Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.und nur zwo Fragen an sie thun; -- erstens, glau- ben sie denn, daß so viele rechtschaffene Mütter, brave Weiber, die so gar Personen vom Stande sind, theils selbst auf den Ball gehn, theils ihre Töchter darauf führen würden, wenn sie sich ein Gewissen darüber machen müßten? Fr. Humbrecht. So recht! Herr Vetter Ma- gister; das wars! Humbrecht. Die mögen meintwegen auch ein Gewissen haben, das größer ist als die Metzger-Au draussen! -- Was scheeren mich die mit samt ih- rem Stand? -- ich hab auch einen Stand, und jeder bleib bey dem Seinigen! -- Und dann, so hab ich ja noch nicht gesagt, daß das Ballgehn überhaupt nichts taugte; -- meine Leut aber soll- ten nicht drauf gehn, das sagt ich! -- Laßt die immerhin drauf herumtänzeln, die drauf gehören, wer wehrts ihnen? -- für die vornehmen Herren und Damen, Junker und Fräuleins, die vor lau- ter Vornehmigkeit nicht wissen, wo sie mit des lieben Herrgotts seiner Zeit hinsollen, für die mag es ein ganz artigs Vergnügen seyn; wer hat was darwider? -- aber Handwerksweiber, Bürgers- töchter sollen die Nas davon lassen; die können auf Hochzeiten, Meisterstückschmäusen, und was des Zeugs mehr ist, Schuh genug zerschleifen, brau- chen nicht noch ihre Ehr und guten Namen mit aufs Spiel zu setzen. -- -- Wenn denn vollends ein zuckersüßes Bürschchen in der Uniform, oder ein Barön-
und nur zwo Fragen an ſie thun; — erſtens, glau- ben ſie denn, daß ſo viele rechtſchaffene Muͤtter, brave Weiber, die ſo gar Perſonen vom Stande ſind, theils ſelbſt auf den Ball gehn, theils ihre Toͤchter darauf fuͤhren wuͤrden, wenn ſie ſich ein Gewiſſen daruͤber machen muͤßten? Fr. Humbrecht. So recht! Herr Vetter Ma- giſter; das wars! Humbrecht. Die moͤgen meintwegen auch ein Gewiſſen haben, das groͤßer iſt als die Metzger-Au drauſſen! — Was ſcheeren mich die mit ſamt ih- rem Stand? — ich hab auch einen Stand, und jeder bleib bey dem Seinigen! — Und dann, ſo hab ich ja noch nicht geſagt, daß das Ballgehn uͤberhaupt nichts taugte; — meine Leut aber ſoll- ten nicht drauf gehn, das ſagt ich! — Laßt die immerhin drauf herumtaͤnzeln, die drauf gehoͤren, wer wehrts ihnen? — fuͤr die vornehmen Herren und Damen, Junker und Fraͤuleins, die vor lau- ter Vornehmigkeit nicht wiſſen, wo ſie mit des lieben Herrgotts ſeiner Zeit hinſollen, fuͤr die mag es ein ganz artigs Vergnuͤgen ſeyn; wer hat was darwider? — aber Handwerksweiber, Buͤrgers- toͤchter ſollen die Nas davon laſſen; die koͤnnen auf Hochzeiten, Meiſterſtuͤckſchmaͤuſen, und was des Zeugs mehr iſt, Schuh genug zerſchleifen, brau- chen nicht noch ihre Ehr und guten Namen mit aufs Spiel zu ſetzen. — — Wenn denn vollends ein zuckerſuͤßes Buͤrſchchen in der Uniform, oder ein Baroͤn-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#MHUM"> <p><pb facs="#f0030" n="28"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> Erlaubniß, Herr Vetter, ſokratiſch demonſtriren,<lb/> und nur zwo Fragen an ſie thun; — erſtens, glau-<lb/> ben ſie denn, daß ſo viele rechtſchaffene Muͤtter,<lb/> brave Weiber, die ſo gar Perſonen vom Stande<lb/> ſind, theils ſelbſt auf den Ball gehn, theils ihre<lb/> Toͤchter darauf fuͤhren wuͤrden, wenn ſie ſich ein<lb/> Gewiſſen daruͤber machen muͤßten?