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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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und erzogen, und daraus gleichsam vom
Himmel zur Mahlerkunst berufen wurden.
Davon fallen mir mehrere Exempel ein.
Gleich einer der allerältesten Mahler von
Italien, Giotto, war in der Jugend nichts
weiter als ein Hirtenjunge, der die Schafe
hütete. Er hatte seine Freude daran, seine
Schafe auf Steinen oder im Sande abzu¬
zeichnen; dabey betraf ihn einmal Cimabue,
der Urvater aller Mahler, und nahm ihn
mit sich, da der Knabe denn bald seinen
Lehrmeister übersah. Wenn ich nicht irre, so
werden uns ganz ähnliche Geschichten vom
Domenico Beccafumi, und auch von
dem geschickten Bildhauer Contucci er¬
zählt, der als Knabe das Vieh, das er wei¬
den mußte, in Thon nachbildete. So war
auch der bekannte Polidoro da Cara¬
vaggio
anfangs weiter nichts, als ein Bur¬
sche, der den Maurern am Vatikan den

und erzogen, und daraus gleichſam vom
Himmel zur Mahlerkunſt berufen wurden.
Davon fallen mir mehrere Exempel ein.
Gleich einer der allerälteſten Mahler von
Italien, Giotto, war in der Jugend nichts
weiter als ein Hirtenjunge, der die Schafe
hütete. Er hatte ſeine Freude daran, ſeine
Schafe auf Steinen oder im Sande abzu¬
zeichnen; dabey betraf ihn einmal Cimabue,
der Urvater aller Mahler, und nahm ihn
mit ſich, da der Knabe denn bald ſeinen
Lehrmeiſter überſah. Wenn ich nicht irre, ſo
werden uns ganz ähnliche Geſchichten vom
Domenico Beccafumi, und auch von
dem geſchickten Bildhauer Contucci er¬
zählt, der als Knabe das Vieh, das er wei¬
den mußte, in Thon nachbildete. So war
auch der bekannte Polidoro da Cara¬
vaggio
anfangs weiter nichts, als ein Bur¬
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[216/0224] und erzogen, und daraus gleichſam vom Himmel zur Mahlerkunſt berufen wurden. Davon fallen mir mehrere Exempel ein. Gleich einer der allerälteſten Mahler von Italien, Giotto, war in der Jugend nichts weiter als ein Hirtenjunge, der die Schafe hütete. Er hatte ſeine Freude daran, ſeine Schafe auf Steinen oder im Sande abzu¬ zeichnen; dabey betraf ihn einmal Cimabue, der Urvater aller Mahler, und nahm ihn mit ſich, da der Knabe denn bald ſeinen Lehrmeiſter überſah. Wenn ich nicht irre, ſo werden uns ganz ähnliche Geſchichten vom Domenico Beccafumi, und auch von dem geſchickten Bildhauer Contucci er¬ zählt, der als Knabe das Vieh, das er wei¬ den mußte, in Thon nachbildete. So war auch der bekannte Polidoro da Cara¬ vaggio anfangs weiter nichts, als ein Bur¬ ſche, der den Maurern am Vatikan den

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/224>, abgerufen am 22.11.2024.