Künste, denen die sinnliche Erscheinung unmittelbar ange¬ hört; der Gedanke, dieses bloße Bild oder Wollen der Erscheinung, ist an sich gestaltlos, und erst wenn er den Weg wieder zurückgeht, auf dem er erzeugt wurde, kann er zur künstlerischen Wahrnehmbarkeit gelangen. In der Dichtkunst kommt sich die Absicht der Kunst überhaupt zum Bewußtsein: die anderen Kunstarten enthalten in sich aber die unbewußte Nothwendigkeit dieser Absicht. Die Dichtkunst ist der Schöpfungsprozeß, durch den das Kunst¬ werk in das Leben tritt: aus Nichts vermag aber nur der Gott der Christen etwas zu machen, -- der Dichter muß das Etwas haben, und dieses Etwas ist der ganze künstlerische Mensch, der in der Tanz- und Tonkunst das zum Seelen¬ verlangen gewordene sinnliche Verlangen kundgiebt, welches durch sich erst die dichterische Absicht erzeugt, in ihr seinen Abschluß, in ihrer Erreichung seine Befriedigung findet.
Ueberall, wo das Volk dichtete, -- und nur von dem Volke oder im Sinne des Volkes, d. i. aus Noth¬ wendigkeit, kann allein wirklich gedichtet werden, -- trat auch die dichterische Absicht nur auf den Schultern der Tanz- und Tonkunst, als Kopf des vollkommen vorhan¬ denen Menschen, in das Leben. Die Lyrik des Orpheus hätte die wilden Thiere sicher nicht zu schweigender, ruhig sich lagernder Andacht vermocht, wenn der Sänger ihnen etwa bloß gedruckte Gedichte zu lesen gegeben hätte: ihren
Künſte, denen die ſinnliche Erſcheinung unmittelbar ange¬ hört; der Gedanke, dieſes bloße Bild oder Wollen der Erſcheinung, iſt an ſich geſtaltlos, und erſt wenn er den Weg wieder zurückgeht, auf dem er erzeugt wurde, kann er zur künſtleriſchen Wahrnehmbarkeit gelangen. In der Dichtkunſt kommt ſich die Abſicht der Kunſt überhaupt zum Bewußtſein: die anderen Kunſtarten enthalten in ſich aber die unbewußte Nothwendigkeit dieſer Abſicht. Die Dichtkunſt iſt der Schöpfungsprozeß, durch den das Kunſt¬ werk in das Leben tritt: aus Nichts vermag aber nur der Gott der Chriſten etwas zu machen, — der Dichter muß das Etwas haben, und dieſes Etwas iſt der ganze künſtleriſche Menſch, der in der Tanz- und Tonkunſt das zum Seelen¬ verlangen gewordene ſinnliche Verlangen kundgiebt, welches durch ſich erſt die dichteriſche Abſicht erzeugt, in ihr ſeinen Abſchluß, in ihrer Erreichung ſeine Befriedigung findet.
Ueberall, wo das Volk dichtete, — und nur von dem Volke oder im Sinne des Volkes, d. i. aus Noth¬ wendigkeit, kann allein wirklich gedichtet werden, — trat auch die dichteriſche Abſicht nur auf den Schultern der Tanz- und Tonkunſt, als Kopf des vollkommen vorhan¬ denen Menſchen, in das Leben. Die Lyrik des Orpheus hätte die wilden Thiere ſicher nicht zu ſchweigender, ruhig ſich lagernder Andacht vermocht, wenn der Sänger ihnen etwa bloß gedruckte Gedichte zu leſen gegeben hätte: ihren
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Künſte, denen die ſinnliche Erſcheinung unmittelbar ange¬
hört; der Gedanke, dieſes bloße Bild oder Wollen der
Erſcheinung, iſt an ſich geſtaltlos, und erſt wenn er den
Weg wieder zurückgeht, auf dem er erzeugt wurde, kann er
zur künſtleriſchen Wahrnehmbarkeit gelangen. In der
Dichtkunſt kommt ſich die Abſicht der Kunſt überhaupt
zum Bewußtſein: die anderen Kunſtarten enthalten in ſich
aber die unbewußte Nothwendigkeit dieſer Abſicht. Die
Dichtkunſt iſt der Schöpfungsprozeß, durch den das Kunſt¬
werk in das Leben tritt: aus Nichts vermag aber nur der
Gott der Chriſten etwas zu machen, — der Dichter muß das
Etwas haben, und dieſes Etwas iſt der ganze künſtleriſche
Menſch, der in der Tanz- und Tonkunſt das zum Seelen¬
verlangen gewordene ſinnliche Verlangen kundgiebt, welches
durch ſich erſt die dichteriſche Abſicht erzeugt, in ihr ſeinen
Abſchluß, in ihrer Erreichung ſeine Befriedigung findet.
Ueberall, wo das Volk dichtete, — und nur von
dem Volke oder im Sinne des Volkes, d. i. aus Noth¬
wendigkeit, kann allein wirklich gedichtet werden, — trat
auch die dichteriſche Abſicht nur auf den Schultern der
Tanz- und Tonkunſt, als Kopf des vollkommen vorhan¬
denen Menſchen, in das Leben. Die Lyrik des Orpheus
hätte die wilden Thiere ſicher nicht zu ſchweigender, ruhig
ſich lagernder Andacht vermocht, wenn der Sänger ihnen
etwa bloß gedruckte Gedichte zu leſen gegeben hätte: ihren
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/121>, abgerufen am 22.07.2024.
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