Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

ihrer Darstellung nur möglichen, Gruppen oder Aufstel¬
lungen zu begnügen; die künstlerische Täuschung ward
in ihr vielmehr so zur vorwiegenden Nothwendigkeit, daß
sie nicht nur nach Tiefe und Breite beziehungsreich sich
ausdehnende menschliche Gruppen, sondern auch den Um¬
kreis ihrer außermenschlichen Umgebung; die Naturscene
selbst in das Bereich ihrer Darstellung zu ziehen hatte.
Hierauf begründet sich ein vollkommen neues Moment in
der Entwickelung des künstlerischen Anschauungs- und
Darstellungsvermögens des Menschen: nämlich dieß des
innigen Begrüßens und Wiedergebens der Natur durch
durch die Landschaftsmalerei.

Dieses Moment ist von der entscheidendsten Wichtig¬
keit für die ganze bildende Kunst: es bringt diese, -- die
in der Architektur von der Anschauung und künstleri¬
schen Benutzung der Natur zu Gunsten des Menschen
ausging, -- in der Plastik, wie zur Vergötterung des
Menschen, sich allein nur noch auf diesen als Gegen¬
stand bezog, -- zum vollendeten Abschluß dadurch, daß
es sie vom Menschen aus mit immer vollkommenerem
Verständniß endlich ganz wieder der Natur zuwandte,
und zwar indem es die bildende Kunst fähig machte, die
Natur ihrem Wesen nach innig zu erfassen, die Archi¬
tektur gleichsam zur vollkommenen, lebensvollen Darstellung
der Natur zu erweitern. Der menschliche Egoismus, der

ihrer Darſtellung nur möglichen, Gruppen oder Aufſtel¬
lungen zu begnügen; die künſtleriſche Täuſchung ward
in ihr vielmehr ſo zur vorwiegenden Nothwendigkeit, daß
ſie nicht nur nach Tiefe und Breite beziehungsreich ſich
ausdehnende menſchliche Gruppen, ſondern auch den Um¬
kreis ihrer außermenſchlichen Umgebung; die Naturſcene
ſelbſt in das Bereich ihrer Darſtellung zu ziehen hatte.
Hierauf begründet ſich ein vollkommen neues Moment in
der Entwickelung des künſtleriſchen Anſchauungs- und
Darſtellungsvermögens des Menſchen: nämlich dieß des
innigen Begrüßens und Wiedergebens der Natur durch
durch die Landſchaftsmalerei.

