Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


ihnen. -- Wir andren Epaulettes haben, sobald
wir mit Recht oder Unrecht beleidigt werden, nur
zwey Wege: entweder müssen wir unser Leben,
oder unsre Ehre in die Schanz schlagen.
Magister. Das ist ja aber ein Widerspruch:
wie! um nicht für ehrlos gehalten zu werden, muß
sich ein rechtschaffner Mann der Gefahr aussetzen,
seinen Kopf auf dem Schavott dem Scharfrichter
hinzustrecken: -- unerhört!
Major. Gar nicht unerhört! gar nicht! lieber
das Leben als die Ehre verlohren. -- Das Scha-
vott macht nicht unehrlich, sondern das Verbre-
chen, und ein Verbrechen, wozu man gezwungen wird,
ist kein Verbrechen mehr. -- Wenn ich in Wall-
roths Haut stäcke, so schlüg ich mich, eh ich das
auf mir sitzen ließ, lieber mit der ganzen Garnison
herum; mit einem nach dem andern versteht sich.
-- Und wenn er heut noch Satisfaction von mir
fordert, so soll er sie heut noch haben, wenn tau-
send Schavott und tausend Galgen daneben stün-
den. -- -- Wenn sie, Herr Magister, alle Wider-
sprüche heben, alles krumme grad machen können,
so thun sies! -- ich will sie loben drum. A l'hon-
neur,
meine Herren! -- Eh sie reisen, Grönings-
eck, seh ich sie doch noch?
v. Gröningseck. Wie billig.
Major (im Fortgehn.) Ohne Abschied also!
(ab, Gröningseck begleitet ihn bis an die Thüre.)
Magister. Der Herr Major spricht --
v. Hasenpoth. Wie es einem Soldaten zu-
kommt,


ihnen. — Wir andren Epaulettes haben, ſobald
wir mit Recht oder Unrecht beleidigt werden, nur
zwey Wege: entweder muͤſſen wir unſer Leben,
oder unſre Ehre in die Schanz ſchlagen.
Magiſter. Das iſt ja aber ein Widerſpruch:
wie! um nicht fuͤr ehrlos gehalten zu werden, muß
ſich ein rechtſchaffner Mann der Gefahr ausſetzen,
ſeinen Kopf auf dem Schavott dem Scharfrichter
hinzuſtrecken: — unerhoͤrt!
Major. Gar nicht unerhoͤrt! gar nicht! lieber
das Leben als die Ehre verlohren. — Das Scha-
vott macht nicht unehrlich, ſondern das Verbre-
chen, und ein Verbrechen, wozu man gezwungen wird,
iſt kein Verbrechen mehr. — Wenn ich in Wall-
roths Haut ſtaͤcke, ſo ſchluͤg ich mich, eh ich das
auf mir ſitzen ließ, lieber mit der ganzen Garniſon
herum; mit einem nach dem andern verſteht ſich.
— Und wenn er heut noch Satisfaction von mir
fordert, ſo ſoll er ſie heut noch haben, wenn tau-
ſend Schavott und tauſend Galgen daneben ſtuͤn-
den. — — Wenn ſie, Herr Magiſter, alle Wider-
ſpruͤche heben, alles krumme grad machen koͤnnen,
ſo thun ſies! — ich will ſie loben drum. A l’hon-
neur,
meine Herren! — Eh ſie reiſen, Groͤnings-
eck, ſeh ich ſie doch noch?
v. Groͤningseck. Wie billig.
Major (im Fortgehn.) Ohne Abſchied alſo!
(ab, Groͤningseck begleitet ihn bis an die Thuͤre.)
