in seinen Bildern die kühnsten und wildesten Stellungen und Gebehrden; er drängte Mus¬ keln auf Muskeln, und wollte in jede Nerve seiner Figuren die hohe poetische Kraft stem¬ peln, wovon er erfüllt war. Er ergründete das innerliche Triebwerk der Menschenma¬ schine bis in die verborgensten Wirkungen; er spürte die härtesten Schwierigkeiten in der Mechanik des menschlichen Körpers auf, um sie zu bekämpfen, und um die üppige Fülle seiner Geisteskraft auch in den körper¬ lichen Theilen der Kunst auszulassen und zu befriedigen: -- grade so wie Dichter, in de¬ nen ein nicht zu löschendes lyrisches Feuer brennt, sich an großen und ungeheuren Ideen nicht genügen, sondern vornehmlich auch in dem sichtbaren, sinnlichen Werkzeuge ihrer Kunst, in Ausdruck und Worten, ihre kühne und wilde Stärke abzudrücken stre¬ ben. Die Wirkung ist, an beyden Orten,
in ſeinen Bildern die kühnſten und wildeſten Stellungen und Gebehrden; er drängte Muſ¬ keln auf Muſkeln, und wollte in jede Nerve ſeiner Figuren die hohe poetiſche Kraft ſtem¬ peln, wovon er erfüllt war. Er ergründete das innerliche Triebwerk der Menſchenma¬ ſchine bis in die verborgenſten Wirkungen; er ſpürte die härteſten Schwierigkeiten in der Mechanik des menſchlichen Körpers auf, um ſie zu bekämpfen, und um die üppige Fülle ſeiner Geiſteskraft auch in den körper¬ lichen Theilen der Kunſt auszulaſſen und zu befriedigen: — grade ſo wie Dichter, in de¬ nen ein nicht zu löſchendes lyriſches Feuer brennt, ſich an großen und ungeheuren Ideen nicht genügen, ſondern vornehmlich auch in dem ſichtbaren, ſinnlichen Werkzeuge ihrer Kunſt, in Ausdruck und Worten, ihre kühne und wilde Stärke abzudrücken ſtre¬ ben. Die Wirkung iſt, an beyden Orten,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0182"n="174"/>
in ſeinen Bildern die kühnſten und wildeſten<lb/>
Stellungen und Gebehrden; er drängte Muſ¬<lb/>
keln auf Muſkeln, und wollte in jede Nerve<lb/>ſeiner Figuren die hohe poetiſche Kraft ſtem¬<lb/>
peln, wovon er erfüllt war. Er ergründete<lb/>
das innerliche Triebwerk der Menſchenma¬<lb/>ſchine bis in die verborgenſten Wirkungen;<lb/>
er ſpürte die härteſten Schwierigkeiten in<lb/>
der Mechanik des menſchlichen Körpers auf,<lb/>
um ſie zu bekämpfen, und um die üppige<lb/>
Fülle ſeiner Geiſteskraft auch in den körper¬<lb/>
lichen Theilen der Kunſt auszulaſſen und zu<lb/>
befriedigen: — grade ſo wie Dichter, in de¬<lb/>
nen ein nicht zu löſchendes lyriſches Feuer<lb/>
brennt, ſich an großen und ungeheuren<lb/><hirendition="#g">Ideen</hi> nicht genügen, ſondern vornehmlich<lb/>
auch in dem ſichtbaren, ſinnlichen Werkzeuge<lb/>
ihrer Kunſt, in Ausdruck und Worten, ihre<lb/>
kühne und wilde Stärke abzudrücken ſtre¬<lb/>
ben. Die Wirkung iſt, an beyden Orten,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[174/0182]
in ſeinen Bildern die kühnſten und wildeſten
Stellungen und Gebehrden; er drängte Muſ¬
keln auf Muſkeln, und wollte in jede Nerve
ſeiner Figuren die hohe poetiſche Kraft ſtem¬
peln, wovon er erfüllt war. Er ergründete
das innerliche Triebwerk der Menſchenma¬
ſchine bis in die verborgenſten Wirkungen;
er ſpürte die härteſten Schwierigkeiten in
der Mechanik des menſchlichen Körpers auf,
um ſie zu bekämpfen, und um die üppige
Fülle ſeiner Geiſteskraft auch in den körper¬
lichen Theilen der Kunſt auszulaſſen und zu
befriedigen: — grade ſo wie Dichter, in de¬
nen ein nicht zu löſchendes lyriſches Feuer
brennt, ſich an großen und ungeheuren
Ideen nicht genügen, ſondern vornehmlich
auch in dem ſichtbaren, ſinnlichen Werkzeuge
ihrer Kunſt, in Ausdruck und Worten, ihre
kühne und wilde Stärke abzudrücken ſtre¬
ben. Die Wirkung iſt, an beyden Orten,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/182>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.