Dieſes Moment iſt von der entſcheidendſten Wichtig¬
keit für die ganze bildende Kunſt: es bringt dieſe, — die
in der Architektur von der Anſchauung und künſtleri¬
ſchen Benutzung der Natur zu Gunſten des Menſchen
ausging, — in der Plaſtik, wie zur Vergötterung des
Menſchen, ſich allein nur noch auf dieſen als Gegen¬
ſtand bezog, — zum vollendeten Abſchluß dadurch, daß
es ſie vom Menſchen aus mit immer vollkommenerem
Verſtändniß endlich ganz wieder der Natur zuwandte,
und zwar indem es die bildende Kunſt fähig machte, die
Natur ihrem Weſen nach innig zu erfaſſen, die Archi¬
tektur gleichſam zur vollkommenen, lebensvollen Darſtellung
der Natur zu erweitern. Der menſchliche Egoismus, der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="174"/>
ihrer Dar&#x017F;tellung nur möglichen, Gruppen oder Auf&#x017F;tel¬<lb/>
lungen zu begnügen; die kün&#x017F;tleri&#x017F;che Täu&#x017F;chung ward<lb/>
in ihr vielmehr &#x017F;o zur vorwiegenden Nothwendigkeit, daß<lb/>
&#x017F;ie nicht nur nach Tiefe und Breite beziehungsreich &#x017F;ich<lb/>
ausdehnende men&#x017F;chliche Gruppen, &#x017F;ondern auch den Um¬<lb/>
kreis ihrer außermen&#x017F;chlichen Umgebung; die <hi rendition="#g">Natur&#x017F;cene</hi><lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t in das Bereich ihrer Dar&#x017F;tellung zu ziehen hatte.<lb/>
Hierauf begründet &#x017F;ich ein vollkommen neues Moment in<lb/>
der Entwickelung des kün&#x017F;tleri&#x017F;chen An&#x017F;chauungs- und<lb/>
Dar&#x017F;tellungsvermögens des Men&#x017F;chen: nämlich dieß des<lb/>
innigen Begrüßens und Wiedergebens der <hi rendition="#g">Natur</hi> durch<lb/>
durch die <hi rendition="#g">Land&#x017F;chaftsmalerei</hi>.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es Moment i&#x017F;t von der ent&#x017F;cheidend&#x017F;ten Wichtig¬<lb/>
keit für die ganze bildende Kun&#x017F;t: es bringt die&#x017F;e, &#x2014; die<lb/>
in der Architektur von der An&#x017F;chauung und kün&#x017F;tleri¬<lb/>
&#x017F;chen Benutzung der Natur zu Gun&#x017F;ten des Men&#x017F;chen<lb/>
ausging, &#x2014; in der Pla&#x017F;tik, wie zur Vergötterung des<lb/>
Men&#x017F;chen, &#x017F;ich allein nur noch auf <hi rendition="#g">die&#x017F;en</hi> als Gegen¬<lb/>
&#x017F;tand bezog, &#x2014; zum vollendeten Ab&#x017F;chluß dadurch, daß<lb/>
es &#x017F;ie vom Men&#x017F;chen aus mit immer vollkommenerem<lb/>
Ver&#x017F;tändniß endlich ganz wieder der <hi rendition="#g">Natur</hi> zuwandte,<lb/>
und zwar indem es die bildende Kun&#x017F;t fähig machte, die<lb/>
Natur <hi rendition="#g">ihrem We&#x017F;en nach</hi> innig zu erfa&#x017F;&#x017F;en, die Archi¬<lb/>
tektur gleich&#x017F;am zur vollkommenen, lebensvollen Dar&#x017F;tellung<lb/>
der Natur zu erweitern. Der men&#x017F;chliche Egoismus, der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0190] ihrer Darſtellung nur möglichen, Gruppen oder Aufſtel¬ lungen zu begnügen; die künſtleriſche Täuſchung ward in ihr vielmehr ſo zur vorwiegenden Nothwendigkeit, daß ſie nicht nur nach Tiefe und Breite beziehungsreich ſich ausdehnende menſchliche Gruppen, ſondern auch den Um¬ kreis ihrer außermenſchlichen Umgebung; die Naturſcene ſelbſt in das Bereich ihrer Darſtellung zu ziehen hatte. Hierauf begründet ſich ein vollkommen neues Moment in der Entwickelung des künſtleriſchen Anſchauungs- und Darſtellungsvermögens des Menſchen: nämlich dieß des innigen Begrüßens und Wiedergebens der Natur durch durch die Landſchaftsmalerei. Dieſes Moment iſt von der entſcheidendſten Wichtig¬ keit für die ganze bildende Kunſt: es bringt dieſe, — die in der Architektur von der Anſchauung und künſtleri¬ ſchen Benutzung der Natur zu Gunſten des Menſchen ausging, — in der Plaſtik, wie zur Vergötterung des Menſchen, ſich allein nur noch auf dieſen als Gegen¬ ſtand bezog, — zum vollendeten Abſchluß dadurch, daß es ſie vom Menſchen aus mit immer vollkommenerem Verſtändniß endlich ganz wieder der Natur zuwandte, und zwar indem es die bildende Kunſt fähig machte, die Natur ihrem Weſen nach innig zu erfaſſen, die Archi¬ tektur gleichſam zur vollkommenen, lebensvollen Darſtellung der Natur zu erweitern. Der menſchliche Egoismus, der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/190
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/190>, abgerufen am 05.12.2024.