Magiſter. Der Herr Major ſpricht —
v. Haſenpoth. Wie es einem Soldaten zu-
kommt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#GRN">
          <p><pb facs="#f0060" n="58"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> ihnen. &#x2014; Wir andren <hi rendition="#aq">Epaulettes</hi> haben, &#x017F;obald<lb/>
wir mit Recht oder Unrecht beleidigt werden, nur<lb/>
zwey Wege: entweder mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir un&#x017F;er Leben,<lb/>
oder un&#x017F;re Ehre in die Schanz &#x017F;chlagen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#MHUM">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Magi&#x017F;ter.</hi> </speaker>
          <p>Das i&#x017F;t ja aber ein Wider&#x017F;pruch:<lb/>
wie! um nicht fu&#x0364;r ehrlos gehalten zu werden, muß<lb/>
&#x017F;ich ein recht&#x017F;chaffner Mann der Gefahr aus&#x017F;etzen,<lb/>
&#x017F;einen Kopf auf dem Schavott dem Scharfrichter<lb/>
hinzu&#x017F;trecken: &#x2014; unerho&#x0364;rt!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LIN">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Major.</hi> </speaker>
          <p>Gar nicht unerho&#x0364;rt! gar nicht! lieber<lb/>
das Leben als die Ehre verlohren. &#x2014; Das Scha-<lb/>
vott macht nicht unehrlich, &#x017F;ondern das Verbre-<lb/>
chen, und ein Verbrechen, wozu man gezwungen wird,<lb/>
i&#x017F;t kein Verbrechen mehr. &#x2014; Wenn <hi rendition="#fr">ich</hi> in Wall-<lb/>
roths Haut &#x017F;ta&#x0364;cke, &#x017F;o &#x017F;chlu&#x0364;g ich mich, eh ich das<lb/>
auf mir &#x017F;itzen ließ, lieber mit der ganzen Garni&#x017F;on<lb/>
herum; mit einem nach dem andern ver&#x017F;teht &#x017F;ich.<lb/>
&#x2014; Und wenn er heut noch Satisfaction von mir<lb/>
fordert, &#x017F;o &#x017F;oll er &#x017F;ie heut noch haben, wenn tau-<lb/>
&#x017F;end Schavott und tau&#x017F;end Galgen daneben &#x017F;tu&#x0364;n-<lb/>
den. &#x2014; &#x2014; Wenn &#x017F;ie, Herr Magi&#x017F;ter, alle Wider-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che heben, alles krumme grad machen ko&#x0364;nnen,<lb/>
&#x017F;o thun &#x017F;ies! &#x2014; ich will &#x017F;ie loben drum. <hi rendition="#aq">A l&#x2019;hon-<lb/>
neur,</hi> meine Herren! &#x2014; Eh &#x017F;ie rei&#x017F;en, Gro&#x0364;nings-<lb/>
eck, &#x017F;eh ich &#x017F;ie doch noch?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GRN">
          <speaker> <hi rendition="#fr">v. Gro&#x0364;ningseck.</hi> </speaker>
          <p>Wie billig.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LIN">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Major</hi> </speaker>
          <stage>(im Fortgehn.)</stage>
          <p>Ohne Ab&#x017F;chied al&#x017F;o!</p><lb/>
          <stage>(ab, Gro&#x0364;ningseck begleitet ihn bis an die Thu&#x0364;re.)</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#MHUM">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Magi&#x017F;ter.</hi> </speaker>
          <p>Der Herr Major &#x017F;pricht &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HAS">
          <speaker> <hi rendition="#fr">v. Ha&#x017F;enpoth.</hi> </speaker>
          <p>Wie es einem Soldaten zu-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kommt,</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0060] ihnen. — Wir andren Epaulettes haben, ſobald wir mit Recht oder Unrecht beleidigt werden, nur zwey Wege: entweder muͤſſen wir unſer Leben, oder unſre Ehre in die Schanz ſchlagen. Magiſter. Das iſt ja aber ein Widerſpruch: wie! um nicht fuͤr ehrlos gehalten zu werden, muß ſich ein rechtſchaffner Mann der Gefahr ausſetzen, ſeinen Kopf auf dem Schavott dem Scharfrichter hinzuſtrecken: — unerhoͤrt! Major. Gar nicht unerhoͤrt! gar nicht! lieber das Leben als die Ehre verlohren. — Das Scha- vott macht nicht unehrlich, ſondern das Verbre- chen, und ein Verbrechen, wozu man gezwungen wird, iſt kein Verbrechen mehr. — Wenn ich in Wall- roths Haut ſtaͤcke, ſo ſchluͤg ich mich, eh ich das auf mir ſitzen ließ, lieber mit der ganzen Garniſon herum; mit einem nach dem andern verſteht ſich. — Und wenn er heut noch Satisfaction von mir fordert, ſo ſoll er ſie heut noch haben, wenn tau- ſend Schavott und tauſend Galgen daneben ſtuͤn- den. — — Wenn ſie, Herr Magiſter, alle Wider- ſpruͤche heben, alles krumme grad machen koͤnnen, ſo thun ſies! — ich will ſie loben drum. A l’hon- neur, meine Herren! — Eh ſie reiſen, Groͤnings- eck, ſeh ich ſie doch noch? v. Groͤningseck. Wie billig. Major (im Fortgehn.) Ohne Abſchied alſo! (ab, Groͤningseck begleitet ihn bis an die Thuͤre.) Magiſter. Der Herr Major ſpricht — v. Haſenpoth. Wie es einem Soldaten zu- kommt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/60
Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/60>, abgerufen am 04.05.2024.