Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

Bild:
<< vorherige Seite

wiederum nur sich, die absolute Glorie der Persönlichkeit,
will. Der gemeinsame Zweck, durch welchen einzig das
Drama zum Kunstwerke wird, lag dem persönlichen Vir¬
tuosen bis zur unkenntlichsten Ferne ab, und was die
Schauspielkunst als eine gemeinsame, auf den Geist der
Gemeinsamkeit einzig begründete, ganz von selbst erzeugen
muß -- das dramatische Kunstwerk das will dieser eine
Virtuose, oder die Zunft der Virtuosen, gar nicht, son¬
dern sich, das seiner persönlichen Kunstfertigkeit speciell
Entsprechende, das seine Eitelkeit einzig Lohnende allein.
Hundert der fähigsten Egoisten, wenn sie alle auf einer
Stelle versammelt sind, vermögen aber nicht das zu voll¬
bringen, was nur das Werk der Gemeinsamkeit sein kann,
wenigstens nicht eher, als bis sie eben aufhören, Egoisten
zu sein; so lange sie dieß aber sind, ist ihre, unter äuße¬
rem
Zwange einzig zu ermöglichende, gemeinschaftliche
Wirksamkeit nur die des gegenseitigen Neides und Hasses,
-- und oft gleicht daher unsre Schaubühne dem Kampf¬
platze der beiden Löwen, auf dem wir nur noch die
Schwänze erblicken, bis auf welche diese sich gegenseitig auf¬
gefressen haben.

Nichts desto weniger ist dennoch da, woselbst nur
diese Virtuosität des Darstellers für das Publikum
den Begriff der Schauspielkunst ausmacht, -- wie in den

wiederum nur ſich, die abſolute Glorie der Perſönlichkeit,
will. Der gemeinſame Zweck, durch welchen einzig das
Drama zum Kunſtwerke wird, lag dem perſönlichen Vir¬
tuoſen bis zur unkenntlichſten Ferne ab, und was die
Schauſpielkunſt als eine gemeinſame, auf den Geiſt der
Gemeinſamkeit einzig begründete, ganz von ſelbſt erzeugen
muß — das dramatiſche Kunſtwerk das will dieſer eine
Virtuoſe, oder die Zunft der Virtuoſen, gar nicht, ſon¬
dern ſich, das ſeiner perſönlichen Kunſtfertigkeit ſpeciell
Entſprechende, das ſeine Eitelkeit einzig Lohnende allein.
Hundert der fähigſten Egoiſten, wenn ſie alle auf einer
Stelle verſammelt ſind, vermögen aber nicht das zu voll¬
bringen, was nur das Werk der Gemeinſamkeit ſein kann,
wenigſtens nicht eher, als bis ſie eben aufhören, Egoiſten
zu ſein; ſo lange ſie dieß aber ſind, iſt ihre, unter äuße¬
rem
Zwange einzig zu ermöglichende, gemeinſchaftliche
Wirkſamkeit nur die des gegenſeitigen Neides und Haſſes,
— und oft gleicht daher unſre Schaubühne dem Kampf¬
platze der beiden Löwen, auf dem wir nur noch die
Schwänze erblicken, bis auf welche dieſe ſich gegenſeitig auf¬
gefreſſen haben.

