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Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

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weiß ein Klosterer vom Ball? da versteht er grad
so viel davon, als von der Mast. -- Hängen will
ich mich lassen, wenn er Buch- und Eich-Mast zu
unterscheiden weiß!
Fr. Humbrecht. Je nun! die Herren kommen
aber doch überall herum; sie hören doch auch,
was mores ist: -- sag er nur ungescheut, Herr Vet-
ter, ists denn so was sündlichs ums Ballgehn?
Magister. Jhnen diese Frage zu beantworten,
muß ich unterscheiden, werthste Frau Baas! erst-
lich das Ballgehn an sich selbst, und zweytens die
verschiedene äußere Umstände, die damit verbun-
den sind, oder verbunden seyn können, betrach-
ten. -- Was nun den erstern Punkt betrifft,
so seh ich am Ballgehn an und für sich eben nichts
sündliches: es ist eine Ergötzung, und nach der
neuen Theologie, die aber im Grund auch die äl-
teste und natürlichste ist, ist jede Ergötzung auch
eine Art von Gottesdienst. --
Humbrecht. Vetter! Vetter! gebt Acht, daß
man euch Schwarzkittel nicht all zum Teufel jagt,
wenn dieser neue Gottesdienst erst eingeführt
wird!
Magister. Jch sagte ja nur, Ergötzung wäre
eine Art von Gottesdienst: dies schließt aber die
andern Arten alle noch nicht aus, und folglich
sind wir Lehrer auch noch nicht überflüßig. Doch
-- diesen Beweißgrund, den ich ihnen bey einer
andern Gelegenheit besser erklären, deutlicher exe-
gesiren will, beyseite gesetzt, -- will ich mit ihrer
Erlaub-


weiß ein Kloſterer vom Ball? da verſteht er grad
ſo viel davon, als von der Maſt. — Haͤngen will
ich mich laſſen, wenn er Buch- und Eich-Maſt zu
unterſcheiden weiß!
Fr. Humbrecht. Je nun! die Herren kommen
aber doch uͤberall herum; ſie hoͤren doch auch,
was mores iſt: — ſag er nur ungeſcheut, Herr Vet-
ter, iſts denn ſo was ſuͤndlichs ums Ballgehn?
Magiſter. Jhnen dieſe Frage zu beantworten,
muß ich unterſcheiden, werthſte Frau Baas! erſt-
lich das Ballgehn an ſich ſelbſt, und zweytens die
verſchiedene aͤußere Umſtaͤnde, die damit verbun-
den ſind, oder verbunden ſeyn koͤnnen, betrach-
ten. — Was nun den erſtern Punkt betrifft,
ſo ſeh ich am Ballgehn an und fuͤr ſich eben nichts
ſuͤndliches: es iſt eine Ergoͤtzung, und nach der
neuen Theologie, die aber im Grund auch die aͤl-
teſte und natuͤrlichſte iſt, iſt jede Ergoͤtzung auch
eine Art von Gottesdienſt. —
Humbrecht. Vetter! Vetter! gebt Acht, daß
man euch Schwarzkittel nicht all zum Teufel jagt,
wenn dieſer neue Gottesdienſt erſt eingefuͤhrt
wird!
Magiſter. Jch ſagte ja nur, Ergoͤtzung waͤre
eine Art von Gottesdienſt: dies ſchließt aber die
andern Arten alle noch nicht aus, und folglich
ſind wir Lehrer auch noch nicht uͤberfluͤßig. Doch
— dieſen Beweißgrund, den ich ihnen bey einer
andern Gelegenheit beſſer erklaͤren, deutlicher exe-
geſiren will, beyſeite geſetzt, — will ich mit ihrer
Erlaub-
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[27/0029] weiß ein Kloſterer vom Ball? da verſteht er grad ſo viel davon, als von der Maſt. — Haͤngen will ich mich laſſen, wenn er Buch- und Eich-Maſt zu unterſcheiden weiß! Fr. Humbrecht. Je nun! die Herren kommen aber doch uͤberall herum; ſie hoͤren doch auch, was mores iſt: — ſag er nur ungeſcheut, Herr Vet- ter, iſts denn ſo was ſuͤndlichs ums Ballgehn? Magiſter. Jhnen dieſe Frage zu beantworten, muß ich unterſcheiden, werthſte Frau Baas! erſt- lich das Ballgehn an ſich ſelbſt, und zweytens die verſchiedene aͤußere Umſtaͤnde, die damit verbun- den ſind, oder verbunden ſeyn koͤnnen, betrach- ten. — Was nun den erſtern Punkt betrifft, ſo ſeh ich am Ballgehn an und fuͤr ſich eben nichts ſuͤndliches: es iſt eine Ergoͤtzung, und nach der neuen Theologie, die aber im Grund auch die aͤl- teſte und natuͤrlichſte iſt, iſt jede Ergoͤtzung auch eine Art von Gottesdienſt. — Humbrecht. Vetter! Vetter! gebt Acht, daß man euch Schwarzkittel nicht all zum Teufel jagt, wenn dieſer neue Gottesdienſt erſt eingefuͤhrt wird! Magiſter. Jch ſagte ja nur, Ergoͤtzung waͤre eine Art von Gottesdienſt: dies ſchließt aber die andern Arten alle noch nicht aus, und folglich ſind wir Lehrer auch noch nicht uͤberfluͤßig. Doch — dieſen Beweißgrund, den ich ihnen bey einer andern Gelegenheit beſſer erklaͤren, deutlicher exe- geſiren will, beyſeite geſetzt, — will ich mit ihrer Erlaub-

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Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/29>, abgerufen am 29.03.2024.