Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.hereinbringen -- ich geh ihr doch auch zu gefal- len, 's soll ein bildschön Mädel seyn -- wer weiß! wer weiß! ob sie unsre gnädige Obrigkeit nit, den an- dern zum Exempel, gar durch die Stadt schleifen laßt; wie den Muttermörder, der sich vor ein Jahrer zwey oder drey im Thurn selbst erhenkt hat, auch. Evchen. Muttermörder! gibts Muttermörder? Fr. Marthan. Obs ihrer gibt? wie das ge- fragt ist! -- Weiß sie denn nit mehr, der Kerl, wie hieß er doch? der seiner Mutter die Gurgel wollt abschneiden -- Evchen Ja, ja! ich besinn mich; -- seine Mutter war eine Hure, er ein Bastert, im Bordel gezeugt, das warf ihm einer im Trunk vor, da gab er seiner Mutter den Lohn, der ihr gebührte; -- ich erinner michs gar wohl. Fr. Marthan. Bey Leibe nicht! -- sie ist ganz irr dran -- er wollte Geld von ihr haben. Evchen. Recht! recht! -- er hatte Hunger und Durst; wollte sich einen Milchweck kau- fen und ein Glas Bier dazu, die Mutter konnts ihm nicht geben, da wollt er ihr das Geld aus den Rippen schneiden, -- und das ward ihm versalzen! Fr. Marthan. Jst sie närrisch? -- bald förcht ich mich allein bey ihr zu bleiben. -- -- Jch wills ihr besser sagen, wies zugieng: er war von Jugend auf ein böser Bub, verthat seiner Mutter viel Geld, sie war eine kreutzbrave Frau, ich hab ihr zehn Jahr wäschen helfen, bis mich die Anne Mey G 5
hereinbringen — ich geh ihr doch auch zu gefal- len, ’s ſoll ein bildſchoͤn Maͤdel ſeyn — wer weiß! wer weiß! ob ſie unſre gnaͤdige Obrigkeit nit, den an- dern zum Exempel, gar durch die Stadt ſchleifen laßt; wie den Muttermoͤrder, der ſich vor ein Jahrer zwey oder drey im Thurn ſelbſt erhenkt hat, auch. Evchen. Muttermoͤrder! gibts Muttermoͤrder? Fr. Marthan. Obs ihrer gibt? wie das ge- fragt iſt! — Weiß ſie denn nit mehr, der Kerl, wie hieß er doch? der ſeiner Mutter die Gurgel wollt abſchneiden — Evchen Ja, ja! ich beſinn mich; — ſeine Mutter war eine Hure, er ein Baſtert, im Bordel gezeugt, das warf ihm einer im Trunk vor, da gab er ſeiner Mutter den Lohn, der ihr gebuͤhrte; — ich erinner michs gar wohl. Fr. Marthan. Bey Leibe nicht! — ſie iſt ganz irr dran — er wollte Geld von ihr haben. Evchen. Recht! recht! — er hatte Hunger und Durſt; wollte ſich einen Milchweck kau- fen und ein Glas Bier dazu, die Mutter konnts ihm nicht geben, da wollt er ihr das Geld aus den Rippen ſchneiden, — und das ward ihm verſalzen! Fr. Marthan. Jſt ſie naͤrriſch? — bald foͤrcht ich mich allein bey ihr zu bleiben. — — Jch wills ihr beſſer ſagen, wies zugieng: er war von Jugend auf ein boͤſer Bub, verthat ſeiner Mutter viel Geld, ſie war eine kreutzbrave Frau, ich hab ihr zehn Jahr waͤſchen helfen, bis mich die Anne Mey G 5
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Schimpf zu reden, wenn ſie ſie heut oder morgen
hereinbringen — ich geh ihr doch auch zu gefal-
len, ’s ſoll ein bildſchoͤn Maͤdel ſeyn — wer weiß!
wer weiß! ob ſie unſre gnaͤdige Obrigkeit nit, den an-
dern zum Exempel, gar durch die Stadt ſchleifen laßt;
wie den Muttermoͤrder, der ſich vor ein Jahrer
zwey oder drey im Thurn ſelbſt erhenkt hat, auch.
Evchen. Muttermoͤrder! gibts Muttermoͤrder?
Fr. Marthan. Obs ihrer gibt? wie das ge-
fragt iſt! — Weiß ſie denn nit mehr, der Kerl,
wie hieß er doch? der ſeiner Mutter die Gurgel
wollt abſchneiden —
Evchen Ja, ja! ich beſinn mich; — ſeine
Mutter war eine Hure, er ein Baſtert, im Bordel
gezeugt, das warf ihm einer im Trunk vor, da
gab er ſeiner Mutter den Lohn, der ihr gebuͤhrte;
— ich erinner michs gar wohl.
Fr. Marthan. Bey Leibe nicht! — ſie iſt ganz
irr dran — er wollte Geld von ihr haben.
Evchen. Recht! recht! — er hatte Hunger
und Durſt; wollte ſich einen Milchweck kau-
fen und ein Glas Bier dazu, die Mutter konnts
ihm nicht geben, da wollt er ihr das Geld aus den
Rippen ſchneiden, — und das ward ihm verſalzen!
Fr. Marthan. Jſt ſie naͤrriſch? — bald foͤrcht
ich mich allein bey ihr zu bleiben. — — Jch
wills ihr beſſer ſagen, wies zugieng: er war von
Jugend auf ein boͤſer Bub, verthat ſeiner Mutter
viel Geld, ſie war eine kreutzbrave Frau, ich hab
ihr zehn Jahr waͤſchen helfen, bis mich die Anne
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