Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

groß und herrlich: der innere Geist des Gan¬
zen leuchtet dann auch aus jedem der einzel¬
nen äußeren Theile hervor. --

Also erscheint mir der vielbeurtheilte Buo¬
narotti, und wer ihn in dieser Gestalt, un¬
ter den alten Mahlern ins Auge faßt, der
mag wohl mit Erstaunen und Bewunderung
fragen: Wer mahlte vor ihm, wie er? Wo¬
her nahm er die ganz neue Größe, von wel¬
cher vorher kein Auge jemals wußte? Und
wer hat ihn auf die vorher unbekannten
Wege gebracht?

Es ist in der Welt der Künstler gar kein
höherer, der Anbetung würdigerer Gegen¬
stand, als: -- ein ursprünglich Original! --
Mit ämsigem Fleiße, treuer Nachahmung,
klugem Urtheil zu arbeiten, -- ist mensch¬
lich
; -- aber das ganze Wesen der Kunst
mit einem ganz neuen Auge zu durchblicken,

groß und herrlich: der innere Geiſt des Gan¬
zen leuchtet dann auch aus jedem der einzel¬
nen äußeren Theile hervor. —

Alſo erſcheint mir der vielbeurtheilte Buo¬
narotti, und wer ihn in dieſer Geſtalt, un¬
ter den alten Mahlern ins Auge faßt, der
mag wohl mit Erſtaunen und Bewunderung
fragen: Wer mahlte vor ihm, wie er? Wo¬
her nahm er die ganz neue Größe, von wel¬
cher vorher kein Auge jemals wußte? Und
wer hat ihn auf die vorher unbekannten
Wege gebracht?

Es iſt in der Welt der Künſtler gar kein
höherer, der Anbetung würdigerer Gegen¬
ſtand, als: — ein urſprünglich Original! —
Mit ämſigem Fleiße, treuer Nachahmung,
klugem Urtheil zu arbeiten, — iſt menſch¬
lich
; — aber das ganze Weſen der Kunſt
mit einem ganz neuen Auge zu durchblicken,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0183" n="175"/>
groß und herrlich: der innere Gei&#x017F;t des Gan¬<lb/>
zen leuchtet dann auch aus jedem der einzel¬<lb/>
nen äußeren Theile hervor. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o er&#x017F;cheint mir der vielbeurtheilte Buo¬<lb/>
narotti, und wer ihn in die&#x017F;er Ge&#x017F;talt, un¬<lb/>
ter den alten Mahlern ins Auge faßt, der<lb/>
mag wohl mit Er&#x017F;taunen und Bewunderung<lb/>
fragen: Wer mahlte vor ihm, wie <hi rendition="#g">er</hi>? Wo¬<lb/>
her nahm er die ganz neue Größe, von wel¬<lb/>
cher vorher kein Auge jemals wußte? Und<lb/>
wer hat ihn auf die vorher unbekannten<lb/>
Wege gebracht?</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t in der Welt der Kün&#x017F;tler gar kein<lb/>
höherer, der Anbetung würdigerer Gegen¬<lb/>
&#x017F;tand, als: &#x2014; ein ur&#x017F;prünglich Original! &#x2014;<lb/>
Mit äm&#x017F;igem Fleiße, treuer Nachahmung,<lb/>
klugem Urtheil zu arbeiten, &#x2014; i&#x017F;t <hi rendition="#g">men&#x017F;ch¬<lb/>
lich</hi>; &#x2014; aber das ganze We&#x017F;en der Kun&#x017F;t<lb/>
mit einem ganz neuen Auge zu durchblicken,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0183] groß und herrlich: der innere Geiſt des Gan¬ zen leuchtet dann auch aus jedem der einzel¬ nen äußeren Theile hervor. — Alſo erſcheint mir der vielbeurtheilte Buo¬ narotti, und wer ihn in dieſer Geſtalt, un¬ ter den alten Mahlern ins Auge faßt, der mag wohl mit Erſtaunen und Bewunderung fragen: Wer mahlte vor ihm, wie er? Wo¬ her nahm er die ganz neue Größe, von wel¬ cher vorher kein Auge jemals wußte? Und wer hat ihn auf die vorher unbekannten Wege gebracht? Es iſt in der Welt der Künſtler gar kein höherer, der Anbetung würdigerer Gegen¬ ſtand, als: — ein urſprünglich Original! — Mit ämſigem Fleiße, treuer Nachahmung, klugem Urtheil zu arbeiten, — iſt menſch¬ lich; — aber das ganze Weſen der Kunſt mit einem ganz neuen Auge zu durchblicken,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/183
Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/183>, abgerufen am 23.11.2024.