/0191]
in der nackten Architektur die Natur immer nur noch auf
ſich allein bezog, brach ſich gewiſſermaßen in der Land¬
ſchaftsmalerei, welche die Natur in ihrem eigenthümlichen
Weſen rechtfertigte, den künſtleriſchen Menſchen zum
liebevollen Aufgehen in ſie bewog, um ihn unendlich er¬
weitert in ihr ſich wiederfinden zu laſſen.
Als griechiſche Maler die Scenen, die zuvor in der
Lyrik, dem lyriſchen Epos und der Tragödie durch wirk¬
liche Darſtellung Auge und Ohr vorgeführt worden
waren, durch Zeichnung und Farbe erinnerungsvoll ſich
feſtzuhalten und wiederum darzuſtellen ſuchten, galten
ihnen ohne Zweifel die Menſchen allein als der Darſtel¬
lung würdige und für ſie maßgebende Gegenſtände, und
der ſogenannten hiſtoriſchen Richtung verdanken wir die
Entwickelung der Malerei zu ihrer erſten Kunſthöhe.
Hielt ſie ſomit das gemeinſame Kunſtwerk in der Erin¬
nerung feſt, ſo blieben, als die Bedingungen ſchwanden,
die auch das ſehnſüchtige Feſthalten dieſer Erinnerungen
hervorriefen, zwei Wege offen, nach denen die Malerei als
ſelbſtſtändige Kunſt ſich weiter zu entwickeln hatte: das
Portrait und — die Landſchaft. In der Darſtellung der
Scenen des Homeros und der Tragiker war die Landſchaft
als nothwendiger Hintergrund bereits erfaßt und wieder¬
gegeben worden: gewiß aber erfaßten ſie die Griechen
zur Blüthezeit ihrer Malerei noch mit keinem anderen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/191>, abgerufen am 23.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.