</p> </sp><lb/> <sp who="#FHUM"> <speaker> <hi rendition="#fr">Fr. Humbrecht.</hi> </speaker> <p>So recht! Herr Vetter Ma-<lb/> giſter; das wars!</p> </sp><lb/> <sp who="#HUM"> <speaker> <hi rendition="#fr">Humbrecht.</hi> </speaker> <p>Die moͤgen meintwegen auch ein<lb/> Gewiſſen haben, das groͤßer iſt als die Metzger-Au<lb/> drauſſen! — Was ſcheeren mich die mit ſamt ih-<lb/> rem Stand? — ich hab auch einen Stand, und<lb/> jeder bleib bey dem Seinigen! — Und dann, ſo<lb/> hab ich ja noch nicht geſagt, daß das Ballgehn<lb/> uͤberhaupt nichts taugte; — meine Leut aber ſoll-<lb/> ten nicht drauf gehn, das ſagt ich! — Laßt die<lb/> immerhin drauf herumtaͤnzeln, die drauf gehoͤren,<lb/> wer wehrts ihnen? — fuͤr die vornehmen Herren<lb/> und Damen, Junker und Fraͤuleins, die vor lau-<lb/> ter Vornehmigkeit nicht wiſſen, wo ſie mit des<lb/> lieben Herrgotts ſeiner Zeit hinſollen, fuͤr die mag<lb/> es ein ganz artigs Vergnuͤgen ſeyn; wer hat was<lb/> darwider? — aber Handwerksweiber, Buͤrgers-<lb/> toͤchter ſollen die Nas davon laſſen; die koͤnnen<lb/> auf Hochzeiten, Meiſterſtuͤckſchmaͤuſen, und was des<lb/> Zeugs mehr iſt, Schuh genug zerſchleifen, brau-<lb/> chen nicht noch ihre Ehr und guten Namen mit aufs<lb/> Spiel zu ſetzen. — — Wenn denn vollends ein<lb/> zuckerſuͤßes Buͤrſchchen in der Uniform, oder ein<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Baroͤn-</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [28/0030]
Erlaubniß, Herr Vetter, ſokratiſch demonſtriren,
und nur zwo Fragen an ſie thun; — erſtens, glau-
ben ſie denn, daß ſo viele rechtſchaffene Muͤtter,
brave Weiber, die ſo gar Perſonen vom Stande
ſind, theils ſelbſt auf den Ball gehn, theils ihre
Toͤchter darauf fuͤhren wuͤrden, wenn ſie ſich ein
Gewiſſen daruͤber machen muͤßten?
Fr. Humbrecht. So recht! Herr Vetter Ma-
giſter; das wars!
Humbrecht. Die moͤgen meintwegen auch ein
Gewiſſen haben, das groͤßer iſt als die Metzger-Au
drauſſen! — Was ſcheeren mich die mit ſamt ih-
rem Stand? — ich hab auch einen Stand, und
jeder bleib bey dem Seinigen! — Und dann, ſo
hab ich ja noch nicht geſagt, daß das Ballgehn
uͤberhaupt nichts taugte; — meine Leut aber ſoll-
ten nicht drauf gehn, das ſagt ich! — Laßt die
immerhin drauf herumtaͤnzeln, die drauf gehoͤren,
wer wehrts ihnen? — fuͤr die vornehmen Herren
und Damen, Junker und Fraͤuleins, die vor lau-
ter Vornehmigkeit nicht wiſſen, wo ſie mit des
lieben Herrgotts ſeiner Zeit hinſollen, fuͤr die mag
es ein ganz artigs Vergnuͤgen ſeyn; wer hat was
darwider? — aber Handwerksweiber, Buͤrgers-
toͤchter ſollen die Nas davon laſſen; die koͤnnen
auf Hochzeiten, Meiſterſtuͤckſchmaͤuſen, und was des
Zeugs mehr iſt, Schuh genug zerſchleifen, brau-
chen nicht noch ihre Ehr und guten Namen mit aufs
Spiel zu ſetzen. — — Wenn denn vollends ein
zuckerſuͤßes Buͤrſchchen in der Uniform, oder ein
Baroͤn-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/30 |
Zitationshilfe: | Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/30>, abgerufen am 16.07.2024. |