wiederum nur sich, die absolute Glorie der Persönlichkeit, will. Der gemeinsame Zweck, durch welchen einzig das Drama zum Kunstwerke wird, lag dem persönlichen Vir¬ tuosen bis zur unkenntlichsten Ferne ab, und was die Schauspielkunst als eine gemeinsame, auf den Geist der Gemeinsamkeit einzig begründete, ganz von selbst erzeugen muß -- das dramatische Kunstwerk das will dieser eine Virtuose, oder die Zunft der Virtuosen, gar nicht, son¬ dern sich, das seiner persönlichen Kunstfertigkeit speciell Entsprechende, das seine Eitelkeit einzig Lohnende allein. Hundert der fähigsten Egoisten, wenn sie alle auf einer Stelle versammelt sind, vermögen aber nicht das zu voll¬ bringen, was nur das Werk der Gemeinsamkeit sein kann, wenigstens nicht eher, als bis sie eben aufhören, Egoisten zu sein; so lange sie dieß aber sind, ist ihre, unter äuße¬ rem Zwange einzig zu ermöglichende, gemeinschaftliche Wirksamkeit nur die des gegenseitigen Neides und Hasses, -- und oft gleicht daher unsre Schaubühne dem Kampf¬ platze der beiden Löwen, auf dem wir nur noch die Schwänze erblicken, bis auf welche diese sich gegenseitig auf¬ gefressen haben.
Nichts desto weniger ist dennoch da, woselbst nur diese Virtuosität des Darstellers für das Publikum den Begriff der Schauspielkunst ausmacht, -- wie in den
wiederum nur ſich, die abſolute Glorie der Perſönlichkeit, will. Der gemeinſame Zweck, durch welchen einzig das Drama zum Kunſtwerke wird, lag dem perſönlichen Vir¬ tuoſen bis zur unkenntlichſten Ferne ab, und was die Schauſpielkunſt als eine gemeinſame, auf den Geiſt der Gemeinſamkeit einzig begründete, ganz von ſelbſt erzeugen muß — das dramatiſche Kunſtwerk das will dieſer eine Virtuoſe, oder die Zunft der Virtuoſen, gar nicht, ſon¬ dern ſich, das ſeiner perſönlichen Kunſtfertigkeit ſpeciell Entſprechende, das ſeine Eitelkeit einzig Lohnende allein. Hundert der fähigſten Egoiſten, wenn ſie alle auf einer Stelle verſammelt ſind, vermögen aber nicht das zu voll¬ bringen, was nur das Werk der Gemeinſamkeit ſein kann, wenigſtens nicht eher, als bis ſie eben aufhören, Egoiſten zu ſein; ſo lange ſie dieß aber ſind, iſt ihre, unter äuße¬ rem Zwange einzig zu ermöglichende, gemeinſchaftliche Wirkſamkeit nur die des gegenſeitigen Neides und Haſſes, — und oft gleicht daher unſre Schaubühne dem Kampf¬ platze der beiden Löwen, auf dem wir nur noch die Schwänze erblicken, bis auf welche dieſe ſich gegenſeitig auf¬ gefreſſen haben.
Nichts deſto weniger iſt dennoch da, woſelbſt nur dieſe Virtuoſität des Darſtellers für das Publikum den Begriff der Schauſpielkunſt ausmacht, — wie in den
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Drama zum Kunſtwerke wird, lag dem perſönlichen Vir¬
tuoſen bis zur unkenntlichſten Ferne ab, und was die
Schauſpielkunſt als eine gemeinſame, auf den Geiſt der
Gemeinſamkeit einzig begründete, ganz von ſelbſt erzeugen
muß — das dramatiſche Kunſtwerk das will dieſer eine
Virtuoſe, oder die Zunft der Virtuoſen, gar nicht, ſon¬
dern ſich, das ſeiner perſönlichen Kunſtfertigkeit ſpeciell
Entſprechende, das ſeine Eitelkeit einzig Lohnende allein.
Hundert der fähigſten Egoiſten, wenn ſie alle auf einer
Stelle verſammelt ſind, vermögen aber nicht das zu voll¬
bringen, was nur das Werk der Gemeinſamkeit ſein kann,
wenigſtens nicht eher, als bis ſie eben aufhören, Egoiſten
zu ſein; ſo lange ſie dieß aber ſind, iſt ihre, unter äuße¬
rem Zwange einzig zu ermöglichende, gemeinſchaftliche
Wirkſamkeit nur die des gegenſeitigen Neides und Haſſes,
— und oft gleicht daher unſre Schaubühne dem Kampf¬
platze der beiden Löwen, auf dem wir nur noch die
Schwänze erblicken, bis auf welche dieſe ſich gegenſeitig auf¬
gefreſſen haben.
Nichts deſto weniger iſt dennoch da, woſelbſt nur
dieſe Virtuoſität des Darſtellers für das Publikum
den Begriff der Schauſpielkunſt ausmacht, — wie in den
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/140>, abgerufen am 22.07.2024.
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