Nichts deſto weniger iſt dennoch da, woſelbſt nur
dieſe Virtuoſität des Darſtellers für das Publikum
den Begriff der Schauſpielkunſt ausmacht, — wie in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0140" n="124"/>
wiederum nur <hi rendition="#g">&#x017F;ich</hi>, die ab&#x017F;olute Glorie der Per&#x017F;önlichkeit,<lb/>
will. Der gemein&#x017F;ame Zweck, durch welchen einzig das<lb/>
Drama zum Kun&#x017F;twerke wird, lag dem per&#x017F;önlichen Vir¬<lb/>
tuo&#x017F;en bis zur unkenntlich&#x017F;ten Ferne ab, und was die<lb/>
Schau&#x017F;pielkun&#x017F;t als eine gemein&#x017F;ame, auf den Gei&#x017F;t der<lb/>
Gemein&#x017F;amkeit einzig begründete, ganz von &#x017F;elb&#x017F;t erzeugen<lb/>
muß &#x2014; das dramati&#x017F;che Kun&#x017F;twerk das will die&#x017F;er eine<lb/>
Virtuo&#x017F;e, oder die Zunft der Virtuo&#x017F;en, gar <hi rendition="#g">nicht</hi>, &#x017F;on¬<lb/>
dern <hi rendition="#g">&#x017F;ich</hi>, das &#x017F;einer per&#x017F;önlichen Kun&#x017F;tfertigkeit &#x017F;peciell<lb/>
Ent&#x017F;prechende, das &#x017F;eine Eitelkeit einzig Lohnende allein.<lb/>
Hundert der <hi rendition="#g">fähig&#x017F;ten</hi> Egoi&#x017F;ten, wenn &#x017F;ie alle auf einer<lb/>
Stelle ver&#x017F;ammelt &#x017F;ind, vermögen aber nicht <hi rendition="#g">das</hi> zu voll¬<lb/>
bringen, was nur das Werk der Gemein&#x017F;amkeit &#x017F;ein kann,<lb/>
wenig&#x017F;tens nicht eher, als bis &#x017F;ie eben aufhören, Egoi&#x017F;ten<lb/>
zu &#x017F;ein; &#x017F;o lange &#x017F;ie dieß aber &#x017F;ind, i&#x017F;t ihre, unter <hi rendition="#g">äuße¬<lb/>
rem</hi> Zwange einzig zu ermöglichende, gemein&#x017F;chaftliche<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit nur die des gegen&#x017F;eitigen Neides und Ha&#x017F;&#x017F;es,<lb/>
&#x2014; und oft gleicht daher un&#x017F;re Schaubühne dem Kampf¬<lb/>
platze der beiden Löwen, auf dem wir nur noch die<lb/>
Schwänze erblicken, bis auf welche die&#x017F;e &#x017F;ich gegen&#x017F;eitig auf¬<lb/>
gefre&#x017F;&#x017F;en haben.</p><lb/>
          <p>Nichts de&#x017F;to weniger i&#x017F;t dennoch da, wo&#x017F;elb&#x017F;t nur<lb/>
die&#x017F;e <hi rendition="#g">Virtuo&#x017F;ität des Dar&#x017F;tellers</hi> für das Publikum<lb/>
den Begriff der Schau&#x017F;pielkun&#x017F;t ausmacht, &#x2014; wie in den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0140] wiederum nur ſich, die abſolute Glorie der Perſönlichkeit, will. Der gemeinſame Zweck, durch welchen einzig das Drama zum Kunſtwerke wird, lag dem perſönlichen Vir¬ tuoſen bis zur unkenntlichſten Ferne ab, und was die Schauſpielkunſt als eine gemeinſame, auf den Geiſt der Gemeinſamkeit einzig begründete, ganz von ſelbſt erzeugen muß — das dramatiſche Kunſtwerk das will dieſer eine Virtuoſe, oder die Zunft der Virtuoſen, gar nicht, ſon¬ dern ſich, das ſeiner perſönlichen Kunſtfertigkeit ſpeciell Entſprechende, das ſeine Eitelkeit einzig Lohnende allein. Hundert der fähigſten Egoiſten, wenn ſie alle auf einer Stelle verſammelt ſind, vermögen aber nicht das zu voll¬ bringen, was nur das Werk der Gemeinſamkeit ſein kann, wenigſtens nicht eher, als bis ſie eben aufhören, Egoiſten zu ſein; ſo lange ſie dieß aber ſind, iſt ihre, unter äuße¬ rem Zwange einzig zu ermöglichende, gemeinſchaftliche Wirkſamkeit nur die des gegenſeitigen Neides und Haſſes, — und oft gleicht daher unſre Schaubühne dem Kampf¬ platze der beiden Löwen, auf dem wir nur noch die Schwänze erblicken, bis auf welche dieſe ſich gegenſeitig auf¬ gefreſſen haben. Nichts deſto weniger iſt dennoch da, woſelbſt nur dieſe Virtuoſität des Darſtellers für das Publikum den Begriff der Schauſpielkunſt ausmacht, — wie in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/140
Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/140>, abgerufen am 26.11.2024.